„Das wäre in Italien undenkbar“: Kulturstaatssekretärin über AfD-Ausladung und Filmförderung

Epoch Times sprach am Rande eines Empfangs anlässlich der Berlinale, mit Lucia Borgonzoni, Staatssekretärin im italienischen Kulturministerium über die italienische Filmförderung und die Unterschiede zu Deutschland. Italien ist bei der 74. Berlinale mit zwei Filmen im Wettbewerb und auch als „Land im Fokus“ beim European Film Market (EFM) präsent.
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Lucia Borgonzoni, Staatssekretärin im Kulturministerium von Italien.Foto: Erik Rusch/Epoch Times
Von 23. Februar 2024

Die Berlinale-Freikarten an AfD-Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses sorgten im Vorfeld des millionenteuren Filmfestivals für großen Aufruhr.

Die rechts-konservative Partei erhielt, wie alle Fraktionen des Abgeordnetenhauses sie üblicherweise erhalten, Freikarten zu der renommierten Veranstaltung. Daraufhin gab es einen Chor der Kritik gegenüber den Berlinale-Verantwortlichen. Das Filmfest, das zu einem Drittel aus Bundesmitteln finanziert ist, zog aufgrund des Drucks die „Einladungen“ an die AfD-Abgeordneten wieder zurück.

So eine Ausladung würde in Italien nicht passieren, meinte Lucia Borgonzoni (47), Staatssekretärin im Kulturministerium Italiens und Senatorin für die Lega Nord. Im Interview mit Epoch Times sagte Borgonzoni: „Nein, das wäre in Italien undenkbar, solange es sich um demokratisch gewählte Abgeordnete handelt.“ Es sei denn, die Partei würde abgewählt oder aus dem Rennen genommen worden sein, so Borgonzoni. Sie ist diese Woche anlässlich der Berlinale zum Besuch in der Bundeshauptstadt.

75 Millionen Kinobesucher

Genau wie in Deutschland regelt auch in Italien ein Filmförderungsgesetz die staatlichen Maßnahmen zur Filmfinanzierung. Hier gebe es Subventionen und Steueranreize, die jedem zustehen oder selektiv auf Antrag gewährt werden, erklärt Borgonzoni Epoch Times am Rande eines Empfangs in der italienischen Botschaft. Und mit einem eigenen Fonds unterstütze der Staat die italienischen Kinos, da wegen der Corona-Pandemie viele von ihnen hätten schließen müssen.

Dies scheint zu funktionieren. Denn von den jährlich zwischen 90 und 120 Millionen Kinobesuchern zwischen 2009 und 2019 konnte Italien sich von dem Besuchereinbruch 2020 wegen der Coronamaßnahmen von 30 Millionen auf 75 Millionen im Jahr 2023 erholen.

Zum Erhalt der Kinos im letzten Sommer hatte die Regierung alle europäischen Filme gefördert. Jugendliche konnten für 3,50 Euro eine Vorstellung besuchen. „Den Aufpreis zum regulären Ticket hat die Regierung zur Unterstützung von Produzenten und Verleihern beigesteuert“, so Borgonzoni. Das habe im Sommer zu einem neuen Kino-Besucherrekord geführt.

KulturPass förderte Kinobesuche

Auch in Deutschland stiegen die Zahlen wieder. Dazu trug laut Kinoindustrie auch der „KulturPass“ der Bundesregierung bei. Über ihn bekamen alle Jugendlichen, die 2023 18 Jahr alt wurden 200 Euro für Kulturangebote zur Verfügung gestellt, die offenbar viele in Kinotickets ummünzten. Mit seinen 95 Millionen Kinobesucher im Jahr 2023 liegt die Bundesrepublik nah an Vor-Corona-Niveau (2019: 110 Millionen).

Spitzenreiter in Europa war 2023 allerdings Frankreich mit 180 Millionen Kinobesuchern, gefolgt von Großbritannien mit 123 Millionen Zuschauern. Danach folgte Deutschland – Italien lag auf Platz fünf.

Wie wichtig Italien die Förderung von Filmen ist, zeigt der im Jahr 2023 eingerichtete Entwicklungsfonds über 746 Millionen Euro. Davon sind 541 Millionen Euro für Steuergutschriften und Anreize vorgesehen, um ausländische Filmproduktionen in Italien zu fördern.

Zum Vergleich: In den bestehenden Förderfonds DFF und GMPF standen im vergangenen Jahr in Deutschland rund 166 Millionen Euro an staatlichen Mitteln zur Verfügung. Für 2024 wurde die staatliche Filmförderung um 15 Millionen Euro geschrumpft.

Auch hier scheint das italienische Konzept zu funktionieren. 14 Mal in der Geschichte der Oscarverleihung gewann Italien die Kategorie „Bester internationaler Film“ und „Bester fremdsprachiger Film“. Deutschland mit seinen vier Siegen liegt weit abgeschlagen.

„Im Westen nichts Neues“

Ausgerechnet mit der ersten deutschen Verfilmung von „Im Westen nichts Neues“ – einem Film, der keine staatliche Förderung erhielt – räumte Deutschland 2023 mit vier Oscars, erstmals nach 16 Jahren Pause, auch in der Kategorie „Bester internationaler Film“ in Hollywood eine Auszeichnung ab.

Während in Deutschland das Thema Diversität mit Richtlinien bei der Filmförderung ein immer größeres Thema ist, spielt bei der italienischen staatlichen Filmförderung der Inhalt keine Rolle.

„Nein, das ist in Italien anders“, so Borgonzoni. Die meisten Förderungen würden nach festen Regeln und Automatismen vergeben, nicht nach persönlichen Vorlieben und auf den Inhalt werde kein Einfluss genommen, erklärt die Kulturstaatssekretärin. Das mache sie vielleicht auch so erfolgreich. Und fügt an: „Filme dürfen nicht zur Gehirnwäsche missbraucht werden.“

Grundgedanke hinter den ganzen Förder- und Filmfinanzierungsmaßnahmen sei es, den italienischen Film lebendig zu halten und ihn immer tiefgründiger und besser werden zu lassen, erklärt die Norditalienerin.

Filme erzählen Geschichte des Landes

Zudem habe man eine Förderrichtlinie eingerichtet, um Filme zu historischen italienischen Persönlichkeiten zu fördern. „Es ist uns wichtig, so die Geschichte unseres Landes zu vermitteln.“ Da sei bisher viel zu wenig passiert, so das Senatsmitglied für die Region Emilia-Romagna.

Als Beispiele nennt sie Guglielmo Marconi, den Erfinder des Radios, und die entsprechende Serie Guglielmo Marconi oder Amadeo Peter Giannini, den Gründer der Bank of America, dessen Eltern aus bescheidenen ligurischen Verhältnissen stammten.

Und auf die Frage, was das Typische am italienischen Film sei, erklärt Borgonzoni lachend: „Um es mit einem Wort zu sagen: Kreativität. Wir Italiener haben eine überbordende Fantasie – manchmal fast zu viel des Guten“, so die ausgebildete Künstlerin.



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