„Gesellschaft aus verweichlichten Low-Performern“ international nicht wettbewerbsfähig

Die Ergebnisse der PISA-Studie illustrieren den fortschreitenden Abstieg in Deutschlands Bildungswesen. Der Psychologe Florian Becker sieht Leistungsfeindlichkeit und Gleichmacherei als Ursache für den Abschied aus der Wachstumszone.
Titelbild
Klassenraum in einer Schule (Archiv). Psychologe Florian Becker sieht in einem Bildungswesen, das keine Resilienz aufbaut, eine große Gefahr.Foto: iStock
Von 8. Dezember 2023

Am Dienstag, 5.12., hat die OECD ihre jüngste PISA-Studie vorgestellt – und die Ergebnisse für das deutsche Bildungssystem waren verheerend. Bereits einen Tag zuvor hatte der Wirtschaftspsychologe Florian Becker über eine Mentalität im Bildungswesen geklagt, die Potenziale verkümmern lasse und wirtschaftlichen Abstieg begünstige. Die Entwicklung schlage sich im Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit nieder.

Becker zieht bittere Bilanz über den Ist-Zustand

In einem Interview in „Cicero“ diagnostiziert Becker, dass die wenigsten Menschen in Deutschland überhaupt über Wege informiert seien, ihre Potenziale zu entfalten. Der Buchautor und Professor an der Technischen Hochschule Rosenheim präsentiert eine bittere Bestandsaufnahme, die nicht nur Schüler betrifft.

Eine Vielzahl an Menschen in Deutschland verbrächten mehr als fünf Stunden täglich mit völlig unproduktiven Tätigkeiten. Mehr als die Hälfte der Erwachsenen sei übergewichtig, ein Drittel der Bevölkerung klassifiziere sich in Umfragen selbst als psychisch krank. Die Unzufriedenheit im Job ist groß – und nahezu vier Millionen bezögen Bürgergeld, obwohl sie arbeitsfähig wären.

Um die Wachstumszone zu kommen, müssten Menschen schlechte Verhaltensweisen ablegen, gute Gewohnheiten aufbauen und nachhaltig Glück verfolgen. Das Bildungswesen gebe ihnen jedoch nicht das erforderliche Rüstzeug dazu. Vielmehr machten sich eine leistungsfeindliche Ideologie und Opfer-Mentalität breit.

Psychologe: Abschirmen von Herausforderungen kein adäquater Weg für Kinder ins Leben

Obwohl immer weniger Kinder in der Grundschule die Mindeststandards erreichten, steige die Zahl der Gymnasiasten. Etwa 40 Prozent schlössen dieses mit einem Einser-Abitur ab, seien jedoch dem Studium nicht gewachsen. Gleichzeitig blieben etwa 17 Prozent der jungen Menschen in Deutschland gänzlich ohne jedweden Schul- oder Berufsabschluss: „Die Perspektive ist dann bestenfalls Hilfsarbeiter, oft Bürgergeld.“

Es herrsche eine gänzlich falsche Annahme vor, wonach wir „Kindern etwas Gutes tun, indem wir sie nicht fordern“. Dies beginne bei sogenannten Helikoptereltern und setze sich in Maßnahmen wie der Abschaffung des Wettbewerbsfaktors bei den Bundesjugendspielen fort.

Darüber hinaus werde der Druck von Lobbyverbänden immer größer, die Schulnoten abzuschaffen. Statt leistungsschwache Schüler gezielt zu fördern, nimmt man anderen diesen Motivationsfaktor. Dabei würden vor allem Mädchen und Kinder aus sozial schwachen Familien erfahrungsgemäß von Noten profitieren. Becker sieht dies als symptomatisch für den herrschenden Zeitgeist:

„Man ist also offenbar entschlossen, die Interessen aller anderen zu opfern, damit diejenigen, die besonders leistungsschwach sind, sich besser fühlen. Das ist typisch für das aktuelle ideologische Denken in Deutschland.“

Becker: „Pro Jahr vermittelt ein Jobcenter-Mitarbeiter im Schnitt nicht einmal einen Arbeitslosen“

Psychologe Becker warnt vor einer Gesellschaft, die „Erfolg bekämpft, weil es keinen Misserfolg mehr geben darf“. Statt schon im Kindesalter Resilienz aufzubauen und ihnen beizubringen, mit Scheitern umzugehen, werde „Erfolg […] zunehmend geheuchelt und simuliert, die objektive Messung verhindert und ehrliche Rückmeldung abgeschafft“. Dabei würde nur ehrliches Feedback Lernen und Wachsen ermöglichen.

Becker vergleicht das in Deutschland dominante Ideal im Bildungswesen mit dem Aufziehen von Pflanzen in einem Gewächshaus. Diese würden permanent geschont und geschützt vor Sonne, Wind, Schädlingen und Trockenheit. In der Natur selbst hätten sie jedoch keine Überlebenschance.

Das stetige Leben in der Komfortzone beeinträchtige die deutsche Position im internationalen Vergleich. Deshalb sinke der IQ in wesentlichen Feldern, und im World Competitiveness Ranking 2023 sei Deutschland von Platz 15 auf 22 abgestürzt. Das Land sei auf dem Weg in eine „Gesellschaft aus verweichlichten Low-Performern“, mit denen man international nicht bestehen werde.

Der Staat lebe auch kein besseres Vorbild vor. So zitiert Becker Medienberichte, wonach im Jahr 2022 weniger als 104.000 Arbeitslose und Bürgergeldempfänger in Arbeit vermittelt worden seien. Bei 110.000 Mitarbeitern in Arbeitsagentur und Jobcenter sei dies nicht einmal eine Person pro Jahr und Mitarbeiter. Gleichzeitig verließen jährlich mehr als 250.000 Bürger das Land – „die meisten kommen nicht wieder“.

Soziale Herkunft und Genetik nicht die einzigen Erfolgsfaktoren

Als Ausweg plädiert Florian Becker für eine Fehlerkultur, die Scheitern zugesteht und dieses als Ansporn wahrnimmt, daraus zu lernen:

„Wir brauchen Menschen, die gelernt haben, immer einmal mehr aufzustehen, als sie hinfallen.“

Es müsse eine „Wende im Mindset“ geben, sodass Exzellente wieder als Vorbilder wahrgenommen und nicht mehr Low-Performer Dreh- und Angelpunkt seien. Auch bei Erwachsenen müssten Eigenverantwortung, Handlungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft wieder eine größere Rolle spielen.

Der Weg dazu könne nur in einer „positiven Psychologie“ bestehen, die nicht Statistiken im Auge habe, sondern Kompetenzen für den einzelnen Menschen. Für diesen gehe es um „mehr Fokus, die Entwicklung guter Gewohnheiten, Resilienz, Glücklichkeit, Selbstdisziplin und Motivation“.

Soziologische und genetische Faktoren mögen Aspekte sein, die zum Bildungserfolg beitragen – die Psychologie sei es jedoch mindestens im gleichen Maße. Deshalb müsse das Land lernen, diese als Erfolgsfaktor zu nutzen.

 

 



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