Anstieg von Verkehrsunfällen nach Legalisierung von Marihuana

In einer Studie wurden in New Jersey die Veränderungen von Verkehrsunfällen nach der Legalisierung von Marihuana untersucht. In Deutschland, das jüngst die niedrigsten Zahlen Verkehrstoter vermeldete, laufen die Verhandlungen über die Legalisierung von Marihuana weiter.
Debatte um Legalisierung von Marihuana in Deutschland
Debatte um Legalisierung von Marihuana in Deutschland.Foto: iStock
Von 19. Juli 2022

In Deutschland ist 2021 die Gesamtzahl der Unfälle gegenüber 2020 um 3,1 Prozent angestiegen, aber niedriger als vor der Corona-Pandemie. Das Unfallgeschehen 2021 war erneut durch die Corona-Pandemie geprägt. Nach ersten Schätzungen der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) legten die Deutschen – wie schon 2020 – auf den Straßen deutlich weniger Kilometer zurück als vor der Pandemie.

Im Vergleich zu 2020 gab es 5,8 Prozent weniger Verkehrstote. Damit sank die Zahl der Verkehrstoten und Verletzten auf den tiefsten Stand seit mehr als 60 Jahren. Im Durchschnitt wurden etwa 6.300 Verkehrsunfälle pro Tag polizeilich erfasst. Dabei wurden jeden Tag durchschnittlich 885 Menschen verletzt und sieben Menschen getötet. Doch diese Zahl könnte in den nächsten Jahren wieder deutlich steigen, wenn die Regierungskoalition ihre Pläne zur Legalisierung von Marihuana fortsetzt.

In US-Staaten, die Marihuana für den Freizeitkonsum legalisierten, kam es zu einem Anstieg der Verkehrsunfälle und der Zahl von Verkehrstoten. Zu diesem Ergebnis kommt eine am 19. Juli veröffentlichte Studie im „Journal of Studies on Alcohol and Drugs“.

Vier Prozent mehr tödliche Verkehrsunfälle nach Legalisierung

„Die Legalisierung von Marihuana kommt nicht ohne Kosten“, sagt der leitende Forscher Charles M. Farmer vom Insurance Institut für Verkehrssicherheit in Ruckersville. Gemeinsam mit seinen Kollegen untersuchte er fünf Bundesstaaten, die den Freizeitkonsum von Marihuana Erwachsenen ab 21 Jahren erlauben.

Die Forscher sammelten für ihre Untersuchung zu Verkehrsunfällen und zum Verkehrsaufkommen Daten von elf Staaten der Federal Highway Administration aus den Jahren 2009 bis 2019. Für den Freizeitgebrauch hatten fünf Staaten (Colorado, Washington, Oregon, Kalifornien und Nevada) Marihuana im Untersuchungszeitraum legalisiert. In einer Vergleichsgruppe von sechs Staaten (Arizona, Idaho, Montana, New Mexico, Utah und Wyoming) war dies nicht der Fall.

Die Autoren bereinigten statistisch die Faktoren, von denen bekannt ist, dass sie zu Unfällen und tödlichen Unfällen beitragen, einschließlich der Benutzung von Sicherheitsgurten und der Arbeitslosenquote.

Die Analyse zeigte sowohl nach der Legalisierung als auch dem Beginn des Einzelhandelsverkaufs einen Anstieg der Verkehrsunfälle. Die Zahl der Verletzten stieg dabei um 5,8 Prozent und die Zahl der tödlichen Unfälle um 4,1 Prozent. In der Vergleichsgruppe von Staaten, wo die Droge nicht legal ist, stellten die Forscher keinen Anstieg fest.

Mehr, aber langsamere Unfälle

Der erste sprunghafte Anstieg der Unfallrate mit Verletzten erfolgte nach der Legalisierung, aber vor dem Beginn des Einzelhandelsverkaufs. Die Zahl der Verkehrsunfälle mit Verletzten stieg nach der Legalisierung um 6,5 Prozent, ging aber nach Beginn des Einzelhandelsverkaufs leicht zurück (- 0,7 Prozent). Die Zahl der tödlichen Unfälle stieg sowohl nach der Legalisierung (+ 2,3 Prozent) als auch nach der Zulassung des Einzelhandels (+ 1,8 Prozent).

„Die Legalisierung beseitigt das Stigma des Marihuanakonsums, während der Beginn des Einzelhandelsverkaufs lediglich den Zugang erleichtert“, sagt Farmer. „Aber der Zugang zu Marihuana ist nicht schwer, auch nicht an Orten ohne Einzelhandelsverkauf. Konsumenten, die es bisher vermieden haben, high zu fahren, haben nach der Legalisierung vielleicht das Gefühl, dass es in Ordnung ist.“

Es könnte noch einen weiteren Zusammenhang zwischen Verkehrsunfällen mit Verletzten und der Legalisierung von Cannabiskonsum geben. Fahrer, die Marihuana konsumierten, fahren oft langsamer und halten einen größeren Abstand zwischen sich und anderen Fahrzeugen ein, so die Forscher. Beeinträchtigte Fahrer, die mit geringerer Geschwindigkeit unterwegs sind, könnten einen Unfall zwar nicht vermeiden, aber die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem tödlichen Unfall kommt, sei möglicherweise geringer – salopp gesagt, es kracht nicht dreimal mit Tempo 100, sondern viermal mit 85.

Zusammenhang zwischen Konsum von Marihuana und Verkehrsunfällen

Den Autoren zufolge haben frühere Studien mit Fahrsimulatoren gezeigt, dass der Konsum von Marihuana die Reaktionszeit, die Straßenlage, das Halten der Fahrspur und die Aufmerksamkeit beeinträchtigt. Farmer weist jedoch darauf hin, dass es sich bei der aktuellen Studie um eine Korrelationsstudie handelt. So ist ein erhöhter Marihuanakonsum wahrscheinlich nicht die alleinige Ursache für die beobachtete Zunahme.

Zudem variierten die Veränderungen bei den Unfallzahlen mit Verletzten je nach Bundesstaat: Colorado verzeichnete den stärksten Anstieg (+ 17,8 Prozent) und Kalifornien den geringsten (+ 5,7 Prozent), und zwar sowohl nach der Legalisierung als auch nach dem Beginn des Einzelhandelsverkaufs. Bezüglich tödlicher Unfälle reichten die Veränderungsraten von + 3,8 Prozent (Oregon) bis zu einer Verringerung um fast zehn Prozent in Nevada.

„Studien, die nach einem direkten kausalen Zusammenhang zwischen Marihuanakonsum und Unfallrisiko gesucht haben, waren nicht schlüssig“, sagt er. „Anders als bei Alkohol gibt es kein gutes objektives Maß dafür, wie stark ein Marihuanakonsument beeinträchtigt ist. Solange wir die Beeinträchtigung durch Marihuana nicht genau messen können, werden wir nicht in der Lage sein, sie mit dem Unfallrisiko in Verbindung zu bringen.“

Farmer weist darauf hin, dass Staaten, die eine Legalisierung von Marihuana in Erwägung ziehen, einige Schritte in Betracht ziehen sollten, um einen möglichen Anstieg der Unfälle zu verhindern. „Zunächst sollte man alle davon überzeugen, dass es nicht in Ordnung ist, unter dem Einfluss von Marihuana zu fahren“, sagt er. „Dann sollte man Gesetze und Sanktionen erlassen, die diejenigen bestrafen, die diese Botschaft ignorieren. Und schließlich müssen sie sicherstellen, dass sie über die Ressourcen (d. h. Personal und Ausbildung) verfügen, um diese Gesetze und Sanktionen durchzusetzen.“

Diskussion um Legalisierung von Marihuana

Die Ergebnisse der Studie stellen die Debatte der Legalisierung von Marihuana in Deutschland in ein neues Licht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sagte bei einer Expertenanhörung zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens in Berlin, dass nach dem Prinzip „Safety first“ – Sicherheit geht vor – vorgegangen werde.

Durch die zunehmende Verunreinigung von Marihuana und den steigenden Konsum sei der Markt aggressiver geworden. Daher wolle die Ampel-Koalition einen „Kurswechsel“ vornehmen. Im Koalitionsvertrag vereinbarten die SPD, Grüne und FDP, eine „kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften“ einzuführen. „Der Cannabiskonsum in Maßen, gut abgesichert, in Qualität und ohne Beschaffungskriminalität ist etwas, was man akzeptieren muss und was zu einer modernen Gesellschaft dazugehört.“, sagte Lauterbach.

Auf der Grundlage von Experteneinschätzungen solle im Herbst ein Eckpunktepapier und Ende des Jahres ein Gesetzentwurf vorlegt werden, „sodass wir dann mit dem Gesetzgebungsverfahren im nächsten Jahr durchstarten können.“

Für die Verabschiedung des Gesetzes müssen unter anderem Aspekte des Jugendschutzes, aber auch im Strafgesetzbuch, im Steuerrecht oder im Straßenverkehrsrecht geklärt werden. Die Pressestelle der Bundesstelle für Sucht- und Drogenfragen teilt der Epoch Times auf Nachfrage mit, dass die Verhandlungen laufen und Studien mit einbezogen würden. Die Mitarbeiterin betonte jedoch, dass es eine enorme Vielfalt an Studien gebe und sie nicht jede kennen würden.

In einer früheren Studie wurde bereits festgestellt, dass Legalisierung und Verkauf von Cannabis zu einer Verneunfachung der Cannabisvergiftungen bei Kindern unter zehn Jahren führte. Insgesamt berichteten die Forscher von 522 Notaufnahmen wegen Cannabisvergiftungen im Studienzeitraum von Januar 2016 bis März 2021 – etwa zwei pro Woche. Das Durchschnittsalter dieser Kinder betrug 3 Jahre und 9 Monate.

(Mit Material der dpa und dem Institute for Highway Safety)



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