Chronische Leiden durch tiefliegende Traumata – so löst man sie auf

Ein traumatisches Ereignis kann Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nachwirken. Dies belastet unterbewusst das Zentrale Nervensystem – körperliche Probleme sind die Folge. Es gibt einige Methoden, um ein altes Trauma aufzulösen und den Körper zu heilen.
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Während eines traumatischen Ereignisses kann sich der Stress nicht lösen und verbleibt im Körper. Jahre später kann er sich durch verschiedene körperliche Leiden manifestieren.Foto: KatarzynaBialasiewicz/iStock
Von 23. März 2024

„Wenn Sie unter seltsamen Symptomen leiden, die niemand zu erklären vermag, könnten diese von einer traumatischen Reaktion auf ein vergangenes Ereignis herrühren, an das Sie sich vielleicht nicht einmal erinnern können.“ Dies sind die Worte von Peter Levine, Biophysiker, Psychologe und Psychotraumatologe. Er ist ein Pionier auf dem Gebiet der Traumaverarbeitung und der komplexen Beziehungen zwischen Körper und Geist nach einem erschütternden Ereignis.

Traumata und körperliche Leiden

Wie genau wirken sich Traumata auf den Körper aus? Wenn jemand einer Gefahr begegnet, aktiviert der Körper die Kampf-oder-Flucht-Reaktion. Das ist ein Überlebensmechanismus, der Energie mobilisiert, um sich der Bedrohung entweder zu stellen oder vor ihr zu fliehen. Im Idealfall wird dieser Energieschub durch körperliches Handeln abgebaut. Wenn man jedoch nicht kämpfen oder fliehen kann, kann diese Energie noch lange nach dem traumatischen Ereignis im Körper gefangen bleiben. Levine nennt dies einen „eingefrorenen Energierückstand“.

Dies passiere vor allem, wenn man keine Möglichkeit gehabt habe, sich zu schützen oder dem traumatischen Erlebnis zu entkommen. Das meint Arielle Schwartz, Psychologin und Autorin von „Therapeutisches Yoga und Polyvagal-Theorie: Mit Yoga vom Trauma genesen“. 

Der eingeschlossene Stress könne sich dann Jahre später durch verschiedene körperliche Leiden manifestieren, darunter Kopfschmerzen, Verdauungsprobleme, chronische Schmerzen, Hyperarousal (Übererregbarkeit), Schlaflosigkeit, Stimmungsschwankungen, Müdigkeit, geschwächte Immunität, hormonelles Ungleichgewicht, Probleme des Bewegungsapparats, schweres prämenstruelles Syndrom (PMS) und Asthma.

Ein Hilfeschrei des Körpers

Wie können sich ungelöste Emotionen als körperliches Unbehagen, Schmerzen, Verspannungen und sogar auszehrende Krankheiten manifestieren? Diesen Fragen widmet sich Dr. Gabor Maté, kanadischer Arzt und Spezialist auf den Gebieten Sucht, Stress, chronische Erkrankungen und Traumata in der Kindheit. Er schrieb mehrere Bücher zu diesen Themen, darunter auch „Wenn der Körper nein sagt. Wie verborgener Stress krank macht – und was Sie dagegen tun können“.

„Wenn wir nicht gelernt haben, nein zu sagen, kann es sein, dass unser Körper es für uns sagt“, schreibt Dr. Maté. Es gibt verschiedene Strategien und Hilfsmittel, die dabei helfen können, alte Überlebensmuster zu überwinden.

Leichtes Zittern ermöglicht Trauma-Heilung

Der eingangs erwähnte Traumaforscher Peter Levine entwickelte die körperorientierte Therapie „Somatic Experiencing“ (somatisch = den Körper betreffend/ Experiencing = Erleben), die sowohl im klinischen als auch im medizinisch-ganzheitlichen Bereich zunehmend an Bedeutung gewinnt. Diese Therapie zielt darauf ab, ein Gefühl der Ausgeglichenheit und der Stabilität wiederherzustellen, indem Traumata aus dem Körper gelöst werden.

Diese Technik hilft, durch sanfte Vibration und leichtes Schütteln das Nervensystem zu beruhigen und die Heilung zu fördern. Eingeschlossene Energie kann so entladen werden. Man aktiviert zudem Ressourcen, die während der damaligen Situation fehlten. Dadurch kann der Körper neu strukturiert und die Heilung unterstützt werden.

In seinem Buch „Trauma-Heilung: Das Erwachen des Tigers“ erklärt Levine, dass wilde Tiere nur selten ein Trauma entwickeln. Nach einem lebensbedrohlichen Ereignis schütteln sie sich, um Adrenalin und Cortisol auszuschütten. Dieser Prozess hilft ihrem Nervensystem, in einen normalen, ausgeglichenen Zustand zurückzukehren. Levine nutzt dieses Phänomen, um menschliche Traumata effektiver zu behandeln.

Übungen zum Lösen von Spannungen und Traumata

Ein praktischer Weg, ein anhaltendes Trauma „auszuschütteln“, sind Übungen zum Lösen von Spannungen und Traumata (Tension and Trauma Releasing Exercises, TRE) – eine Methode des Psychologen und Traumatherapeuten David Berceli, die er auf Grundlage von Levines Theorien, Yoga, Tai-Chi und weiteren entwickelte. Dabei rufen die Übungen im Körper ein sanftes Zittern hervor, das das Nervensystem beruhigt und die Heilung fördert.

Viele Studien konnten die Wirksamkeit von TRE bei der Behandlung von Traumata nachweisen. TRE oder andere somatisch basierte Therapien können zu Hause durchgeführt oder als therapeutische Methode von einem Arzt oder Psychologen eingesetzt werden.

Körper-Geist-Praktiken

Auch andere Methoden wie Tanztherapie, Yoga und Tai-Chi bieten die Möglichkeit, gespeicherte Energie freizusetzen und sich durch bewusste Atemübungen und achtsame Bewegung wieder mit dem Körper zu verbinden.

Laut einer Studie zeigte das zehn Wochen lange Üben von Yoga bei wöchentlichen, einstündigen Sitzungen sehr gute Wirksamkeit bei einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS). Es reduzierte die PTBS-Symptome bei Patienten, die auf keine andere Behandlung oder Medikamente ansprachen.

Bessel van der Kolk, ein niederländischer Psychiater, Traumatherapeut und Autor des US-Bestsellers „Verkörperter Schrecken: Traumaspuren in Gehirn, Geist und Körper und wie man sie heilen kann“, unterstreicht die Wirksamkeit von „uralten, nicht pharmakologischen Ansätzen“ wie tiefes Atmen, Kampfsport, Trommeln und Singen, und wie diese den Menschen dabei helfen, aus der Kampf-oder-Flucht-Reaktion herauszukommen. Diese Übungen können zu Hause durchgeführt werden und sind für die meisten Menschen leicht umzusetzen.

Ein solides soziales Unterstützungsnetzwerk

Dr. Van der Kolk betont auch die Bedeutung eines guten Unterstützungsnetzwerks. Dies kann ein wirksamer Schutzmechanismus und ein Gegenmittel bei Traumata sein.

Ihm zufolge erholen sich Patienten in der Regel am besten, wenn sie zu anderen Menschen Beziehungen pflegen. Das können die Familie und Angehörige sein, aber auch Therapeuten, Religionsgemeinschaften oder Treffen von Selbsthilfegruppen wie Angehörige von Anonymen Alkoholikern, da diese emotionale und körperliche Sicherheit bieten, frei von Verurteilung oder Scham.

„Ein Trauma kann nicht ignoriert werden“, schreibt Levine in „Das Erwachen des Tigers“. Es sei tief in der Urbiologie des Menschen verwurzelt, die uns das Überleben ermöglichte. Der einzige Weg zur Befreiung bestehe darin, unsere traumatischen Erfahrungen neu zu regulieren und zu transformieren, so der Traumaforscher.

Dieser Artikel ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt oder Apotheker.

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Exhaustive Chronic Conditions May Result From Stored Trauma, Here’s How to Release It“. (redaktionelle Bearbeitung as)



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