Sinkende Impfbereitschaft und offene Fragen

Angesichts sinkender Impfbereitschaft will die Europäische Kommission die Zahlen bei HPV-Impfungen erhöhen. Wichtige Fragen zu Wirksamkeit und Sicherheit der Impfstoffe sind jedoch nach wie vor nicht geklärt.
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Die EU will die Impfquoten bei Mädchen auf 90 Prozent steigern.Foto: iStock
Von 22. Februar 2024

Der 4. März ist internationaler HPV-Awareness-Day. An diesem Tag soll gezielte Aufklärung das Bewusstsein für das Krebsrisiko durch Humane Papillomviren (HPV) schärfen. Schon im Vorfeld wird das Thema HPV-Impfungen verstärkt in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt.

EU-Programm hat Impfquote von 90 Prozent bei Mädchen zum Ziel

In einer kürzlich veröffentlichten Presseerklärung wies EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides darauf hin, dass in der EU jedes Jahr 14.000 Menschen an Gebärmutterhalskrebs sterben. „Sichere und wirksame Impfstoffe bieten uns die historische Chance, den Gebärmutterhalskrebs und andere durch diese Viren ausgelöste Krebsarten zu besiegen“, so Kyriakides.

Um Gebärmutterhalskrebs und andere durch das HPV verursachte Krebserkrankungen zu eliminieren, legt ein neuer europäischer Krebsbekämpfungsplan das Ziel fest, bei Mädchen bis 2030 eine HPV-Impfquote von 90 Prozent zu erreichen und die Impfquote bei Jungen deutlich zu steigern.

Hierfür sei es notwendig, einerseits die Zugänglichkeit zu den Impfungen zu verbessern und die Kosten vollständig zu erstatten. Andererseits sollten die Vorteile der Impfungen gegenüber Eltern und jungen Menschen durch verstärkte Aufklärung hervorgehoben werden. Gleichzeitig müsse der „Kampf gegen Falsch- und Desinformation intensiviert werden“, so der Plan der EU-Kommission.

Obwohl es hauptsächlich die eingesetzten Früherkennungsverfahren waren, die die Häufigkeit von durch HPV verursachten Krebserkrankungen in den letzten Jahrzehnten drastisch reduziert haben, liegt der Schwerpunkt des EU-Programms darauf, die Akzeptanz für HPV-Impfstoffe zu steigern.

Kritik an schneller Zulassung von HPV-Impfstoffen

Humane Papillomviren werden durch sexuellen Kontakt übertragen und können verschiedene Krebsarten verursachen, darunter Gebärmutterhalskrebs sowie Erkrankungen im Hals-, Kopf-, Genital- und Analbereich. Nach Schätzungen des Robert Koch-Instituts können bis zu zwei Prozent aller Krebserkrankungen auf eine HPV-Infektion zurückgeführt werden.

Gardasil, der erste Impfstoff gegen mehrere HPV-Varianten, wurde von Sanofi Pasteur und Merck entwickelt und erhielt im Jahr 2006 die Zulassung in Europa. Im darauf folgenden Jahr wurde ein weiterer Impfstoff, Cervarix von GlaxoSmithKline, auf den Markt gebracht. Beide Impfstoffe sind Totimpfstoffe, die abgetötete Erreger enthalten und eine Immunität gegen verschiedene Subtypen von krebsauslösenden HPV induzieren sollen. Kurz nach der Zulassung der Impfstoffe empfahl die Ständige Impfkommission am Robert Koch-Institut (STIKO) die Impfung aller Mädchen.

Diese Produkte haben den Herstellern erhebliche Gewinne eingebracht, nicht zuletzt aufgrund ihres vergleichsweise hohen Preises pro Impfung. Gardasil avancierte in kürzester Zeit zu einem der umsatzstärksten Arzneimittel in Deutschland.

Allerdings stieß die ungewöhnlich schnelle Zulassung der Impfstoffe von Anfang an auch auf erhebliche Kritik. Fachleute wiesen darauf hin, dass die Impfstoffe nur etwa 70 Prozent der Infektionen mit krebsauslösenden HPV-Varianten verhindern würden und es keine Daten zur Dauer der Schutzwirkung gab.

Einige Wissenschaftler führender deutscher Forschungseinrichtungen warnten vor diesem Hintergrund vor irreführenden Versprechungen bezüglich der Wirksamkeit der neuen Impfungen. In einer gemeinsamen Stellungnahme forderten sie sogar die STIKO zu einer realistischen Neubewertung der HPV-Impfstoffe auf.

Offene Fragen zur Wirksamkeit der HPV-Impfstoffe

Seit damals hat sich die Studienlage über HPV-Impfungen verbessert. Weltweit wurden in den letzten 16 Jahren hunderte Millionen von Impfdosen bei Mädchen und Jungen eingesetzt. Zahlreiche Studien kommen inzwischen zu dem Schluss, dass die verwendeten Impfstoffe die Infektionswahrscheinlichkeit mit HPV signifikant verringern. Aktuellere Zahlen zum Beispiel aus Schweden und Großbritannien deuten darauf hin, dass dies auch zu einer Senkung der Krebsrate bei geimpften Frauen beiträgt.

Die Entwicklung von HPV-induzierten Tumoren wie Gebärmutterhalskrebs verläuft allerdings über Krebsvorstufen und dauert in der Regel viele Jahre. Die bisherigen Beobachtungszeiträume reichen derzeit weiterhin nicht aus, um eindeutig festzustellen, ob die Impfungen tatsächlich zu einer signifikanten Reduktion der Krebshäufigkeit führen oder möglicherweise nur zu einer Verschiebung in einen späteren Lebensabschnitt.

Angesichts des immer noch fehlenden Langzeitstudien bleibt die Frage offen, wie lange eine wirksame Immunität durch die Impfungen tatsächlich anhält. Eine gewisse Schutzwirkung über einen Zeitraum von zehn Jahren wird mittlerweile als gesichert angesehen. Allerdings treten die meisten Fälle von Gebärmutterhalskrebs erst bei Frauen zwischen 40 und 59 auf.

Aus immunologischer Perspektive besteht die Möglichkeit, dass sich langfristig HPV-Varianten verbreiten könnten, gegen die die Impfstoffe weniger wirksam sind. Aktuelle Erkenntnisse zeigen, dass die Impfungen zwar die Verbreitung bestimmter krebsauslösender HPV-Varianten verringern, gleichzeitig jedoch die Diversität anderer HPV-Stämme erhöht wird. Diese auch als „Replacement“ bezeichnete Entwicklung könnte letztlich auch neue Risiken für die Entstehung von Krebs bedeuten.

Verdacht auf Nervenerkrankungen nach HPV-Impfungen

Obwohl HPV-Infektionen häufig vorkommen, ist Gebärmutterhalskrebs eine schwerwiegende, jedoch seltene Folgeerkrankung. Die Schätzungen darüber, wie viele Menschen geimpft werden müssten, um einen Fall von Gebärmutterhalskrebs zu verhindern, variieren je nach Annahmen über die Wirksamkeit und Schutzdauer der Impfung und reichen von einigen hundert bis zu einigen tausend.

Bei Impfungen gegen seltene Erkrankungen werden viele Menschen behandelt, die auch ohne Impfung nicht erkranken würden. In solchen Fällen ist eine umfassende Nutzen-Risiko-Bewertung besonders wichtig, um jedes Signal für unerwünschte Effekte der Impfstoffe zu erkennen.

Berichte über schwerwiegende Nervenerkrankungen bei geimpften Mädchen und jungen Frauen haben Bedenken hinsichtlich der Sicherheit der verwendeten Impfstoffe aufkommen lassen. Nach der Einführung der HPV-Impfung in Dänemark wurden zum Beispiel vermehrt Fälle des posturalen orthostatischen Tachykardiesyndroms (POTS) registriert. Das ist eine Störung des vegetativen Nervensystems, bei der die Herzfrequenzen dramatisch ansteigen, insbesondere beim Aufstehen oder Stehen.

Auf Drängen der dänischen Gesundheitsbehörden leitete die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) im Jahr 2015 eine Untersuchung der Vorfälle ein. Im Abschlussbericht erklärte die EMA allerdings noch im selben Jahr, dass keine Verbindung zwischen HPV-Impfstoffen und schwerwiegenden neurologischen Nebenwirkungen festzustellen sei.

Uneinigkeit unter Wissenschaftlern

Diese Einschätzung stieß jedoch auf Widerspruch. Eine Gruppe von Wissenschaftlern um den Mediziner und ehemaligen Direktor des Nordic Cochrane Centre Peter C. Gøtzsche, kritisierte, dass die Bewertung der EMA sich auf Angaben der Impfstoff-Hersteller stützte, obwohl deren vorgelegte Daten auf eine systematische Untererfassung neurologischer Schäden hinwiesen. Unabhängige Studien, die überzeugende Hinweise auf ein höheres Risiko von Nebenwirkungen lieferten, seien hingegen nicht angemessen berücksichtigt worden.

Offenbar herrschte auch unter den Experten der EMA mehr Uneinigkeit, als der Abschlussbericht der Arzneimittel-Agentur vermuten ließ. Durchgesickerte interne Dokumente zeigen, dass es während der Untersuchung erhebliche Meinungsverschiedenheiten darüber gab, wie die Datenlage zu möglichen Nebenwirkungen der Impfstoffe zu bewerten sei.

Peter Gøtzsche wies in seiner Kritik am Bericht der EMA darauf hin, dass in den Sicherheitsuntersuchungen der Impfstoffe keine echten Placebo-kontrollierten Studien verwendet wurden. Stattdessen erhielten die Kontrollgruppen in den meisten Studien Injektionen, die sogenannte Adjuvantien enthielten. Das sind Hilfsstoffen, die in vielen Impfstoffen zur Anregung von Immunantworten verwendet werden. Adjuvantien wie beispielsweise Aluminium stehen selbst im Verdacht, unerwünschte Nebenwirkungen auszulösen. Daher steht ihre Anwendung als sogenannter Placebo immer wieder in Kritik, da ihre Verwendung als Kontrolle potenzielle Risiken der Impfstoffe verschleiern könnte.

Schulungen und Nudging gegen sinkende Impfbereitschaft

Trotz der Empfehlung der Ständigen Impfkommission, Mädchen und seit 2018 auch Jungen ab 9 Jahren impfen zu lassen, gehen die Impfquoten in Deutschland zurück. Nach den Angaben des Robert Koch-Instituts sind derzeit etwa die Hälfte der 15-jährigen Mädchen gegen HPV geimpft, bei Jungen sind es nur rund ein Viertel. Und der Trend in Deutschland ist insgesamt rückläufig: immer weniger Eltern wollen ihre Kinder gegen HPV impfen lassen.

Das Bundesministerium für Gesundheit bemüht sich, dieser Entwicklung entgegenzutreten, und unterstützt beispielsweise eine Interventionsstudie namens „InveSt HPV“. Ziel dieser Studie ist es, Wege zur Steigerung der HPV-Impfquoten in Deutschland zu finden. Dabei werden verschiedene Ansätze erforscht, um Bedenken von unsicheren oder impfkritischen Eltern anzusprechen. Ein konkretes Beispiel hierfür ist die Analyse, inwieweit Schulungen zur Gesprächsführung für Ärzte dazu beitragen können, die HPV-Impfquoten zu erhöhen.

Während des 36. Deutschen Krebskongresses, der vom 21. bis 24. Februar 2024 in Berlin stattfindet, werden neben dieser Interventionsstudie auch alternative Ansätze wie Gesundheitsbildung in Schulen oder die Anwendung von sogenannten Nudging-Techniken zur Steigerung der HPV-Impfquoten diskutiert. Unter Nudging (Deutsch: „Schubs“) versteht man verschiedene Methoden zur Verhaltensbeeinflussung. Offene Fragen zu Sicherheit und Wirksamkeit der HPV-Impfstoffe scheinen offiziell hingegen nicht thematisiert zu werden.



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