Die große Keule: Wie Trump Europa wachrüttelt

Ob man Trump liebt oder hasst, ob man ihn mag oder nicht, eines ist unbestreitbar: Er ist vielleicht der einzige US-Präsident – und auf jeden Fall der einzige Präsidentschaftskandidat –, der die Europäer dazu gebracht hat, aufzuwachen und ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen. Ein Kommentar.
Titelbild
Soldaten der 82. Luftlandedivision überqueren am 14. Februar 2022 das Rollfeld des Fort Liberty Stützpunkts in Fayetteville, North Carolina, auf dem Weg nach Polen.Foto: Melissa Sue Gerrits/Getty Images
Von 22. Februar 2024

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Die Europäer hätten das Geld lieber für die kostenlose Gesundheitsfürsorge und Hochschulbildung ausgegeben. Nun aber denken sie über einen perfekten Mix aus moderaten Erhöhungen ihrer Verteidigungsausgaben nach, die unter dem liegen, was sie der NATO versprochen haben. Gleichzeitig schmeicheln sie dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, um die Vereinigten Staaten weiterhin im Bündnis zu halten, das Europa kostenlose Sicherheit bietet – sollte er dieses Jahr die Präsidentschaft gewinnen.

Es gibt einige Punkte zu den Verteidigungsausgaben der NATO-Mitglieder, die zu wenig Beachtung finden. Ja, es wird über die Mindestausgaben in Höhe von zwei Prozent des BIP gesprochen. Auch steht die grauenhafte Bilanz der europäischen Mitglieder und Kanadas über die Jahre hinweg im Vordergrund. Nur die Vereinigten Staaten und Polen ragen mit einem Anteil von über drei Prozent heraus.

Die meisten osteuropäischen Länder, die die Bestie hautnah vor sich haben, geben über zwei Prozent aus. Damit erreichen wir zumindest eine Verteidigungslinie an der Grenze zu Russland.

Es fehlt jedoch an strategischer Tiefe. Die europäischen Nachzügler sind zahlreich. Dazu gehören laut den von „Newsweek“ zitierten NATO-Daten vom Juli 2023 „Frankreich (1,9 Prozent), Montenegro (1,87 Prozent), Nordmazedonien (1,87 Prozent), Bulgarien (1,84 Prozent), Kroatien (1,79 Prozent), Albanien (1,76 Prozent), die Niederlande (1,7 Prozent), Norwegen (1,67 Prozent), Dänemark (1,65 Prozent), Deutschland (1,57 Prozent), die Tschechische Republik (1,5 Prozent), Portugal (1,48 Prozent), Italien (1,46 Prozent), Kanada (1,38 Prozent), Slowenien (1,35 Prozent), die Türkei (1,31 Prozent), Spanien (1,26 Prozent) und Belgien (1,26 Prozent)“.

Sollen die USA die Schulden erlassen?

Auch wenn all diese Drückeberger schließlich zwei Prozent in die Verteidigung investieren, sollte man die jahrelangen Versäumnisse vergessen? Sie haben uns schließlich das geopolitische Chaos gebracht, in dem wir uns heute befinden. Oder sollte ihr Rückstand in Zukunft mit Zinsen zurückgezahlt werden?

Trump hat gesagt, dass die Europäer Amerika etwas schulden. Doch wie viel schulden sie? Und wann werden sie es zurückzahlen? Sollen sie zum Beispiel für die gesamten Kosten des Wiederaufbaus der Ukraine aufkommen, der wohl auf ihre eigene Nachlässigkeit zurückzuführen ist?

Wir Amerikaner könnten das Geld gerade jetzt gebrauchen, da die Staatsverschuldung der USA ein unhaltbares exponentielles Wachstum erreicht hat. Zugleich scheinen sich Kriege nicht nur mit Russland, dem Iran und Jemen, sondern auch mit China, Nordkorea und Venezuela anzubahnen. Dieser ganze barbarische Haufen rasselt mit den Säbeln im Gleichtakt. Es ist keine Tanzparty, die sie im Sinn haben, sondern eher eine Dinnerparty. Ein riesiger Kessel kocht. Sie sehen alle hungrig aus und grinsen breit, und wir sind die Hauptattraktion.

Solange Europa, Japan und Südkorea ihre Verteidigung nicht auf Vordermann bringen, ist die Welt in puncto Sicherheit auf die Vereinigten Staaten angewiesen. Sie ist ein öffentliches Gut – wir Amerikaner stellen sie bereit, und wir bekommen wenig dafür, außer einem Haufen Gejammer von China und seinen Lakaien über Neokolonialismus und amerikanische Hegemonie. Nur zu meckern, dass wir es lieber sähen, wenn unsere Verbündeten ihre eigenen und bessere Verteidigungsmittel hätten, ist nicht die Haltung eines Hegemons oder Möchtegern-Hegemons.

Trump holt die Keule raus

Nun hat Trump noch eins draufgesetzt und der europäischen Großmacht gesagt, dass er sie nicht nur nicht verteidigen wird, wenn sie die zwei Prozent nicht zahlen, sondern dass er Wladimir Putin sogar ermutigen würde, mit ihnen zu machen, was er will. Und plötzlich wurden Paris, Berlin und Brüssel aufmerksam. Präsident Joe Biden sagte, der ehemalige Präsident sei unamerikanisch. Offenbar ist es jetzt unamerikanisch, auf unsere Staatsverschuldung zu achten und darauf, wohin das Geld unkontrolliert versickert, sodass unser Staatsschiff zu sinken droht.

Nichts, was Washington im Laufe der Jahrzehnte getan hat, um Europa dazu zu bewegen, seinen Anteil zu zahlen, hat funktioniert. Ich erinnere mich noch daran, wie sich die Europäer regelmäßig in ihren Badehosen auf den Stützpunkten in Afghanistan sonnten und Espresso tranken, während sich die amerikanischen Soldaten die NATO-Kluft anzogen, um außerhalb des gesicherten Bereichs Tag für Tag bombardiert zu werden. Dieses Ungleichgewicht zeigt sich jedes Jahr in den Defiziten der europäischen Verteidigungsausgaben.

Trump drohte sogar damit, die NATO zu verlassen, wenn die Europäer nicht ihren gerechten Anteil zahlen würden. Das hat nicht funktioniert. Nun geht er rhetorisch vielleicht etwas zu weit, aber es ist die Art von harter Liebe, mit der Eltern ihren Kindern drohen, dass der schwarze Mann sie holen wird, wenn sie sich ihre Zähne nicht putzen.

Europäer im Tiefschlaf

Den europäischen Kindern das anzudrohen, ist wohl viel besser, als dass sie Karies bekommen (auch wenn einige Kinderpsychologen da anderer Meinung sind). Der NATO zu sagen, dass wir Herrn Putin zu einem Angriff ermutigen werden, ist wohl viel besser, als wenn er tatsächlich angreift – mit all dem Tod und der Zerstörung, die das mit sich bringt –, weil die Europäer es versäumt haben, ihn abzuschrecken.

Und wahrlich hat Putin bereits angegriffen, weil Europa zu wenig für die Verteidigung ausgibt und die zuvor erworbenen Verteidigungskapazitäten nicht nutzt. Hätten sie im Jahr 2014 Bodentruppen auf der Krim installiert, hätten sie das Putin-Problem im Keim erstickt, und er hätte im Jahr 2022 wahrscheinlich nicht erneut angegriffen.

Die Realität ist, dass unsere europäischen Verbündeten jahrzehntelang geschlafen haben und Trump von Amerikas fast zu Tode besteuerten „deplorables“ (jämmerlichen Amerikanern) geschickt wurde, um sie aufzuwecken. Der Buhmann steht vor der Tür. Wir Amerikaner sind damit beschäftigt, China, Nordkorea, den Iran und Venezuela abzuschrecken. Putzen Sie sich wenigstens die Zähne, Brüssel. Kümmern Sie sich wenigstens um eine globale Bedrohung, während wir uns um den Rest kümmern. Wachen Sie auf, bevor Sie tot sind. Trinken Sie Espresso, aber ziehen Sie sich um Himmels willen auch etwas an.

Über den Autor:

Dr. Anders Corr hat ein Bachelor- und Masterstudium für Politikwissenschaft an der Yale University (2001) absolviert und erlangte einen Doktortitel für Verwaltungswissenschaft an der Harvard University (2008). Er ist Direktor bei Corr Analytics Inc. und Herausgeber des „Journal of Political Risk“. Corr hat umfangreiche Forschungsarbeiten in Nordamerika, Europa und Asien durchgeführt. Seine neuesten Bücher sind „The Concentration of Power: Institutionalization, Hierarchy, and Hegemony“ (2021) und „Great Powers, Grand Strategies: the New Game in the South China Sea“ (2018).

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel Trump Jolts Europe Awake“. (deutsche Bearbeitung nh)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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