„Nachbarn kann man sich nicht aussuchen“: Moskau distanziert sich von Peking

Einige China-Experten sind der Ansicht, dass die Beziehungen zwischen China und Russland auf gegenseitiger Ausnutzung basieren. Sobald sich die passende Gelegenheit ergebe, würden sich Moskau und Peking trennen und dem Westen zuwenden. Epoch Times spricht mit dem China-Analysten Chen Pokong.
Titelbild
Wladimir Putin (Russland, l.) und Xi Jinping (China) bei einem Treffen in Peking am 18. Oktober 2023.Foto: Sergei Guneyev/Pool/ AFP über Getty Images
Von 18. Februar 2024

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Rund 60 Fragen hat Tucker Carlson an Wladimir Putin in dem Interview am 6. Februar in Moskau gestellt. In den Medien bisher eher wenig beachtet, befindet sich auch das Thema China darunter. Bei einigen China-Analysten haben Putins Aussagen jedoch Aufmerksamkeit erregt.

In dem Interview sprach Carlson davon, dass viele Amerikaner nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion eine Rückkehr zu normalen amerikanisch-russischen Beziehungen erwartet hatten.

Jedoch sei das Gegenteil der Fall: Der Westen sei besorgt über ein erstarktes Russland. Jedoch scheine der Westen nicht dieselbe Sorge in Bezug auf ein starkes kommunistisches Regime in China zu haben. Wie reagierte Putin darauf?

Was erwartet Russland vom Westen?

Der russische Staatschef entgegnete (im Video hier und hier; deutsch), dass Russland und China Nachbarn seien. Putin erklärte: „Nachbarn kann man sich nicht aussuchen, genauso wenig wie man sich enge Verwandte aussuchen kann.“

Putin wies auch darauf hin, dass zwischen Russland und China ein zehnfacher Bevölkerungsunterschied bestehe und dass China Russland in Bezug auf die Wirtschaftskraft weit voraus sei. Das Potenzial Chinas sei riesig. Der russische Präsident schlussfolgerte:

Der Westen hat mehr Angst vor einem starken China als vor einem starken Russland.“

Nach 1991 habe Russland die Integration mit den „zivilisierten Nationen“ angestrebt und um den Beitritt zur NATO gebeten. Das sei jedoch abgelehnt worden. Mittlerweile habe Russland eine Marktwirtschaft und die kommunistische Partei wurde entmachtet.

Putin sagte, nach dem Ende der Sowjetunion gebe es keine ausgeprägten ideologischen Unterschiede mehr zum Westen. Russland hatte sogar freiwillig und aktiv die Auflösung der Sowjetunion initiiert. Der Westen sollte dies als Angebot zur Zusammenarbeit verstehen. Das sei das, was „Russland von den Vereinigten Staaten und dem gesamten sogenannten kollektiven Westen erwartete“.

Peking will Sanktionen vermeiden

Nach Ansicht des in den USA ansässigen China-Analysten Chen Pokong offenbaren Putins Äußerungen die Grundlage der Beziehungen zwischen China und Russland.

In den vergangenen Jahren hätten sich die Beziehungen beider Staaten vertieft, da sie versuchten, eine neue Weltordnung aufzubauen, die sich am gemeinsamen Gegner USA orientiere.

Allerdings nutzten sich China und Russland in Wirklichkeit gegenseitig aus, so der Analyst. Beide Seiten würden einander im Stich lassen und sich dem Westen zuwenden, wann immer sich hinter den Kulissen eine Gelegenheit ergebe.

Putin sei sich klar darüber, dass sein Einmarsch in die Ukraine vom chinesischen Staatschef Xi Jinping ermutigt und unterstützt worden sei. Xi habe jedoch erkannt, dass der russisch-ukrainische Krieg sich in die Länge ziehe und keine Aussicht auf Erfolg habe. Und Xi wisse auch, dass wenn China die USA verärgere, das gleichbedeutend sei mit einer Verärgerung des gesamten Westens. Sobald die USA China mit Sanktionen belegen würde, würden entsprechende Reaktionen anderer Länder folgen.

„Putin hat das auch erkannt. Er nutzte deshalb die Gelegenheit, seine Gedanken während des Interviews mit Carlson zu äußern“, so Chen Pokong. „Oberflächlich betrachtet sieht sein Verhältnis zu Xi Jinping gut aus, aber er will nur höflich sein und öffentlich nicht hart mit Xi Jinping ins Gericht gehen.“

Putin reicht dem Westen einen Ölzweig

Chen Pokong sieht es so: Ursprünglich stünden Russland und die KP Chinas in einer Beziehung, in der sie sich gegenseitig ausnutzten. Doch „anstelle von ‚Veränderungen, wie wir sie seit Hundert Jahren nicht gesehen haben‘, seien sowohl Russland als auch China zu dem Schluss gekommen, dass es unmöglich ist, die internationale Weltordnung, die seit dem Ende des Kalten Kriegs von den Vereinigten Staaten dominiert wird, zu ändern. Sie sehen ein, dass es einfach nicht möglich ist, daran zu rütteln.“

Putin hätte daher die Gelegenheit des Interviews genutzt, den USA einen Ölzweig zu reichen – in der Hoffnung, die Beziehungen zu den USA und dem Westen zu entspannen.

Gleichzeitig wisse der russische Präsident, dass in den Vereinigten Staaten 2024 Wahlen anstehen und die Möglichkeit besteht, dass Trump wieder an die Macht kommen könnte. „Also schickte er über Carlson eine Botschaft an Trump und die Vereinigten Staaten.“

Einen Ölzweig zu reichen, ist ein traditionelles Symbol des Friedens und der Versöhnung. Die antike Geste wird in der Bibel auch als Zeichen des Friedens nach der Sintflut erwähnt.

Mit Russland gegen China verbünden?

Seit Beginn der Vorwahlen der Republikaner für die Präsidentschaftswahlen 2024 in den USA ist Donald Trump der klare Favorit. Wenn sich der Trend fortsetzt, wird seine Rückkehr ins Weiße Haus als wahrscheinlich angesehen.

Einige Beobachter erwarten, dass im Fall eines Wahlsieges Trump den Russland-Ukraine-Krieg beenden und ein Bündnis mit Russland gegen die KPC forcieren wird.

In seiner ersten Amtszeit beabsichtigte er, die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und Russland zu verbessern, so Chen Pokong. Ursprünglich sei bereits geplant gewesen, eine „Strategie der Allianz mit Russland gegen die KPC“ zu fördern. Dieser Plan verzögerte sich jedoch aufgrund der sogenannten „Russia-Gate“-Untersuchungen [1]. Dann kamen der Regierungswechsel, der Einmarsch Russlands in die Ukraine und andere wichtige Ereignisse.

„In der gegenwärtigen Lage wird Putins Interesse daran also sehr hoch sein“, erwartet der Analyst.

Vor dem chinesischen Neujahrsfest telefonierten Xi und Putin miteinander. Chen Pokong sagte, es sei ungewöhnlich, dass keine Seite eine Neuordnung der Weltordnung erwähnten. Mit diesem Thema war der chinesische Staatschef hausieren gegangen.

„Jetzt hat es den Anschein, dass die KP Chinas und Russland ihre eigenen Pläne verfolgen und sich beide an die USA und den Westen wenden werden, um sich gegenseitig aus dem Weg zu räumen oder sich gegenseitig als Sprungbrett oder Schutzschild zu benutzen.“

Unter diesen Umständen löst sich das chinesisch-russische Bündnis bereits auf, der wichtigste Eckpfeiler des Bündnisses lockert sich.“

China und Russland befänden sich noch im Frieden miteinander, doch jeder denke an seine eigenen Interessen. „Sobald sich eine Gelegenheit ergibt, werden sie auseinandergehen. Vor diesem Hintergrund sollte Putins Aussage gesehen werden“, so der China-Experte.

Oberflächlich kooperativ

Was die Richtung der chinesisch-russischen Beziehungen betrifft, so glaubt Chen Pokong, dass China und Russland oberflächlich betrachtet weiterhin eine kooperative Beziehung pflegen werden.

„Beide Seiten müssten weiterhin eng verbündet sein, um dem Westen gemeinsam entgegentreten zu können. Doch sobald eine der beiden Seiten ihre Beziehungen zum Westen verbessert, wird die andere nervös.“

Infolgedessen dürften die chinesisch-russischen Beziehungen immer lockerer werden, und dieses Bündnis steht auf sehr wackeligen Beinen.“

Chen Pokong sagte: „Natürlich werden diese Veränderungen nicht über Nacht geschehen, sei es die Verbesserung und Entspannung der Beziehungen zum Westen oder die Verschlechterung der chinesisch-russischen Beziehungen. Bis zum Zerfall wird es eine Zeit offener und verdeckter Kämpfe geben. Aber der Gesamttrend wird sich nicht ändern. China und Russland werden kooperieren, solange es ihren eigenen Vorteilen dient. Dann trennen sie sich. Nachdem jeder seine eigenen Interessen nüchtern kalkuliert hat, werden sie sich schließlich trennen.“

[1] Als Trump im Amt war, leitete der ehemalige Direktor des FBI, Robert Mueller, als Sonderermittler die fast zweijährige „Russia-Gate“-Untersuchung. „Russia-Gate“ bezieht sich auf die Vorwürfe, dass Trumps Wahlkampfteam mit Russland geheime Absprachen hielt, um die US-Präsidentschaftswahlen 2016 zu beeinflussen. Der im April 2019 erschienene Bericht schlussfolgerte, dass es keine Belege für die Anschuldigungen gebe.

Ning Xin hat zu dem Artikel beigetragen. Er erschien zuerst in der chinesischsprachigen Epoch Times unter dem Titel „普京暗示中共是最大威胁 曝中俄实质关系“. (deutsche Bearbeitung ks)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion