Er warnte vor Gedankenpolizei: 70. Todestag von George Orwell

Viele wissen nicht, dass sich George Orwell in seinen Werken massiv von der Entwicklung in der Sowjetunion unter Stalin inspirieren ließ. Journalist Boris Reitschuster mit einem Abriss über den kritischen Denker.
Titelbild
George Orwell.Foto: George Orwell, c. 1940/Wikimedia
Von 21. Januar 2020

„Je weiter sich eine Gesellschaft von der Wahrheit entfernt, desto mehr wird sie jene hassen, die sie aussprechen.“ Das ist eines der bekanntesten „Orwell“-Zitate – und ist in Wirklichkeit offenbar gar keines, denn es gibt keine Belege dafür, dass es der große Schriftsteller, der heute vor siebzig Jahren im Alter von nur 47 Jahren starb, jemals gesagt und geschrieben hat.

Es passt nur so gut zu Orwells Wirken und Denken, dass es breit akzeptiert wird. Dass dem 1903 in Indien geborenen Briten viele Zitate zugeschrieben werden, die nicht nachweisbar sind, zeigt, wie sehr sein Denken den Geist vieler Menschen traf und bis heute trifft. Der viel zu früh verstorbene Orwell war einer der klügsten Köpfe des vergangenen Jahrhunderts. Ob er wohl ahnte, wie Recht er mit seinen Vorhersagen hatte?

Viele wissen nicht, dass sich George Orwell in seinen Werken massiv von der Entwicklung in der Sowjetunion unter Stalin inspirieren ließ. „Die Farm der Tiere“ ist eine bittere Abrechnung mit dem Moskauer Diktator und dem, was aus der russischen Revolution geworden ist. „Alle Tiere sind gleich, nur manche sind gleicher“ ist eine Textstelle aus dem Roman, die legendär wurde.

Orwell war ein Linker, dem es mit viel Klugheit und Realitätssinn gelang, woran so viele scheitern: Auszubrechen aus dem Gedanken-Gefängnis eines fest gefügten Weltbildes. Die eigenen Überzeugungen kritisch zu hinterfragen, Widersprüche anzunehmen, statt zu verdrängen, und dann zu entlarven, in welches Elend linke Ideen führen können, ja müssen – obwohl sie ja eigentlich aus ihrer Sicht nur das Gute wollen (wie alle großen Ideen, die die Menschheit ins Elende führten, auch der Nationalsozialismus). Für mich ist Orwell einer der großen Anti-Ideologen, der enthüllte, wohin ideologisches Denken führt – was viele bis heute nicht einmal ansatzweise verstehen, gerade in Deutschland.

Interessant ist auch, wie hierzulande an Orwell erinnert wird: Der öffentlich-rechtliche Deutschlandfunk schafft es etwa, in einem Beitrag zu seinem 70. Todestag heute überhaupt nicht auf seine Aktualität heutzutage einzugehen – und, im Gegenteil, eher davon abzulenken.

Orwells Warnung vor der totalen Überwachung in seinem Buch „1984“ ist bislang zumindest in der geschilderten Form tatsächlich nicht wahr geworden – auch wenn google, facebook und Co. heute schon Einblicke in unser Leben haben, die an den „großen Bruder“ aus seinem Werk erinnern, und somit zumindest für ein technisches Fundament für einen totalen Überwachungsstaat viele Steine gelegt sind.

Mehr als Orwells Vision hat sich hier die seines Schriftsteller-Kollegens Huxleys bewahrheitet – der in seinem Roman „Schöne neue Welt“ vorhersagte, dass man anders als von Orwell befürchtet Bücher gar nicht mehr verbieten müsse, wenn man die Leute so weit bringe, dass sie sie gar nicht mehr lesen (wollen), und sich stattdessen lieber zerstreuen und amüsieren – genau die Entwicklung, die gerade unsere Politik gegangen sind, wo sorgsam inszenierte Talkshows heute den Diskurs bestimmen – statt parlamentarischer Debatten.

Sehr realitätsnah ist aber Orwells Vorhersage des „Neusprechs“ (wobei das wohl eher eine Beschreibung der sowjetischen Verhältnisse war denn eine Prognose) – in dem über die Sprache Gedanken gesteuert werden und Dinge nicht mehr beim Namen genannt werden, sondern mit dem Gegenteil bezeichnet: „Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke.“

Dieses „Neusprech“ ist heute zumindest in Ansätzen allgegenwärtig. Bezeichnungen wie „Asylant“ werden umgehend durch neue, positive besetzte Begriffe ersetzt wie „Schutzsuchende“. Orwell hatte sehr klug erkannt, wie über Worte das Denken manipuliert werden kann.

Auch mit der Vorhersage einer „Gedankenpolizei“ lag Orwell leider nicht so falsch, wie man es sich wünschen würde. Eine staatliche Einrichtung dieser Art gibt es zwar erfreulicherweise nicht – aber jede Menge freiwilliger Gedanken-Polizisten, vor allem in den sozialen Netzwerken, die dort im Handumdrehen Menschen diffamieren, wenn sie falsche Gedanken ausdrücken. Oder die selbst ernannte Jury des „Unworts des Jahres“, die jedes Jahr politisch unerwünschte Worte zu stigmatisieren versucht.

George Orwell wird heute regelmäßig zitiert – teilweise auch mit Aussagen, die ihm nur untergeschoben wurden wie das Eingangszitat. Einige der wichtigsten und aktuellsten seien hier zum Schluss aufgeführt (ohne Garantie der Authentizität):

„Und wenn alle anderen die von der Partei verbreitete Lüge glaubten – wenn alle Aufzeichnungen gleich lauteten -, dann ging die Lüge in die Geschichte ein und wurde Wahrheit.“

In Zeiten der universellen Täuschung wird das Aussprechen der Wahrheit zur revolutionären Tat.

Eine Ideologie annehmen heißt immer ihr Erbe an ungelösten Widersprüchen übernehmen.

Mit fünfzig hat jeder das Gesicht, das er verdient.

Man hat gewöhnlich nicht zwischen Gut und Böse, sondern zwischen zwei Übeln zu wählen.

Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken.

Wer die Vergangenheit beherrscht, beherrscht die Zukunft. Wer die Gegenwart beherrscht, beherrscht die Vergangenheit.

Freiheit ist die Freiheit zu sagen, dass zwei und zwei gleich vier ist.

Falls Freiheit überhaupt irgend etwas bedeutet, dann bedeutet sie das Recht darauf, den Leuten zu sagen, was sie nicht hören wollen.

Zuerst erschienen auf dem Blog von Boris Reitschuster.

Über den Autor: Boris Reitschuster,  Journalist und Sachbuchautor, gilt als Osteuropa-Experte und wurde bekannt durch seine Bücher über das zeitgenössische Russland. Er war von 1999 bis zum August 2015 Leiter des Moskauer Büros von Focus. 

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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