„Angriffe“ auf Wissenschaftler: Hinter der Statistik steckt noch eine andere Wahrheit

Laut einer Studie haben 45 Prozent der befragten Wissenschaftler Anfeindungen erhalten. In dem darauffolgenden medialen Getümmel lautet der Tenor „fast jeder zweite Wissenschaftler sieht sich Angriffen ausgesetzt“. Bei näherer Betrachtung der Ergebnisse schmelzen diese Behauptungen in sich zusammen. Ist jede Kassiererin schlimmer dran? Eine Analyse.
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Fast jeder zweite Wissenschaftler fühlt sich Anfeindungen ausgesetzt. Symbolbild.Foto: HANNIBAL HANSCHKE/AFP via Getty Images
Von 24. Mai 2024

Es gibt kaum Erhebungen darüber, wie es einer Kassiererin geht, wie viele Anfeindungen, Übergriffe oder Angriffe sie überstehen muss, während sie im Bereich des Mindestlohns tätig ist, die Produkte immer teurer und die Kunden immer gereizter werden.

Der Londoner Psychologe David Lewis will schon vor Jahren herausgefunden haben, dass Einkaufen für Männer gesundheitsschädlich ist. Der Druck sei gar mit dem von Piloten in Kampfjets zu vergleichen. Wie es dann erst einer Verkäuferin gehen muss, wartet weiter auf eine Erhebung. Stattdessen schaut jetzt eine aktuelle deutsche Studie auf die Befindlichkeiten von gut besoldeten Akademikern und untersuchte, wie es bei Wissenschaftlern mit Anfeindungen, Übergriffen oder Angriffen aussieht.

In der offiziellen Pressemeldung zur Studie des Deutschen Zentrums für Hochschul- und Wissenschaftsforschung GmbH (DZHW) heißt es, dass „Anfeindungen gegen Forschende“ ein ernstes Problem seien. Auffällig dabei sind die verwendeten und teils schwammig gleichgesetzten Begrifflichkeiten. Teils wird von Angriffen, Anfeindungen oder abwertendem Verhalten gesprochen:

Dabei kommen die Angriffe nicht immer von außen. Auch innerhalb der Wissenschaft selbst gibt es Anfeindungen und abwertendes Verhalten.“

Was genau steckt also hinter der Studie und den implizierten 45 Prozent angegriffener Wissenschaftler?

Die Finanzierung

Das DZHW mit Sitz in Hannover ist eine von Bund und Ländern geförderte Einrichtung. Sie erbringt wissenschaftliche Analysen und forschungsbasierte Dienstleistungen im Bereich des Hochschulwesens. In mehreren ausführlichen Gesprächen mit dem Projektleiter der Studie erfährt Epoch Times, dass die besagte Studie zu Übergriffen auf Akademikern von der VolkswagenStiftung mit 40.000 Euro finanziert wurde.

Dabei sei das Budget sogar sehr knapp bemessen, findet der Ansprechpartner des DZHW. Entsprechend basisch sei auch die Aufbereitung der Studie geraten. Man sei im Übrigen zum größten Teil Drittmittel-finanziert samt dazugehöriger Abhängigkeit, wenig komme aus dem Grundhaushalt. Die VolkswagenStiftung lasse aber eine große Unabhängigkeit zu. Dies sei bei anderen Arbeiten leider nicht immer der Fall.

In einer vorhergehenden Forschungsarbeit arbeitete der Studienleiter mit der DZHW-Kollegin Eva Maria Vögtle zusammen. In ihrer Vita erfährt man allerdings nichts darüber, dass Frau Dr. Vögtle auch Ratsfrau im Stadtverband Hannover ist und dort Sprecherin für Schul- und Bildungspolitik der Grünen.

Bezüglich der Finanzierung vorliegender Studie fällt auf, dass die VW-Aufsichtsrätin Julia Willie Hamburg, die als Auto-Gegnerin gilt, ebenfalls Grünen-Politikerin und stellvertretende Ministerpräsidentin von Niedersachsen ist.

Ob es sich hierbei um einen unerheblichen Zufall, reine Privatsache oder tatsächlichen Zusammenhang bezüglich der Finanzierung handelt, kann an dieser Stelle nicht verifiziert werden. Fakt ist jedoch, dass sowohl bei Finanzier als auch bei Forschungseinrichtung führende Politiker der gleichen Partei innewohnen. Aus der medialen Berichterstattung erfährt man allerdings nichts über die Finanzierung durch Volkswagen, sondern erst dann, wenn man selbst in die – gekürzte – Veröffentlichung schaut.

Wo ist die komplette Studie?

Auf Anfrage von Epoch Times wird zunächst zugesichert, die komplette Studie nebst Fragenkatalog zu übersenden. Erst dadurch ist eine substanziierte Auswertung dieser möglich. Zugesendet wird dann jedoch nur ein 15-seitiges „Kurzdossier für die Berichterstattung“ – im Word-Format (hier als PDF umgewandelt). Zum Vergleich: Beispielsweise die „Mitte-Studie“, finanziert von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung, umfasst 424 Seiten.

Auch auf wiederholte Nachfrage bleibt die Übersendung der vollständigen Studie nebst Fragenkatalog aus. Insofern muss davon ausgegangen werden, dass allen Journalisten nur das Kurzdossier bereitgestellt wurde – damit fehlt jedoch ein einwandfrei nachvollziehbares Endprodukt.

Ein Dreiklang zum Thema „Hass und Gewalt gegen Gruppen“

Aus dem politischen Blickwinkel betrachtet, wäre diese Veröffentlichung geeignet, einen Dreiklang zum Thema „Hass und Gewalt gegen Gruppen“ zu vollenden:

Die „Grüne politische Stiftung“ (Heinrich Böll Stiftung) befand schon 2019, dass die Verwendung des Begriffs „Lügenpresse“ als „rechte Gewalt gegen Journalisten“ gelte. Zweitens werden kürzliche Angriffe auf Politiker vermehrt in einen rechten bis rechtsradikalen Zusammenhang gestellt – obwohl Politiker der rechten Partei AfD nach den Grünen die „häufigsten Attacken“ in 2023 erfahren.

Und drittens Forschende, welche von der Corona-Pandemie „aus dem Labor mitten ins politische Geschehen katapultiert“ wurden, wie es der MDR Ende 2021 beschrieb. In dem DZHW-Kurzdossier werden dazu auch offene Antworten zitiert. Diese beziehen sich allesamt – jedenfalls im Kurzdossier für die Presse – auf die Themen „Gender und Gleichberechtigung“, „Impfkritik“, „Migration“ und allgemein „AfD und Querdenker-Szene“.

Von Kritik bis Angriff

Einer der Studien-Teilnehmer gab an, er „wurde gefragt, wieso meine Forschung sich nicht mit dem Erschleichen von Asyl beschäftigt, da sich die minderjährigen Geflüchteten ausschließlich jünger darstellen würden, damit sie länger bleiben könnten. Andere Einstellungen und Expertisen zu dem Thema wurden als unwichtig und ablenkend bezeichnet.“

Nun mag es verschiedene Meinungen zu dem Thema Migration geben. Durch dieses Beispiel wird jedoch klar, dass der hier zitierte Forscher Kritik an seiner Arbeit erfuhr und damit zu den 45 Prozent der angefeindeten Forscher gezählt wird.

Allerdings werden auch solche Äußerungen, die über bloße Kritik und Unverständnis hinausgehen, ebenfalls aufgelistet:

Abwertung meiner Person, Beschimpfungen und Drohungen (aus der Querdenker-Szene und AfD-Szene) zu faktenbasierenden Aussagen. Weil ich nicht das sagte, was sie hören wollten und ihnen widersprach. Beispiel: ‚Warte ab bis wir an der Macht sind, dann wirst du sehen was wir mit so Menschen wie dir machen!'“

Strafbar, ungehörig, Meinungsäußerung

Letzteres Zitat zeigt einen Forscher, der offenbar eine strafbare Drohung erlitten hat. Was also ergab die Auswertung der Forschungsarbeit hinsichtlich der Quantität von Anzeigen bei der Polizei oder Meldungen bei Social-Media-Unternehmen? Wie viele der angegebenen Anfeindungen sind tatsächlich als strafbar erkannt und entsprechend angezeigt worden?

Insgesamt wertete die Studie Antworten von 2.621 Befragten aus. Davon gaben 45 Prozent an, Erfahrung mit „Anfeindungen“ gemacht zu haben. „Gleichwohl ist wichtig zu betonen, dass diese Zahl auch bedeutet, dass 55 Prozent gar keine Erfahrung mit irgendeiner form von Feindlichkeit in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit machen“, heißt es auf Seite 15 in der Zusammenfassung des Presse-Kurzdossiers.

Diese 45 Prozent hat sich die Studie genauer angesehen. Dabei wurde ermittelt, dass bei diesen 45 Prozent lediglich wenige strafrechtlich relevante Taten bestanden. Hiervon gaben jeweils gut zwei Prozent an, Opfer von strafrechtlich relevanten Taten oder Vandalismus geworden zu sein. Das entspricht jeweils 58 Antworten von den insgesamt 2.621 Befragten.

Drei Kategorien von „Anfeindungen“

Was also sind die anderen „Anfeindungen“? Als bloße, aber wohl durchaus ungehörige Meinungsäußerungen kann man vermutlich folgende Antworten zusammenfassen:

  • 908 Mal „Herablassende Äußerungen/ Anzweifeln der Kompetenz als Wissenschaftler*in durch herabwürdigende und bewusst verletzende Kritik“
  • 725 Mal „Unangemessene Reaktionen auf wissenschaftliche Erkenntnisse in öffentlichen Diskussionen (beispielsweise Trolling)“

Diese 1.633 von 2.882 Antworten zeigen, dass sich über die Hälfte der empfundenen „Anfeindungen“ auf eine entgegengesetzte Meinungsäußerung beziehen. Darüber hinaus wurden auch Angaben im Spektrum zwischen Meinungsäußerung und Strafbarkeit abgefragt:

  • 307 Mal „Aktive persönliche Diskriminierung von Forschenden“
  • 254 Mal „Versuche, öffentliche Beiträge von Forschenden zu verhindern“
  • 191 Mal „Hate Speech“
  • 165 Mal „Verbale Drohungen“

Aus obigen leiten wir drei Kategorien ab:

  1. Straftaten und Vandalismus: 116
  2. Meinungsäußerung : 1.633
  3. Zwischen Straftat und Meinungsäußerung: 917

Insgesamt kommt man demnach auf 2.666 Angaben, zudem gab es noch 225 „sonstige, offene Antworten“, die von 2.621 Befragten angegeben wurden. Die Differenz begründet sich darin, dass eine Mehrfachnennung möglich war. „In der Summe ergeben sich dadurch mehr Nennungen als Fälle im Analysesample“, so schreibt das DZHW.

Wissenschaftliche Anfeindungen

Insbesondere da eine Mehrfachnennung möglich war, kann lediglich auf Grundlage des Presse-Kurzdossiers die Aussage getroffen werden, dass „etwa“ – 45 Prozent, also ca. 1.180 Personen Anfeindungen erlebt haben (45 Prozent der 2.621 Befragten). Ob davon tatsächlich 58 Straftaten und zusätzlich 58 Fälle von Vandalismus vorlagen oder ob es sich hierbei um die gleichen Fälle und somit um 58 Antworten (zwei Prozent) der Stichprobe handelt, bleibt im Verborgenen.

Festzuhalten bleibt jedoch, dass auch 1.633 Meinungsäußerungen als „Anfeindung“ in die Bewertung eingeflossen sind. Hiergegen kann man argumentieren, dass zu einem ordentlich wissenschaftlichen Diskurs immer auch andere Meinung gehört.

Geht man also davon aus, dass diese Antworten nicht als Anfeindung, sondern als normaler Dissens zu verstehen sind, fallen mehr als die Hälfte der „Anfeindungs-Angaben“ der behaupteten 45 Prozent weg. Somit besteht ein großer Spielraum für Interpretationen, je nach Definition: Ist ein Konflikt zu einer wissenschaftlichen Frage sogleich eine Anfeindung? Dann ergab die Studie, dass 45 Prozent angefeindet werden.

Doch das wirft eine wichtige Frage auf: Dürfen Wissenschaftler grundsätzlich nicht mehr angezweifelt werden oder auf ihre Arbeit „unangemessen reagiert“ werden? Falls doch – und das ist die gute wissenschaftliche Praxis – sind die 45 Prozent der Studie nicht haltbar.

Regierungskritiker und farbige Kassierer

Da es sich bei der DZHW-Forschung um eine repräsentative Studie handelt, müssten sich auch regierungskritische Wissenschaftler unter den Befragten befinden. Doch hierüber wurde keine Angabe im Presse-Kurzdossier gemacht. Jedenfalls lassen die zitierten offenen Antworten nicht erkennen, dass dies geschehen ist. Aktuell zu diesem Thema schreibt Prof. Homburg via X : „100% der regierungskritischen Wissenschaftler werden festgenommen, entlassen, diffamiert oder suspendiert.“

Bezüglich der persönlichen Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe, Herkunft und sexuellen Orientierung: Hier gaben etwas mehr als 10 Prozent an, Betroffene zu sein. Aber hat das etwas mit dem Beruf als Wissenschaftler zu tun? Oder ist es ein gesamtgesellschaftliches Problem? Für diese Studie relevant kann es nur sein, wenn etwa ein farbiger Wissenschaftler Anfeindungen anders erleben würde als eine farbige Kassiererin.

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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