Wie tief steckt Volkswagen in Chinas Zwangsarbeitsskandal?

Volkswagen steht unter Druck. Das Unternehmen wurde offenbar dabei erwischt, wie es von Zwangsarbeit in China profitierte. Was bedeutet das für den Autobauer? Ein Kommentar.
Die Einfahrt zum Werk von Volkswagen im westchinesischen Ürümqi (Xinjiang).
Die Einfahrt zum Werk von Volkswagen im westchinesischen Ürümqi (Xinjiang).Foto: picture alliance / dpa
Von 28. Februar 2024

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Am 14. Februar berichtete die Nachrichtenagentur „Reuters“, dass ein deutscher Menschenrechtsforscher belastende Beweise gefunden hat, die darauf hindeuten, dass Volkswagen möglicherweise von Zwangsarbeit profitiert hat. Involviert soll auch ein staatliches chinesisches Bauunternehmen gewesen sein, das angeblich Uiguren in militärischen Uniformen mit roten Blumen als eine Art Markierung eingesetzt hat.

Uiguren haben angeblich eine Teststrecke für ein VW-Joint-Venture (Gemeinschaftsunternehmen) in der chinesischen Region Xinjiang gebaut. Die Strecke befand sich in einer Wüste, um Autos bei „extrem heißem Wetter“ zu testen, wie die „New York Times“ berichtet. Xinjiang ist der Ort, an dem Peking einen Völkermord an den Uiguren verübt. Dies berichten mehrere Regierungsbehörden auf der ganzen Welt, darunter auch das US-Außenministerium.

Potenzielles „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“

Infolge der neuen Vorwürfe hat die deutsche Investmentbank Deka Volkswagen den Status als nachhaltige Investition entzogen. Am selben Tag meldete die „Financial Times“, dass Tausende Autos der VW-Marken Porsche, Audi und Bentley von den US-Behörden beschlagnahmt wurden. Sie enthielten ein Bauteil, das in Zwangsarbeit hergestellt worden sein könnte.

Die Kommunistische Partei Chinas (KPC) verteidigt ihre sogenannten „Arbeitsprogramme“ in Xinjiang als Armutsbekämpfung. Im Jahr 2022 bezeichnete das UN-Menschenrechtsbüro Pekings Missbrauch der Uiguren jedoch als potenzielles „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.

Uigurische Gruppen haben den Vorwurf erhoben, dass das Joint Venture von Volkswagen von der Aluminiumherstellung in Xinjiang, welches Sklavenarbeit einsetzt, profitieren könnte. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch berichtete am 1. Februar, dass VW auf solche Vorwürfe mit der Aussage reagierte, es wisse nicht, woher das Aluminium des Joint Ventures stamme.

Ein VW-Sprecher versuchte den Vorwurf herunterzuspielen, dass das Unternehmen mit einem Land zu tun habe, von dem seit Jahren bekannt ist, dass es Völkermord und Zwangsarbeit betreibt. „[Es ist nur] ein kleines Bauteil“, sagte er, laut dem „Wall Street Journal“ vom 15. Februar. „Wir bemühen uns wirklich. Aber das zeigt, wie schwierig es ist, wirklich alles zu wissen, was in komplexen Lieferketten passiert.“

Wirklich? Die eigene Lieferkette zu kennen ist auch deshalb eine Herausforderung, weil viele Unternehmen es nicht wirklich wissen wollen.

Möglicher VW-Abzug aus Xinjiang

Sollte VW zum Beispiel herausfinden, dass ein besonders billiges Bauteil in Sklavenarbeit hergestellt wurde, muss es das zugeben. Das könnte zu kostspieligen Fahrzeugbeschlagnahmungen, Rückrufaktionen und Nachrüstungen führen. Volkswagen könnte gezwungen sein, chinesische Zulieferer und Joint-Venture-Partner, die als Tarnfirmen, Schutzschilde, Zwischenhändler oder Sündenböcke für den Autokonzern fungieren, politisch zu kündigen.

Es müssten teurere Zulieferer gefunden werden. Mit der Zeit könnten diese Kosten und Risiken dazu führen, dass die Volkswagen-Produktion ganz aus China abgezogen wird, was die KPC verärgern würde. Das würde den ohnehin schon schwächelnden VW-Absatz in China weiter schädigen oder die dortigen VW-Händler dazu zwingen, ihr Geschäft ganz aufzugeben.

Wenige Tage nach der jüngsten Hiobsbotschaft hat der Autobauer offenbar damit begonnen, den Abzug seiner Joint-Venture-Produktionsstätten aus Xinjiang zu erwägen. Auch BASF, das weltweit größte Chemieunternehmen, will sich Berichten zufolge von Xinjiang abkoppeln.

Beweise für Zwangsarbeit

Aber Xinjiang ist nicht der einzige Ort, an dem uigurische Sklaven eingesetzt werden. Die KPC hat sie Berichten zufolge in andere Provinzen auf dem chinesischen Festland verfrachtet. Offenbar versuchte die Partei, sie zu verstecken. Zuvor war der deutsche Anthropologe Adrian Zenz durch Nachforschungen auf abgeriegelte Fabriken in Xinjiang aufmerksam geworden war. Zenz arbeitet derzeit für eine Washingtoner Denkfabrik.

Von Zenz stammen die jüngsten Beweise für Zwangsarbeit durch das VW-Joint-Venture. Er sagte gegenüber „Reuters“, dass die bisherige Reaktion von VW angesichts der Tatsache, dass Sklavenarbeit in Xinjiang ein alter Hut ist, unzureichend gewesen sei.

Und VW und BASF haben offenbar nicht vor, China vollständig zu verlassen. Die BASF plant sogar, bis 2030 fast elf Milliarden US-Dollar (10,14 Milliarden Euro) in China zu investieren. Im Jahr 2023 war VW mit rund 35 Prozent seines Umsatzes von China abhängig. Dennoch ermutigt die Bundesregierung deutsche Unternehmen, zumindest einen Teil ihrer Abhängigkeit von China zu verringern.

Chinas Außenministerium ist empört über die nun ein wenig kühlere Schulter, die es von Deutschland bekommt. Ein Sprecher des Ministeriums reagierte laut der „New York Times“ am 18. Februar schriftlich auf die Vorstöße von VW und BASF. Dieser nannte die Anschuldigungen „eine Jahrhundertlüge, die von antichinesischen Kräften ausgeheckt wurde, um China zu diskreditieren“ und die Wirtschaft des Landes von der Welt abzukoppeln.

Moralischer Imperativ gegen Sklavenarbeit

Es ist generell eine gute Idee, sich von einem Land loszusagen, das Sklavenarbeit betreibt – egal um welches Land es sich handelt. Dennoch sollte die Abkopplung nicht dazu führen, dass die USA und ihre Verbündeten noch mehr in das chinesische Regime investieren, indem sie eine „in China für China“-Strategie (in China für den chinesischen Markt produzieren) verfolgen, wie es laut „Wall Street Journal“ einige große deutsche Unternehmen tun.

Es werden neue Gesetze erforderlich sein, um sicherzustellen, dass die Entkopplung zu mehr „Friendshoring“ und nicht zu mehr Investitionen im größten Widersacher der Demokratie führt. Friendshoring bezeichnet die Beschränkung des internationalen Handels auf Länder mit gemeinsamen Werten.

Am 19. und 20. Februar wurden vielleicht nicht zufällig zumindest einige gute Nachrichten über neue VW-Investitionen in Milliardenhöhe in Produktionsstätten in den Vereinigten Staaten, Indien und Mexiko bekannt. Der Autobauer könnte damit einem neuen moralischen Imperativ gegen Sklavenarbeit folgen. Oder es könnte eine Reaktion auf die heimischen Autokonzerne sein, deren Absatz Volkswagen Marktanteile wegnehmen. Die Vereinigten Staaten und die anderen von VW neu bevorzugten Produktionsländer sind eine viel bessere Wahl.

Es ist Zeit für Volkswagen, seine moralischen Verluste zu begrenzen und sich von ganz China abzukoppeln, nicht nur von Xinjiang.

Über den Autor:

Dr. Anders Corr hat ein Bachelor- und Masterstudium für Politikwissenschaft an der Yale University (2001) absolviert und erlangte einen Doktortitel für Verwaltungswissenschaft an der Harvard University (2008). Er ist Direktor bei Corr Analytics Inc. und Herausgeber des „Journal of Political Risk“. Corr hat umfangreiche Forschungsarbeiten in Nordamerika, Europa und Asien durchgeführt. Seine neuesten Bücher sind „The Concentration of Power: Institutionalization, Hierarchy, and Hegemony“ (2021) und „Great Powers, Grand Strategies: the New Game in the South China Sea“ (2018).

Dieser Artikel erschien im Original auf theepochtimes.com unter dem Titel „Is Volkswagen Exploiting Slave Labor in China?“ (deutsche Bearbeitung mf)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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