Audis Diesel-Verspreche(r/n): 1,76 Liter auf 100 Kilometer-Auto „wird bis Februar 1990 kommen!“

1989 versprach der Technikvorstand von Audi ein Auto, das "deutlich weniger als 2,5 Liter Diesel auf 100 km" benötigt – und wollte es im Februar 1990 auf den Markt bringen.
Titelbild
Audi 100Foto: iStock
Epoch Times3. November 2019

„Wie sparsam man mit einem Dieselauto fahren kann, das hat Audi mit solch einem, nicht gerade kleinen oder leichten, Audi 100 bewiesen“ heißt es 1989 in einem Bericht des ZDF. Damals kehrte Audi von einer selbst – oder gerade – nach heutigen Maßstäben beeindruckenden Testfahrt zurück.

Im ZDF heißt es weiter: „Man fuhr von Holland, durch Belgien, Luxemburg, Frankreich, Deutschland, Österreich, Italien, Spanien und wieder Frankreich – insgesamt 4818 Kilometer weit – mit nur einer Tankfüllung. Das ergab einen Durchschnittsverbrauch von sage und schreibe 1,76 Liter. Weltrekord. Wenn es so etwas offiziell gäbe.“

Damit unterbot Audi seinen eigenen, „seit 1981 bestehenden Sparrekord, der von einem […] Audi 80 Diesel mit einem Verbrauch von 2,27 Litern auf 100 Kilometer gehalten wurde.“

30 Jahre später gibt es einen entsprechenden offiziellen Spritspar-Weltrekord. Dieser liegt momentan bei 0,0347 Liter auf 100 Kilometer, wurde jedoch nicht von einem Serienfahrzeug, sondern von einem speziell dafür entwickelten „Renn“-Auto aufgestellt.

Unter Aufsicht des TÜV – Audi: „So niedrig, dass es uns niemand glauben wird“

Jürgen Stockmar, damaliger Technikvorstand von Audi sagte im Interview: „Wir haben einen Vortest gemacht. Und der Vortest zeigte schon, dass wir auf einen Durchschnittsverbrauch deutlich unter 2,5 Liter kommen werden. Das war für uns so niedrig, dass wir gesagt haben, wenn nur wir von Audi diese Fahrt durchführen, wird es uns niemand glauben. Wir werden angezweifelt und haben deshalb den TÜV als Überwacher, als Bewacher und als Begutachter dieses Tests mitgenommen. Der TÜV hat bestätigt: 1,76 Liter auf 100 Kilometer, bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit, quer durch Europa, von 60,2 Stundenkilometern.“

Reporter: „Und dieses Auto kommt auch wirklich auf den Markt?“

Jürgen Stockmar: „Da sind wir fest entschlossen, dieses Auto in den Markt zu bringen, das wird am nächsten Februar [1990] in den Markt gebracht. Wir werden wahrscheinlichen Ende Januar 1990 dieses Auto den Medien vorstellen und da können sich die Vertreter der Medien noch einmal selbst ein Bild davon machen, mit welch niedrigen Verbräuchen dieser moderne Turbodiesel-Direkteinspritzer der 2. Generation zu fahren ist.“

Bei dem verwendeten Motor handelt es sich laut ZDF um einen „Turbodiesel-Motor mit Direkteinspritzung, Ladeluftkühlung und vielleicht noch Katalysator und Rußfilter“. Ja, das gab es auch damals schon.

Vorsprung durch Technik …

Betrachten wir das Ganze im Detail. Ein 1,3 Tonnen schweres Fahrzeug fährt fast 5.000 Kilometer mit nur einer Tankfüllung? Heute schafft ein sparsamer 1,3-Tonnen-Benziner etwa ein Fünftel dieser Strecke.

Zudem klingen 60 km/h nicht viel, doch die Audi-Techniker geben es als Durchschnittsgeschwindigkeit an. Durchschnittlich 60 km/h bedeutet, dass etwa zwei Drittel der Strecke mit 80 km/h (Autobahn) und ein Drittel der Strecke mit 40 km/h (Städte und Dörfer) zurückgelegt wurden sein kann. 3.600 Kilometer mit 90 km/h und 1.200 Kilometer mit 30 km/h führen zu demselben Ergebnis.

Obwohl heute kaum ein Autofahrer derart „schleicht“, stellt sich die Frage, warum die aktuellen Verbrauchswerte ungleich höher liegen. Einfach gesagt, das tun sie nicht. Diese Aussage allein ist jedoch ein Rückschritt, denn von 30 Jahren Motorentwicklung hätte man mehr erwarten können.

… Rückschritt durch Öl-Lobby?

Der Vorgänger des heutigen Audi A6 wurde – wie versprochen – ab Anfang 1990 mit einem neuen Motor angeboten. Dieser Turbodiesel verbrauchte jedoch nach offiziellen Angaben zwischen 5,3 und 7,2 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Dieser Wert wird von vielen modernen Fahrzeugen unterboten.

Der Audi 100 C3 Sedan von 1989 galt als Meisterwerk der Ingenieurskunst, denn er wies für ein Serienauto einen erstaunlich niedrigen Luftwiderstandsbeiwert von nur 0,3 auf. Zusammen mit einer sehr sparsamen Fahrweise könnte das den Ausschlag gegeben haben. Warum aber verbrauchte der 1990 vorgestellte TDI-Motor das vier- bis fünffache des Testwagens?

Leider lässt sich nicht nachweisen, mit welchem Motor die Testfahrt im August 1989 unternommen wurde. Im Umkehrschluss kann also niemand nachweisen, ob der Motor, der ein halbes Jahr später auf den Markt kam, derselbe ist. Denkbar wäre auch, dass Lobbyisten die Einführung dieses extrem sparsamen Motors verhindert haben – und bis heute verhindern.

Ein Exkurs in die Geschichte und die Physik

Während sich die Motoren in den letzten 30 Jahren merklich entwickelt haben, bleibt die Physik unverändert. Laut Umweltbundesamt ist der Kraftstoffverbrauch in den zwischen 1995 und 2017 um durchschnittlich 1,4 Liter pro 100 Kilometer gesunken. Ausgehend von einem Anfangswert von 8,8 Liter entspricht das einer Senkung um 15,9 Prozent. Gleichzeitig wurden jedoch die Fahrzeuge im schwerer und die Motoren entsprechend größer. Damit ist der spezifische Kraftstoffverbrauch pro Kilogramm Auto pro 100 Kilometer im selben Zeitraum noch stärker gesunken.

Das Bundesumweltamt (UBA) schreibt dazu: „Seit 1999 nimmt der Anteil an Pkw mit Dieselmotor stark zu. Diese Pkw verbrauchen bei vergleichbaren Fahrzeugparametern weniger Kraftstoff. Einer Verringerung des Kraftstoffverbrauchs stehen allerdings der Trend zu leistungsstärkeren Fahrzeugen sowie die zunehmende Ausstattung mit verbrauchserhöhenden Hilfs- und Komforteinrichtungen wie Klimaanlagen entgegen.“

Unabhängig von Technik und Vorlieben der Verbraucher hat sich die Physik des Autofahrens in den letzten 30 Jahren nicht geändert. Alle physikalischen Gesetze galten auch 1989, was uns zu einem kleinen Gedankenexperiment führt: Was wäre wenn …?

Was wäre wenn … Audi heute einen neuen revolutionären Motor entwickeln würde?

Der Original Turbodiesel des Audi 100 stellte aus 2,461 Liter Hubraum eine Leistung von 120 PS und 265 Nm Drehmoment bereit. Unter der Annahme, dass die Motor- und Fahrzeugentwicklung heute besser ist als vor 30 Jahren, gehen wir davon aus, dass den Ingenieuren von Audi dieselben Fortschritte gelungen wären, die das UBA beziffert. Mehrleistung der modernen Motoren sollen sich mit der Gewichtszunahme der Fahrzeuge ausgleichen.

Durch die weitere Verbesserung des Luftwiderstandsbeiwerts dürfte der moderne Audi A6 nicht nur 16, sondern fast 20 Prozent weniger Diesel als das Testfahrzeug von 1989 verbrauchen. Statt 1,4 Liter auf 100 Kilometer verbraucht der A6 jedoch mindestens 4,0 Liter – bei geringerem Hubraum. Wo bleibt der Vorsprung durch Technik, den Audi vor 30 Jahren hatte?

Selbst wenn wir argumentieren, dass heute niemand lange Strecken mit durchschnittlich 60 km/h fährt, würde der moderne Audi 100 weniger verbrauchen als der aktuelle Spritspar-Weltrekordhalter. Da der Luftwiderstand quadratisch zur Geschwindigkeit steigt, erhöhen sich auch die benötigte Leistung und der Spritverbauch (annähernd) im gleichen Verhältnis.

Bei einer Steigerung der Durchschnittsgeschwindigkeit auf 90 km/h (jeweils die Hälfte der Fahrtzeit mit 130 und 50 km/h, Faktor 1,5) steigt der Verbrauch damit rechnerisch um das 2,25-fache auf 3,15 Liter pro 100 Kilometer. Das sparsamste Serienauto, der Honda Cicic Tourer schaffte es 2015 mit einem deutlich kleineren Motor immerhin auf 2,82 Liter pro 100 Kilometer.

Wer sich bemüht und die Geschwindigkeit auf das Niveau von 1989 reduziert, kann jedoch auch heute mit unter 2,5 Liter pro 100 Kilometer fahren. Der Vorsprung durch Technik ist also nicht verschwunden, sondern unserer schnelllebigen Welt zum Opfer gefallen. (ts)

An dieser Stelle wird ein Video von Youtube angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um das Video anzusehen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion