Die 1.000-km-Batterie kann das E-Auto-Dilemma nicht lösen

Geringe Reichweite und ein verändertes Brandrisiko sind zwei der wichtigsten Argumente gegen E-Autos. Forscher aus Südkorea und Australien könnten beide Probleme ausräumen. Wer schon ein E-Auto besitzt oder zeitnah erwerben möchte, wird jedoch kaum davon profitieren.
Eine neuartige Batterie auf Wasserbasis brennt und explodiert nicht.
Professor Tianyi Ma zeigt die neuartige Batterie auf Wasserbasis, die weder brennen noch explodieren kann.Foto: Carelle Mulawa-Richards, RMIT University
Von 29. Februar 2024

Etwa 14.500 Tankstellen gibt es in Deutschland, an denen Autofahrer binnen weniger Minuten Hunderte Kilometer Reichweite auffüllen können. Es sei denn, man fährt elektrisch. Selbst an einem der noch wenigen Schnellladepunkte dauert der Ladevorgang meist den besseren Teil einer Stunde und nach etwa 400 Kilometern steht der nächste Ladestopp an.

Zwar können neue Elektrofahrzeuge heute mit einer Ladung – bis zu – 700 km weit fahren, die psychologisch wichtige Schwelle von 1.000 km Batteriereichweite wurde bislang jedoch nicht geknackt. Im Zentrum der Forschung steht dabei nach wie vor die Verwendung von Silizium, das für seine hohe Speicherkapazität bekannt ist. Trotz seines Potenzials bleibt die praktische Nutzung von Silizium, zum Beispiel als Anodenmaterial in Lithium (Li)-Ionen-Batterien, ein Rätsel.

1.000-Kilometer-Batterie in Reichweite

Hier kommen Professor Soojin Park, Doktorand Minjun Je und Dr. Hye Bin Son vom Fachbereich Chemie der Pohang University of Science and Technology in Südkorea ins Spiel. Sie haben ein Li-Ionen-Batteriesystem der nächsten Generation mit hoher Energiedichte entwickelt.

Ihren großen Durchbruch erreichten sie dank kleinster Teilchen, genauer gesagt Mikro-Siliziumpartikel. Zusätzlich verwendeten sie einen Gel-Polymer-Elektrolyten, der viele der bisherigen Probleme von Silizium-Anoden im wahrsten Sinne des Wortes abfedert.

Was Silizium für die Batterieforschung so interessant macht, ist seine Eigenschaft, dass es als Anode bis zu zehnmal mehr Lithium-Ionen aufnehmen kann als die bisherigen Graphitanoden. Die Herausforderung besteht jedoch darin, dass sich Lithium beim Aufladen um mehr als das Dreifache ausdehnt und sich beim Entladen wieder auf seine ursprüngliche Größe zusammenzieht, was die Effizienz der Batterie erheblich beeinträchtigt.

Eine Lösung ist bereits seit Längerem bekannt: winzig kleine Siliziumpartikel im Nanometerbereich. Ihr „anspruchsvolles Herstellungsverfahren ist komplex und astronomisch teuer“, so die Forscher. Einen Kompromiss bieten nicht ganz so winzige Mikro-Siliziumpartikel. In Verbindung mit dem elastischen Gel-Elektrolyt gelang es Prof. Park und Kollegen, „ein wirtschaftliches und dennoch stabiles Batteriesystem“ zu entwickeln.

Silizium in Mikrogröße ist im Hinblick auf Kosten und Energiedichte äußerst praktisch, erklärte Prof. Park: „Wir haben eine Mikro-Silizium-Anode verwendet, aber wir haben eine stabile Batterie. Diese Forschung bringt uns näher an ein echtes Lithium-Ionen-Batteriesystem mit hoher Energiedichte.“ So wies das vom Forschungsteam entwickelte Silizium-Gel-Elektrolytsystem eine ähnliche Ionenleitfähigkeit auf wie herkömmliche Batterien mit flüssigen Elektrolyten.

Zugleich konnten sie die Energiedichte um etwa 40 Prozent verbessern. Der weitaus größte Vorteil berge jedoch der unkomplizierte Herstellungsprozess, „der sofort angewendet werden kann“. Mit anderen Worten, aus bisher 700 Kilometern Reichweite könnten dank Parks Forschung alsbald (knapp) 1.000 Kilometer werden.

Feuer lässt „Wasserbatterien“ kalt

Lithium-Ionen-Energiespeicher sind aufgrund ihrer technologischen Reife marktbeherrschend, doch ihre Eignung für die Energiespeicherung in großem Maßstab wird durch Sicherheitsbedenken hinsichtlich der flüchtigen Materialien im Inneren eingeschränkt. Ein weiteres „brandheißes“ Argument gegen E-Autos ist daher ihr verändertes Brandrisiko, genauer gesagt das subjektive Sicherheitsempfinden der Nutzer.

In Wirklichkeit unterscheidet sich die Anzahl der E-Auto-Brände kaum von jener der konventionellen Autos. Jedoch lassen der Zeitpunkt der auftretenden Brände und die Herausforderungen beim Löschen die Alarmglocken schrillen. Während ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor praktisch nur im Betrieb Feuer fangen kann, können sich E-Autos auch im Stillstand spontan selbst entzünden. Die Folgen können katastrophal sein.

Weder Feuer fangen noch explodieren können die recycelbaren „Wasserbatterien“ eines internationalen Teams von Forschern und Industrievertretern unter der Leitung des Royal Melbourne Institute of Technology (RMIT) in Australien. Ihre Batterien verwenden Wasser als Ersatz für organische Elektrolyte, die den Stromfluss zwischen Plus- und Minuspol ermöglichen. Forschungsleiter Professor Tianyi Ma erklärte dazu: „Was wir entwickeln und herstellen, nennt man wässrige Metall-Ionen-Batterien – oder einfach Wasserbatterien.“ Weiter sagte er:

„Unsere Batterien können sicher zerlegt und die Materialien wiederverwendet oder recycelt werden, um die Probleme zu lösen, mit denen Verbraucher, Industrie und Regierungen weltweit bei der Entsorgung der derzeitigen Energiespeichertechnologie konfrontiert sind.“

Auf dem Weg, Li-Ionen-Batterien zu ersetzten

Die von Ma und Kollegen entwickelten wässrigen Energiespeicher sind in ihrem Feld derzeit führend hinsichtlich Leistung und Lebensdauer. „Unsere Batterien halten jetzt deutlich länger – vergleichbar mit den handelsüblichen Lithium-Ionen-Batterien auf dem Markt – und sind damit ideal für den schnellen und intensiven Einsatz in realen Anwendungen“, so Ma.

Die von den Forschern jüngst hergestellte Magnesium-Ionen-Wasserbatterie weist eine Energiedichte von 75 Wattstunden pro Kilogramm auf. Das entspricht jener von handelsüblichen Nickelbatterien, erreicht aber nur etwa 30 Prozent der neuesten Lithiumzellen von Tesla.

Allerdings basieren die Wasserbatterien auf „Materialien wie Magnesium und Zink, die in der Natur reichlich vorhanden, kostengünstig und weniger toxisch sind als Alternativen, die in anderen Arten von Batterien verwendet werden“, so die Forscher. Das führe zu einer Senkung der Herstellungskosten und verringere die Risiken für die menschliche Gesundheit und die Umwelt. Die Einfachheit der Herstellungsprozesse habe zudem dazu beigetragen, dass eine Massenproduktion möglich ist.

In ihrer neuesten Arbeit haben Ma und Kollegen zudem eine große Herausforderung gemeistert. Stachelige Metallformationen, sogenannte Dendriten, können innerhalb der Batterie wachsen und zu Kurzschlüssen und anderen schwerwiegenden Fehlern, einschließlich spontaner Brände führen. Eine spezielle Beschichtung innerhalb der Batterie könne dies bereits im Ansatz verhindern.

Der nächste Schritt bestehe darin, die Energiedichte der Wasserbatterien „durch die Entwicklung neuer Nanomaterialien als Elektrodenmaterialien zu erhöhen“, zeigt sich Prof. Ma zuversichtlich. „Magnesium-Ionen-Wasserbatterien haben das Potenzial, Bleisäurebatterien kurzfristig zu ersetzen – etwa in ein bis drei Jahren“. In fünf bis zehn Jahren könnte man es möglicherweise auch mit Lithium-Ionen-Batterien aufnehmen.

„Magnesium ist leichter als die alternativen Metalle, einschließlich Zink und Nickel, hat eine größere potenzielle Energiedichte und wird Batterien mit schnelleren Ladezeiten und einer besseren Fähigkeit zur Unterstützung stromhungriger Geräte und Anwendungen ermöglichen.“

Nutzen für Elektromobilität eher begrenzt

Die aktuellen Forschungen unterstreichen einmal mehr, dass Ladegeschwindigkeit, Batteriehaltbarkeit und Reichweite nicht beliebig gesteigert werden können. Vielmehr sind diese unmittelbar mit den verwendeten Materialien verbunden und damit chemisch bedingt und begrenzt. Daraus ergeben sich zwei maßgebliche Einschränkungen der Elektromobilität.

Da sich die Batteriechemie nicht ohne Weiteres austauschen lässt, können bereits gebaute Autos praktisch nicht von neuen Forschungen profitieren. Und selbst nach einer – meist sehr kostspieligen – Erneuerung der Batterie ist nicht gesagt, dass die verbaute Elektronik mit dieser kompatibel ist.

Andererseits lässt sich der Ladevorgang aufgrund der Chemie nicht auf „Benzin-Niveau“ verkürzen. Zugleich nützen die besten und mehr Schnellladestationen nichts, wenn das (eigene) E-Auto nicht für diese Spannungen ausgelegt ist. Mit anderen Worten, damit Fahrer das volle Potenzial ausschöpfen können, müssen sie ein neues Fahrzeug kaufen.

Prof. Park und Kollegen veröffentlichten ihre Arbeit am 17. Januar 2024 in „Advanced Science“. Die Forscher um Prof. Ma veröffentlichten ihre jüngste Studie am 6. Februar 2024 in der Fachzeitschrift „Advanced Materials“. Ihre Ergebnisse über die Wasserbatterien erschienen am 1. Dezember 2023 in „Small Structures“.



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