700 Menschenschmuggler von Ungarn abgeschoben: „Die EU will nicht zahlen, aber wir auch nicht“

Westliche Politiker und die ungarische Opposition befürchten, dass Viktor Orbán 700 Menschenschmuggler nach Europa schickt – um die ungarischen Steuerzahler zu schützen.
Titelbild
Während des Baues eines Metallzauns an der ungarisch-serbischen Grenze in der Nähe des Dorfes Roszke, September 2015.Foto: Csaba Segesvari/AFP via Getty Images
Von 24. Mai 2023

Fast 700 ausländische Menschenschmuggler werden aktuell aus den ungarischen Gefängnissen abgeschoben. Die ungarische Führung behauptet, dass die Betreuung dieser Personen zu viel Geld koste. Die EU schulde Ungarn ohnehin bereits 1,5 Milliarden Euro für den Grenzschutz, so die Aussage der Regierungsvertreter.

Die Schmuggler werden mit der Verpflichtung entlassen, das Land innerhalb von 72 Stunden zu verlassen. Ihre sogenannte „Wiedereingliederungshaft“ wird dort vollzogen, wo sie ihren früheren „gewöhnlichen Aufenthalt“ hatten. Falls dieser Ort unbekannt ist, ist ihre Staatsangehörigkeit maßgebend.

In den benachbarten EU-Mitgliedstaaten hat das Vorgehen Ungarns starken Widerstand hervorgerufen. Österreich reagierte mit einer erheblichen Verschärfung der Grenzkontrollen.

Der ungarische Außenminister erklärte am Montag in Brüssel, es handele sich um eine wohlüberlegte souveräne Entscheidung des Landes. Die EU zahle nicht für den Grenzschutz, und es sei auch nicht die Aufgabe der ungarischen Steuerzahler, Tausende ausländische Menschenschmuggler zu versorgen.

Österreich ist alarmiert

Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg erklärte am 22. Mai, dass sein Ministerium den ungarischen Botschafter wegen der Freilassung der Personen vorladen werde, berichtete „Reuters“. Schallenberg telefonierte zudem am Sonntagabend mit dem ungarischen Außenminister Péter Szijjártó, um seine Bedenken zu äußern.

„Wir halten dies für ein völlig falsches Signal“, sagte Schallenberg vor dem EU-Treffen in Brüssel am 22. Mai vor Journalisten. Er fordere von Ungarn „volle Aufklärung“ in dieser Angelegenheit.

Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg. Foto: Joe Klamar/AFP via Getty Images

Am selben Tag telefonierte auch der österreichische Innenminister Gerhard Karner mit seinem ungarischen Amtskollegen Sándor Pintér. Das berichtet der Wiener „Standard“. Karner brachte dabei deutlich die Irritation und das Unverständnis Österreichs zum Ausdruck. Er sprach auch die Frage der Verstärkung der Grenzkontrollen an.

Auch Orbáns österreichischer Unterstützer, Herbert Kickl, Vorsitzender der Freiheitlichen Partei (FPÖ), hält die Entscheidung für bedenklich. Der Politiker bezeichnete Ungarns Flüchtlingspolitik zuvor als vorbildlich, nun benannte er diese Entscheidung als „unverständlich und inakzeptabel“.

Finanzierung des EU-Außengrenzschutzes ist nicht Aufgabe der Ungarn

Ungarns Außenminister Péter Szijjártó äußerte sich in Brüssel während einer Sitzungspause des EU-Rates für Auswärtige Angelegenheiten zu dieser Angelegenheit.

Diese Maßnahme ist eine souveräne Entscheidung Ungarns. Sie richtet sich nicht gegen ein Nachbarland, sie enthält auch keine Spezifität eines Nachbarlandes.“

Er fügte hinzu, dass es der Regierung darum gehe, ausländische Kriminelle auszuweisen. „Es ist besser, wenn sie das Land verlassen und gar nicht erst daran denken, hierherzukommen.“

Szijjártó erklärte ebenso wie der ungarische Staatssekretär Bence Rétvári gegenüber der ungarischen Nachrichtenagentur MTI, dass die hohen Kosten der Inhaftierung der Grund für diesen Schritt seien. Ein verurteilter Menschenschmuggler koste den ungarischen Steuerzahler jährlich fast 13.500 Euro, betonte Rétvári.

Die politische Entscheidung des Landes liege daher im Interesse der ungarischen Steuerzahler. Eine finanzielle Unterstützung durch die EU in Migrationsangelegenheiten und den Schutz der EU-Außengrenzen werde schon lange gefordert, doch sie fände nicht statt. Deshalb will die ungarische Regierung die Steuerzahler nicht länger mit diesen Kosten belasten.

Nach Angaben von Staatssekretär Rétvári hat Ungarn während der Migrationskrise seit 2015 1,5 Milliarden Euro für den Grenzschutz ausgegeben. Nur 1 Prozent dieses Betrags sei bisher von der EU erstattet worden.

Fehlschlag für die EU, Fortschritt für Ungarn?

Wie wird die Lösung der ungarischen Regierung angenommen? Während in der internationalen Presse oft Kritik geäußert wird, wird auch spekuliert, dass es sich um einen taktischen Schachzug handeln könnte.

„Der Schritt könnte eine Taktik sein, um Druck auf Länder auszuüben, die von Ungarns enorm teurem Grenzschutz profitieren, wie zum Beispiel Österreich – damit sie sich finanziell an diesen Maßnahmen beteiligen“, kommentiert „Hungary Today“.

Die Südgrenze der EU wird von Ungarn geschützt. Foto: iStock

Nicht jeder ist glücklich in Ungarn

Auch im eigenen Land wird die Verordnung kritisiert. Der Präsident der ungarischen Anwaltskammer, János Bánáti, sagte, dass „es wegen der Sprachprobleme teurer ist, diese Menschen in den ohnehin schon überfüllten Gefängnissen unterzubringen, so dass sie einen besonderen Vorteil erhalten, der ungerechtfertigt und daher unfair ist“.

Ein Sprecher der linken Partei „Demokratische Koalition“, die vor Kurzem eine Schattenregierung in Ungarn gebildet hat, erklärte, dass der Erlass der Regierung einer Amnestie gleichkomme, und hat um Garantien gebeten, dass die freigelassenen Personen das Land tatsächlich verlassen werden, berichtet RTL.

RTL erhielt auch anonyme Briefe von Gefängnisinsassen. Darin erklärten diese, dass sie nicht nachvollziehen können, warum ausländische Gefangene gehen dürfen, während sie weiterhin inhaftiert bleiben.

Gefängnisse sind überfüllt

In Ungarn sind derzeit fast 2.600 Menschen aus 73 Ländern wegen Menschenhandels inhaftiert. Rund 700 von ihnen sind derzeit von der Maßnahme betroffen. Die meisten von ihnen sind Staatsangehörige ungarischer Nachbarländer.

Von dem Erlass der Regierung sind nichtungarische Straftäter betroffen, die wegen Menschenschmuggels oder der Vorbereitung von Menschenschmuggel verurteilt und zudem des Landes verwiesen worden sind. Das bedeutet jedoch nicht, dass die rechtskräftige Verurteilung nichtig ist. Wenn sie das Land nicht verlassen und nicht innerhalb von 72 Stunden an ihren früheren Wohnort oder in den Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen, zurückkehren, müssen sie die Freiheitsstrafe am früheren Ort der Inhaftierung – in Ungarn – verbüßen.

Voraussetzung für die Anwendung der besonderen Maßnahmen ist außerdem, dass gegen die verurteilte Person in Ungarn kein anderes Strafverfahren im Gang ist.

Es sitzen tatsächlich mehr Häftlinge im Gefängnis als vorgesehen. Im April dieses Jahres stellte ein Bericht der investigativen Analyseseite „Átlátszó“, fest, dass in den vergangenen 33 Jahren in Ungarn noch nie so viele Menschen hinter Gittern saßen wie heute. Fast alle ungarischen Gefängnisse sind zu über 100 Prozent ausgelastet. Die Regierung erklärt dies genau mit der hohen Zahl der gefassten Menschenhändler. Dem Bericht zufolge könnten bereits vier Gefängnisse allein mit Menschenschmugglern gefüllt sein.



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