Alle, überall, wann immer: Massenüberwachung durch Europol

Die neue Europol-Verordnung macht das europäische Pendant des FBI zu einem mächtigen Instrument. Daten von Unverdächtigen werden künftig so behandelt wie die von Menschen mit kriminellen Aktivitäten.
Europol
Das Hauptquartier der Europäischen Polizeibehörde Europol in Den Haag.Foto: iStock
Von 9. Juli 2022

Daten von Unverdächtigen speichern und mit Big Data analysieren? Kein Problem. Das EU-Parlament hat mit der jüngsten Europol-Verordnung unverdächtige Menschen denjenigen mit kriminellen Aktivitäten nahezu gleichgestellt.

Ursprünglich zum Kampf gegen schwere Kriminalität und Terrorismus und für eine bessere europäische Vernetzung gegründet, weitet der EU-Gesetzgeber die Befugnisse von Europol mit einer Reform enorm aus. Das EU-Parlament hat die neue Verordnung (EU; 2022/991) mit 480 zu 143 Stimmen und 20 Enthaltungen verabschiedet, die Novelle trat am 28. Juni in Kraft.

Daten können nun zudem direkt von Unternehmen wie Facebook, Microsoft, Google, E-Mails, Banken und Fluglinien eingezogen, aufbewahrt und analysiert werden. Gleiches gilt für Informationen aus Drittländern.

KI-Auswertungen „solange und wann immer“

Ihre neuen Kompetenzen beschreibt die Behörde selbst so: „Personenbezogene Daten ohne die Kategorisierung der betroffenen Person zu verarbeiten, solange und wann immer dies für die Unterstützung einer bestimmten laufenden strafrechtlichen Ermittlung erforderlich ist.“ Gleichzeitig darf die Euro-Polizei mittels KI personenbezogene Daten zu „Forschungs- und Innovationszwecken“ verarbeiten.

Sogenannte „Initiativuntersuchungen“ können durch den Exekutivdirektor von Europol in Gang gebracht werden. Dieser kann „vorschlagen, eine nationale Untersuchung einer bestimmten Straftat einzuleiten, die nur einen Mitgliedstaat betrifft, aber ein gemeinsames Interesse beeinträchtigt“. Nationale Behörden entscheiden anschließend, ob sie diesem Antrag nachkommen oder nicht.

Die derzeitige Exekutivdirektorin von Europol ist Catherine De Bolle. Sie begrüßt die geänderte Verordnung, „da sie die Effizienz der Unterstützung von Europol für die Strafverfolgungsbehörden der Europäischen Union bei der Bekämpfung der schweren und organisierten Kriminalität und des Terrorismus erheblich verbessern wird.“

Für den Vorstandvorsitzenden Jérôme Bonet ebnet die neue Verordnung „den Weg für neue Perspektiven durch eine verstärkte Unterstützung der nationalen Strafverfolgungsbehörden“.

Das europäische Polizeiamt, das als Pendant zum FBI gehandelt wird, ist im Prinzip eine große vernetzte Datenbank. Vor allem Strafverfolgungsbehörden von Frankreich oder das BKA liefern seit Jahren große Datenmengen nach Den Haag.

Dürfen die bisher gesammelten Daten weiterhin verwendet werden? Im Prinzip ja, Mitgliedstaaten, EU-Staatsanwaltschaft und die Justizbehörde Eurojust könnten erklären, dass die Altbestände mit der neuen Verordnung legalisiert werden, schreibt das IT-Portal „Heise“.

„The Guardian“: „Massenüberwachungsbehörde im NSA-Stil“

Der Umfang der allein in den letzten sechs Jahren von den nationalen Polizeibehörden gesammelten Datenmengen bewegte „The Guardian“ zu der Einschätzung, dass Europol eine „Massenüberwachungsbehörde im NSA-Stil“ sei.

Eine Ahnung von der Menge der gesammelten Daten konnte die Öffentlichkeit am Anfang des Jahres 2022 gewinnen. Damals versuchte die EU-Datenschutzaufsichtsbehörde die Europa-Polizei dazu zu zwingen, riesige Mengen personenbezogener Daten zu löschen, die auf Vorrat unrechtmäßig angesammelt worden waren. Der Speichercache der „Big Data Arche“ soll laut „Guardian“-Augenzeugen „mindestens 4 Petabyte Daten erhalten – 3 Millionen CD-Roms oder ein Fünftel des gesamten Inhalts der US Library of Congress“. Das sind 4 Millionen GB Daten.

Theoretisch unterliegt Europol einer strengen Regulierung, welche Arten personenbezogener Daten wie lange und wo gespeichert werden. Die Kritik an der Sammelwut begann im Jahr 2020 durch den EU-Datenschutzbeauftragten Wojciech Wiewiórowski. Er rügte, dass die Ermittler ihre Befugnisse überschritten und rechtswidrig gehandelt hätten.

Anfang 2022 ordnete Wiewiórowski an, dass die Behörde binnen sechs Monaten entscheiden soll, ob sie erhaltene personenbezogene Informationen längerfristig speichern und verwenden darf. Daten mit unklarem Status sind im Anschluss zu löschen.

Wiewiórowski zweifelt Rechtmäßigkeit an

Diese Auflage ist nun weitgehend obsolet. Der EU-Datenschutzbeauftragte bemängelt bei der neuen Verordnung, dass Europol „rückwirkend ermächtigt“ wird, „große Datensätze zu verarbeiten, die bereits vor Inkrafttreten der geänderten Verordnung mit Europol geteilt wurden“.

Wiewiórowski zweifelt die Rechtmäßigkeit dieser rückwirkenden Genehmigung an – die zudem die gleichen großen Datensätze betrifft, die Europol aufgrund der Anordnung am 3. Januar 2022 löschen sollte.

Er warnt, dass nun „Daten über Personen, die keinen festen Zusammenhang mit einer kriminellen Tätigkeit haben, genauso behandelt werden wie die personenbezogenen Daten von Personen, die im Zusammenhang mit einer kriminellen Aktivität stehen“.

Das „Euro-FBI“, wie der frühere Kanzler Helmut Kohl die Behörde stets nannte, hat (noch) keine exekutiven Eingriffsmöglichkeiten. Hausdurchsuchungen oder Festnahmen durch Europol sind nicht gestattet. Den Haag liefert den nationalen Behörden lediglich Daten, die von Polizei, Grenzschutz, Zoll und Co genutzt werden.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Epoch Times Wochenzeitung, Ausgabe Nr. 52, vom 9. Juli 2022.



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