Bauernproteste erfassen ganz Europa – und richten sich zunehmend gegen politische Lage insgesamt

Die Bauernproteste in Deutschland und mehreren weiteren Ländern Europas halten an. Es geht zunehmend nicht mehr nur um nationale Fragen wie den Agrardiesel. Die Landwirte stellen auch zentrale Anliegen der Klima- und Handelspolitik infrage.
Landwirte haben vor dem EU-Parlament Gegenstände in Brand gesetzt, um gegen Umweltauflagen zu protestieren.
Landwirte setzten vor dem EU-Parlament Gegenstände in Brand, um gegen Umweltauflagen zu protestieren.Foto: Omar Havana/AP/dpa
Von 4. Februar 2024

In vielen deutschen Medien ist die Berichterstattung über die Bauernproteste gegenüber jener über die Anti-AfD-Demos zurückgetreten. Dennoch gehen sie nicht nur in Deutschland, sondern auch in mehreren anderen Ländern Europas weiter – und richten sich zunehmend gegen grundlegende politische Richtungsentscheidungen.

Aktionen der Landwirte erreichen Brüssel

Am Freitag, 2. Februar, blockierten Landwirte unter anderem den Grenzübergang Linken an der polnischen Grenze in Mecklenburg-Vorpommern für mehrere Stunden. Proteste gibt es auch an den Containerterminals in Bremerhaven. Am Samstag waren 400 Traktoren rund um den Flughafen in Frankfurt am Main.

Deutschland ist jedoch nicht das einzige Land, in dem Bauern auf die Barrikaden gehen. Am Donnerstag erreichte der Protest die Brüsseler Innenstadt und richtete sich gegen die Politik der EU, deren Staats- und Regierungschefs gerade ein Gipfeltreffen abhielten. Unter anderem flogen Eier und Feuerwerkskörper in Richtung des Europäischen Parlaments.

Zwar ging es bei dem Treffen nicht um die Landwirtschaft. Der „Guardian“ schrieb jedoch, die starke Präsenz der Bauern könnte die versammelten Politiker daran erinnern, dass sie die beanstandeten Missstände „auf eigene Gefahr ignorieren“.

Bauernproteste auch in Südeuropa zu erwarten

Schauplätze weiterer Proteste sind unter anderem Frankreich, Polen, Portugal und Irland. Im Vorjahr hatten niederländische Landwirte landesweit über Wochen hinweg ihren Unmut zum Ausdruck gebracht. Experten rechnen mit einer Ausweitung der portugiesischen Proteste auf Spanien.

Einige Wasserreservoirs im Süden des Landes sollen nur noch eine Kapazität von vier Prozent aufweisen. Sollte es zu Waldbränden kommen, könnte dies zu katastrophalen Folgen führen. In Griechenland hatten diese im Vorjahr etwa 20 Prozent der griechischen Landwirtschaft vernichtet. Verbraucher konnten die Folgen von Bränden und Missernten in Südeuropa an der Preisexplosion für Olivenöl ablesen.

Die Proteste der Bauern richten sich längst nicht mehr nur gegen politische Entscheidungen auf nationaler Ebene. Zu solchen zählt beispielsweise das Ende der Steuervergünstigung für Agrardiesel in Deutschland oder die Verschärfung der Bestimmungen über Stickstoffemissionen in den Niederlanden.

Wachsende Unlust an Klimazielen und „Transformationen“

Zunehmend stehen jedoch auch politische Grundlagenentscheidungen auf Ebene der EU oder darüber hinaus in der Kritik – ohnehin noch weiter reichende Vorschläge internationaler Organisationen oder Einrichtungen. Diese schaffen immer häufiger ein verbindendes Element zwischen den Protestierenden in den verschiedenen Ländern.

Es steigt insbesondere die Skepsis gegenüber überambitionierten Klimazielen und dafür angedachte „Transformationen“. Diese sorgen bereits für höhere Preise, mehr Belastungen, Einschränkungen unternehmerischer Freiheiten durch Verbote und teure Anpassungsmaßnahmen. Und das in einer Situation, in der ohnehin seit Jahrzehnten ein Strukturwandel die Landwirtschaft heimsucht.

Freihandelsabkommen mit Mercosur könnte zum Opfer des Unmuts der Landwirte werden

Auch die Ukraine-Politik sorgt unter europäischen Bauern für immer mehr Unmut. Sie nehmen Anstoß an der Entscheidung der EU, Quoten und Zölle für landwirtschaftliche Produkte aus der Ukraine wegfallen zu lassen. Dies führt dazu, dass dortige Erzeugnisse zu deutlich billigeren Preisen auf den Markt kommen.

Einen ähnlichen Effekt befürchten die Landwirte mit Blick auf geplante Freihandelsabkommen, unter anderem mit den Mercosur-Staaten. Ein 2022 mit Neuseeland geschlossenes Abkommen der EU ermögliche den Export dortiger Produkte – obwohl für deren Herstellung bei Weitem nicht die gleichen strengen Standards gelten.

Im Fall einer Vereinbarung mit den Mercosur-Ländern wäre Ähnliches beispielsweise mit Blick auf Importe aus dortigen Ländern zu befürchten. Diese wehren sich zunehmend gegen Versuche der EU, ihnen strengere Standards aufzuerlegen. Frankreich nimmt seinerseits mittlerweile vom geplanten Mercosur-Abkommen Abstand. Mittlerweile hat auch Irlands Premierminister Leo Varadkar geäußert, das seit 2019 im Kern ausverhandelte Abkommen sei „in dieser Form nicht ratifizierbar“.

Neben kurzfristigen Unwägbarkeiten sind es auch längerfristige Entwicklungen, die zulasten der Bauern wirken. Zwischen dem dritten Quartal 2022 und jenem des Jahres 2023 sanken die Erzeugerpreise im Schnitt um fast neun Prozent. Gleichzeitig üben Einzelhandelsketten Preisdruck auf die Landwirte aus, um die gestiegenen Preise nicht in vollem Umfang an die Verbraucher weitergeben zu müssen.

Verständnis für Bauernproteste in der Bevölkerung stark ausgeprägt

International kommt zunehmend Solidarität mit den Bauern. In sozialen Medien fordern immer mehr Nutzer ein Ende groß angelegter politischer Projekte zur „Transformation“ der Landwirtschaft in Richtung „Netto-Null“-Emissionsziele.

Für zusätzlichen Unmut sorgen Bestrebungen nationaler Politiker, noch weitere und strengere Umweltauflagen für die Bauern durchzusetzen. Dazu kommen Vorschläge internationaler Debattenforen wie des Weltwirtschaftsforums (WEF) zur weltweiten „nachhaltigen“ Umgestaltung – die als Reißbrettvisionen urbaner Eliten ohne jedwede Ahnung von der landwirtschaftlichen Realität wahrgenommen werden.

In Frankreich haben die Bauern mit ihren Protesten erste weitreichende Zugeständnisse erreicht. Im Juni wird zudem das EU-Parlament neu gewählt, und es ist davon auszugehen, dass Rechtsaußenparteien erhebliche Zugewinne erzielen. Dies, so der „Guardian“, mache weitere Zugeständnisse an die Bauern wahrscheinlich.

In der Bevölkerung ist – wie mehrere Umfragen aus unterschiedlichen Ländern belegen – die Solidarität mit den Bauernprotesten hoch. Dies liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit auch daran, dass die Kostenfolgen politischer „Transformationen“ unter dem Banner grüner Politik zunehmend auch in den Brieftaschen der breiten Masse ankommen.



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