Israel: Von Hamas-Führung benutztes Tunnel-Netzwerk entdeckt

Im Zentrum der Stadt Gaza wurden Tunnel entdeckt, die hochrangige Hamas-Vertreter nutzten. Die USA fordern deutliche internationale Reaktion auf Taten der Hamas – warum verlangt keiner, dass sie aufhören, „sich hinter Zivilisten zu verstecken“? Ein Überblick über die Lage.
Titelbild
Dieser Tunnel in der Nähe des Grenzübergangs Erez wurde am 7. Oktober 2023 auch zum Angriff auf Israel genutzt.Foto: JACK GUEZ/AFP über Getty Images
Epoch Times21. Dezember 2023

Das israelische Militär hat neue Erkenntnisse zum weitreichenden Tunnelsystem der radikalislamistischen Hamas im nördlichen Gazastreifen veröffentlicht. Eine entscheidende Rolle spiele der Palästina-Platz im Zentrum der Stadt Gaza, teilte die Armee mit.

Von dort sollen „Büros und Wohnungen der politischen sowie militärischen Hamas-Führung“ unterirdisch erreichbar gewesen sein. Das Militär veröffentlichte am Mittwoch Aufnahmen, die „ein großes Netzwerk von Tunneln“ zeigen, „das Terroristenverstecke, Büros und Wohnungen der Hamas-Führung miteinander verbindet“.

Nach der Übernahme eines Gebiets in der Stadt Gaza seien weitere Details der „strategischen Tunnelroute“ aufgedeckt worden, hieß es am Mittwoch. Neben Treppen ermöglichten demnach auch Aufzüge den Abstieg in das unterirdische System. In einigen Fällen seien Lebensmittel, Wasser- und elektrische Infrastrukturen gefunden worden. „Auf diese Weise konnten Hamas-Terroristen sowohl fliehen als auch für längere Zeit in ihren Verstecken bleiben“, hieß es.

Die Tunnel rund um den Palästina-Platz im Zentrum der Stadt Gaza seien von hochrangigen Hamas-Vertretern wie „Ismail Hanija, Jahja Sinwar, Mohammed Deif und anderen“ genutzt worden, sagte Armee-Sprecher Peter Lerner.

Sinwar und Deif sind zwei hochrangige Kämpfer, denen Israel die Planung des Angriffs der Hamas am 7. Oktober auf das Land vorwirft. Die israelische Armee erklärte, die Tunnel seien Teil eines sowohl ober- als auch unterirdischen Komplexes, „der ein Machtzentrum des militärischen und politischen Flügels der Hamas war“.

Krankenhäuser mit einbezogen

Später gab das Militär an, der Palästina-Platz sei „mit der Untergrund-Infrastruktur im Gebiet des Rantisi-Krankenhauses und des Schifa-Krankenhauses verbunden“.

Israelische Soldaten waren Mitte November in das Al-Schifa-Krankenhaus eingedrungen und hatten mit dem Militäreinsatz in der Klinik international Protest ausgelöst. Israel hatte der Hamas vorgeworfen, ein Kommandozentrum unter dem Krankenhaus zu betreiben, Vertreter der Klinik und die Hamas selbst wiesen das zurück.

Durch die andauernden Bombardierungen liegen große Teile des Gazastreifens in Trümmern, darunter auch zahlreiche Krankenhäuser. Laut einem Team der WHO gleicht die Notaufnahme des zerstörten Al-Schifa-Krankenhauses im Norden der Stadt Gaza einem „Blutbad“.

Schon am Sonntag hatte die israelische Armee eine Tunnel-Entdeckung verkündet. Es sei der bislang größte entdeckte Hamas-Tunnel unter dem Gazastreifen freigelegt worden, er befinde sich nahe des Grenzübergang Eres.

Stiller Unmut in Gaza wächst

Langsam beginnen Palästinenser in Gaza, die Militanten für die Zerstörungen im Gazastreifen verantwortlich zu machen, so das „Wall Street Journal“. Es begänne eine stille Kritik, dass sie Israels Zorn provoziert hätten und nicht in der Lage seien, die Bevölkerung zu schützen – weder vor Krieg noch humanitärer Krise.

„Am ersten Tag waren die Leute glücklich. Aber als Israel anfing, Gaza zu schlagen, die Infrastruktur zu zerstören und Zivilisten zu töten, begannen sich die Dinge zu ändern“, sagte Mkhaimar Abusada, ein Politikwissenschaftler an der Al-Azhar-Universität in Gaza. „Es gibt viel Kritik unter den Palästinensern, dass der Angriff vom 7. Oktober – die Tötung israelischer Zivilisten, Frauen und Kinder – ein strategischer Fehler war, der Israel in den aktuellen Krieg provozierte“.

Ein 36-Jähriger aus Gaza-Stadt fragt sich: „Wenn sie sich zwei Jahre lang auf den Angriff vorbereitet haben, warum haben sie dann nicht auch Pläne für die zwei Millionen Palästinenser gemacht, die sie unter Beschuss gesetzt haben, ohne ihre Meinung zu fragen?“

USA fordern internationale Reaktion auf Taten der Hamas

Angesichts der weltweiten Kritik am Vorgehen der israelischen Streitkräfte im Gazastreifen forderten die USA von der internationalen Gemeinschaft auch deutlichere Worte zum Vorgehen der Hamas. „Was mir auffällt, ist, dass wir immer wieder hören, wie viele Länder auf ein Ende dieses Konflikts drängen, das wir alle gerne sehen würden“, sagte US-Außenminister Blinken.

Aber: „Ich höre praktisch niemanden, der von der Hamas verlangt, aufzuhören, sich hinter Zivilisten zu verstecken. Dass sie ihre Waffen niederlegen, dass sie sich ergeben.“

Der Gaza-Krieg könne nicht damit enden, dass die Hamas-Terroristen an Ort und Stelle blieben und ihre Absicht erklärten, die Angriffe vom 7. Oktober wiederholen zu wollen. „Das ist nicht im Interesse Israels. Es ist nicht im Interesse der Region. Es ist nicht im Interesse der Welt.“

Während die internationale Kritik am Gaza-Krieg angesichts der zahlreichen zivilen Opfer immer weiter zunimmt, schließt Israels Regierungschef ein baldiges Ende der Militäroffensive gegen die Hamas aus. „Wir setzen den Krieg bis zum Ende fort. Er wird weitergehen, bis die Hamas beseitigt ist – bis zum Sieg“, sagte Benjamin Netanjahu in einer Videobotschaft am Mittwoch.

US-Außenminister Antony Blinken forderte unterdessen „gezieltere“ militärische Operationen. „Wir erwarten und wollen eine Verlagerung zu gezielteren Operationen mit einer geringeren Anzahl von Kräften sehen, die sich wirklich auf die Führung der Hamas, das Tunnelnetzwerk (…) konzentrieren“, sagte Blinken in Washington. So werde auch die Zahl der zivilen Opfer im Gazastreifen zurückgehen.

Huthi-Anführer warnt USA

Der Anführer der vom Iran unterstützten Huthi-Milizen warnte die USA davor, das Rote Meer in einen neuen Kriegsschauplatz zu verwandeln. Wenn die USA Soldaten in den Jemen schickten, dann seien sie mit etwas schlimmerem als in Afghanistan und Vietnam konfrontiert, sagte Abdel-Malik al-Huthi.

Er warnte auch weitere Länder, sich der von den USA gebildeten Militärkoalition anzuschließen. Die Huthi-Milizen kündigten an, weiter Angriffe auf Schiffe auszuführen, die entweder Israel gehörten oder Israel unterstützten.

Der israelische Verteidigungsminister Joav Gallant warnte seinerseits die Huthi-Rebellen vor weiteren Angriffen. „Wir bereiten uns vor – die Truppen hier sind für jede Mission und jeden Befehl bereit“, sagte er.

US-Außenminister Blinken rief in einem Telefonat mit Außenministerin Annalena Baerbock und seinen Amtskollegen in Frankreich und Großbritannien, Catherine Colonna und David Cameron, zur Zusammenarbeit unter allen Partnern auf, um die Sicherheit für die Schifffahrt auf dem Roten Meer zu gewährleisten.

Weitere Evakuierungen angeordnet

Israel hat nach Angaben der Vereinten Nationen weitere großflächige Evakuierungen der Stadt Chan Junis im Süden des Gazastreifens angeordnet. Das UN-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (Ocha) erklärte, Israel habe am Mittwoch Karten veröffentlicht, in denen rund 20 Prozent des Stadtgebiets neu als zu räumendes Gebiet ausgezeichnet würden.

In dem Gebiet lebten vor Beginn der Kämpfe mehr als 110.000 Menschen. Außerdem befinden sich in dem Gebiet demnach 32 Notunterkünfte mit mehr als 140.00 Binnenflüchtlingen, die meisten von ihnen aus dem Norden des Gazastreifens.

Hamas-Chef verhandelt in Ägypten

Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron mahnte am Mittwochabend in einem Fernsehinterview, den Terrorismus zu bekämpfen bedeute nicht, „alles in Gaza dem Erdboden gleichzumachen oder wahllos die Zivilbevölkerung anzugreifen“. Deswegen seien der Schutz von Zivilisten und eine Feuerpause nötig, die zu einer Waffenruhe führe, sagte Macron im Sender France 5.

Hamas-Chef Ismail Hanija führte am Mittwoch in Ägypten Gespräche über eine mögliche Feuerpause und einen neuen Gefangenenaustausch. Der britische Sender BBC und die US-Zeitung „Wall Street Journal“ berichteten unter Berufung auf informierte Kreise, die Gespräche hätten zu keinem Ergebnis geführt, sollten aber fortgesetzt werden.

Derweil führt Israel Gespräche mit Katar und den USA, um zu einer möglichen Feuerpause mit weiteren Geisel-Freilassungen zu gelangen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu warnte am Dienstag aber, es werde keinen Waffenstillstand vor einer „Eliminierung der Hamas“ geben. „Jeder, der glaubt, wir würden aufhören, hat keinen Bezug zur Realität.“

US-Präsident Joe Biden sagte, es gebe „zum jetzigen Zeitpunkt“ keine Erwartung einer sofortige Geisel-Vereinbarung zwischen Israel und der Hamas. „Aber wir drängen dazu.“

Derweil will der UN-Sicherheitsrat in New York am Donnerstag erneut versuchen, sich auf eine Resolution mit einer Forderung nach einer Feuerpause zu verständigen. Für die vergangenen Tage angestrebte Abstimmungen über einen Resolutionstext waren immer wieder verschoben worden. Mit den Beratungen soll erreicht werden, dass die USA – einer der wichtigsten Verbündeten Israels – die Resolution nicht mit ihrem Veto blockieren.

(afp/dpa/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion