„Krankheit X“ – neue Dokumente sollen Laborursprung des Coronavirus beweisen

Eine US-Forschungsgruppe veröffentlichte vergangene Woche etwa 1.400 Seiten Material. Demnach begannen amerikanische Wissenschaftler ein Jahr vor dem Ausbruch der Pandemie mit Experimenten an Coronaviren in China.
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War das Labor in Wuhan doch Ursprung des Coronavirus? Die Veröffentlichung neuer Dokumente erhärtet diese These.Foto: Hector Retamal/AFP via Getty Images
Von 25. Januar 2024

Stammt das Coronavirus nun aus einem Labor oder ist es auf natürlichem Weg entstanden? Dieser Frage gehen Forscher seit dem Ausbruch der Pandemie vor nunmehr fast vier Jahren nach, eine endgültige Antwort haben sie (noch) nicht gefunden. Zahlreiche Untersuchungen deuten aber auf eine künstliche Erzeugung in einem Labor in Wuhan, nun veröffentlichte Dokumente sollen diese These untermauern.

Vollständige infektiöse Klone schaffen

Wie die „Berliner Zeitung“ berichtet, hat die gemeinnützige Forschungsgruppe U.S. Right to Know dazu mehr als 1.400 Seiten veröffentlicht. Möglich wurde dies durch den Freedom of Information Act (FOIA), ein amerikanisches Gesetz, das den Zugang zu Regierungsinformationen für die Öffentlichkeit regelt.

Die Dokumente zeigten auf, dass amerikanische Wissenschaftler knapp ein Jahr vor Ausbruch der Pandemie im Wuhan Institute of Virology (WIV) Experimente an Coronaviren begonnen hatten, die mit der molekularen Struktur von SARS-CoV-2 übereinstimmen sollen.

Im Mittelpunkt der Untersuchung steht das sogenannte Projekt „Defuse“, über das erstmals im September 2021 öffentliche Berichte erschienen. Dabei handelte es sich um Forschungsvorstellungen einer Gruppe von Wissenschaftlern, die unter anderem die Schaffung vollständiger infektiöser Klone von mit SARS verwandten Fledermaus-Coronaviren vorschlugen, schreibt die „Berliner Zeitung“.

Besonderes Interesse erweckte den Unterlagen zufolge die Einführung einer Spaltstelle im Virus, die mit Furin interagieren kann. Dabei handelt es sich um ein Enzym, das in menschlichen Zellen exprimiert wird.

Diese Charakteristik gelte auch für SARS-CoV-2. Sie wurde bisher in keinem weiteren in der Natur existierenden Coronavirus nachgewiesen. Es handelt sich dabei um eine spezifische Sequenz im Protein des Virus, die es diesem ermöglicht, in menschliche Zellen einzudringen und sich zu vermehren. Hilfestellung gibt dabei das menschliche Enzym Furin. Es erkennt und aktiviert diese Spaltstelle. Außerdem soll gerade diese Furin-Spaltstelle es dem Virus ermöglichen, den Menschen mit hoher Wahrscheinlichkeit anzustecken.

Mitschöpfer des Begriffes „Krankheit X“

Francois Balloux, der Direktor des UCL Genetics Institute, sagte der „Sunday Times“ (hinter Bezahlschranke) nach der vollständigen Einsicht in die Unterlagen: „Obwohl der Defuse-Vorschlag keine unumstößlichen Beweise für eine künstliche Herkunft von SARS-CoV-2 liefert, verschiebt er definitiv die Wahrscheinlichkeit in Richtung eines Laborursprungs.“

Den Antrag stellte im März 2018 die amerikanische Non-Profit-Organisation EcoHealth Alliance, deren Präsident der britische Forscher Peter Daszak ist. Die „Berliner Zeitung“ nennt ihn „umstritten“. Eine Internetrecherche zeigt auf, dass Daszak zu dem Team von Wissenschaftlern gehört, das 2018 den Begriff „Disease X“ schuf. „Anfang 2018 prägte eine Gruppe von Experten, der ich angehöre (die R&D Blueprint), bei einem Treffen bei der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Genf den Begriff ‚Krankheit X‘“, sagte er 2020 in einem Gespräch mit der „New York Times“ (hinter einer Bezahlschranke).

„Wir meinten damit die nächste Pandemie, die durch einen unbekannten, neuartigen Erreger verursacht werden würde, der noch nicht in die menschliche Bevölkerung eingedrungen ist. Da die Welt heute am Rande des Abgrunds einer Pandemie steht, lohnt es sich, einen Moment darüber nachzudenken, ob COVID-19 die Krankheit ist, vor der unsere Gruppe gewarnt hat“, zitiert ihn die Zeitung.

Die „Krankheit X“ steht für einen unbekannten Erreger, der eine Pandemie verursachen könnte. Der Begriff zierte fortan die jährlich herausgegebene Liste der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit Viren wie Ebola, Zika und MERS. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus kündigte bereits an, dass die Menschheit auch künftig von der Krankheit X bedroht sein könnte, wie Epoch Times berichtete.

Daszak: Es wird weitere Krankheitsausbrüche geben

Gegenüber dem „Telegraph“ sagte Daszak im Juni 2020, dass es weitere große Ausbrüche von Krankheiten geben werde. Er macht dafür den größer werdenden ökologischen Fußabdruck des Menschen verantwortlich. Das führe zu einer Ausbreitung von der Tierwelt auf die Menschen. Die globalen Reise- und Handelsnetze begünstigten ebenfalls eine schnelle Ausbreitung. Daher seien weitere Ausbrüche „unvermeidlich“. Sie sähen vielleicht nicht so aus wie bei der Corona-Pandemie, „aber es wird mehr geben“.

Daszak schloss einen Unfall in einem Labor kategorisch aus, fast zeitgleich stand der Vorwurf im Raum, der Wissenschaftler versuche Vorfälle in Wuhan zu vertuschen.

2021 war Daszak Mitglied eines 13-köpfigen WHO-Teams internationaler Wissenschaftler, das den möglichen Ursprung der Epidemie in Wuhan untersucht hat. Obwohl Daszak lange Jahre mit der chinesischen Virologin Shi Zhengli vom Institut für Virologie Wuhan, das unter anderem Gegenstand der WHO-Untersuchung sein sollte, zusammengearbeitet hatte, wurde er von der WHO in das Forschungsteam aufgenommen.

Kein Geld wegen mangelhaften Risikomanagements

Den Antrag der EcoHealth Alliance lehnte die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA), eine Agentur des amerikanischen Verteidigungsministeriums, die sich auf die Erforschung und Entwicklung fortschrittlicher Technologien für militärische Anwendungen konzentriert, jedoch ab.

In ihrer Begründung verwies die DARPA auf das mangelhafte Risikomanagement des 14 Millionen Dollar teuren Vorschlags. So berücksichtigte der Entwurf nicht die Risiken von Gain-of-Function-Experimenten, bei denen die Eigenschaften eines biologischen Erregers gezielt verändert werden, um deren funktionelle Eigenschaften wie Virulenz oder Übertragbarkeit zu verstärken oder zu verändern. Laut „Berliner Zeitung“ kursierten jedoch seit längerer Zeit Gerüchte, dass solche Experimente dennoch durchgeführt würden.

Den aktuellen Enthüllungen zufolge haben Wissenschaftler konkret versucht, eine Furin-Spaltstelle im Spike-Protein des Erregers einzufügen. Dies sei eine Erklärung dafür, warum SARS-CoV-2 von Anfang an so ansteckend war, ohne sich in seiner Struktur zuvor auffällig verändert zu haben. Bislang haben Forscher zudem noch kein Tier gefunden, das für den Artenwechsel verantwortlich sein könnte.

Aus den jüngst veröffentlichten Dokumenten geht auch hervor, dass das Genom von SARS-CoV-2 den Viren entspricht, die in der Forschungsvorstellung beschrieben wurden. Insbesondere seien zwei Restriktionsenzyme verdächtig: Bsal und BsmBI sind in der Lage, DNA an bestimmten Stellen zu schneiden. Im Falle von SARS-CoV-2 können sie das Virus in sechs genomische Teile zerlegen. Diese Enzyme können in der Natur vorkommen, aber auch im Labor für genetische Manipulationen verwendet werden.

Bestellung von Enzymen weist auf menschliche Verantwortung hin

Die Dokumente enthüllen auch eine Bestellung der EcoHealth Alliance von BsmBI-Enzymen vom Unternehmen New England Biolabs. Einigen Wissenschaftlern zufolge weist dies eindeutig auf die menschliche Verantwortung für die Existenz des Erregers hin. „Es gibt keinerlei Raum für vernünftige Zweifel, dass EcoHealth und seine Partner die Pandemie verursacht haben“, schrieb der amerikanische Molekularbiologe Richard H. Ebright nach den Enthüllungen auf X. Der Wissenschaftler hatte bereits mehrfach zum Ursprung der Pandemie vor dem amerikanischen Kongress ausgesagt.

Mit der Veröffentlichung der 1.400 Seiten wurde auch erstmals bekannt, dass der amerikanische Virologe Ralph Baric von der University of North Carolina geplant hatte, neue Spike-Proteine zu manipulieren. Den Dokumenten zufolge könnte er dabei mit Viren gearbeitet haben, die nicht in den offiziellen Fachzeitschriften veröffentlicht wurden. Zudem habe er die Ergebnisse seiner Versuche der Öffentlichkeit vorenthalten.

Die Dokumente belegten keine genaue Schritt-für-Schritt-Anleitung dafür, wie SARS-CoV-2 im Labor erzeugt wurde. So sind etwa die Genome einiger der mit SARS verwandten Viren, mit denen die Wissenschaftler arbeiten wollten, weiter unbekannt. Dennoch würden Experimente beschrieben, die die außergewöhnlichen Merkmale des Virus erklären könnten.

Der amerikanische Immunologe Anthony Fauci hatte vor einem überparteilichen Untersuchungsausschuss, der den Ursprung des Erregers erforscht, mehrfach bestritten, ähnliche Experimente in Wuhan finanziert zu haben. Von 1984 bis 2022 leitete er das National Institute of Allergy and Infectious Diseases (NIAID), eine Einrichtung der National Institutes of Health (NIH).

50 Millionen Dollar für EcoHealth Alliance

Offizielle Aufzeichnungen der amerikanischen Regierung zeigen jedoch, dass die EcoHealth Alliance in den vergangenen 15 Jahren fast 50 Millionen Dollar an Steuergeldern erhalten hat. Mehrere Zuschüsse für Studien über Coronaviren sind aufgeführt. Nach dem Ausbruch der Pandemie stoppte der damalige Präsident Donald Trump im April 2020 die Zuschüsse an die EcoHealth Alliance.

Im Mai vergangenen Jahres hat die NIH wieder Zuschüsse in Höhe von 13,7 Millionen Dollar an die EcoHealth Alliance freigegeben. Das Geld soll – unter strengeren Bedingungen – für Experimente genutzt werden, die bis zum August 2027 geplant sind.

In den USA wird seit Längerem eine Fachpublikation untersucht, die im März 2020 den natürlichen Ursprung des Coronavirus zweifellos beweisen sollte. Rund sechs Millionen Mal wurde der Beitrag „Der proximale Ursprung von SARS-CoV-2“ im Wissenschaftsmagazin „Nature“ aufgerufen. Mehr als 2.000 Medien zitierten die Publikation. Eindeutige Beweise für eine Zoonose fehlten allerdings.

Später kam vor dem amerikanischen Untersuchungsausschuss heraus, dass der Immunologe Anthony Fauci Druck auf die Verfasser ausgeübt hatte. Dies hätte der Austausch von Beteiligten auf der Plattform Slack gezeigt, der im Juli 2023 publik wurde.

Dieselben Wissenschaftler hielten einen künstlichen Ursprung des Erregers für möglich, änderten jedoch ihre Meinung nach einer umstrittenen Videokonferenz Anfang Februar 2020 mit Fauci und dem ehemaligen Leiter des NIAID, Francis Collins, schreibt die „Berliner Zeitung“.

Weitere These stellt natürlichen Ursprung in den Mittelpunkt

Darauf stellten einige Wissenschaftler mehrmals eine zweite These in den Raum. Sie behaupteten, dass das Coronavirus auf natürlichem Weg auf den Menschen übergesprungen sei. Einigkeit besteht zwischen beiden Thesen zumindest darin, dass der Ursprung von SARS-CoV-2 in Coronaviren zu finden ist, die Fledermäuse in sich tragen. Die Tiere leben in Höhlen in südchinesischen Provinzen, 2.000 Kilometer von Wuhan entfernt. Wo aber könnte eines der Coronaviren auf den Menschen übergesprungen sein?

In Verdacht geriet hauptsächlich der Huanan-Markt in Wuhan. Der Großmarkt verkauft auch Wildtiere, jedoch keine Fledermäuse. Es kam die Vermutung auf, dass das Virus über einen Zwischenwirt auf den Menschen übersprang. Möglicherweise über Marderhunde, die vor allem wegen ihres Fells auf Pelztierfarmen gezüchtet werden.

In einem 2023 erschienen Bericht hieß es, dass eine Forschergruppe um Angela Rasmussen von der kanadischen University of Saskatchewan in Rohdaten Hinweise darauf fanden, dass Marderhunde eine frühe Linie von SARS-CoV-2 in sich getragen haben könnten.

Die Daten stammten von Proben, die chinesische Seuchenbehörden kurz nach Schließung des Marktes von Wänden, Böden und Käfigen des Marktes genommen hatten. Die Tiere selbst waren zu dem Zeitpunkt längst abtransportiert worden. Die Wissenschaftler halten es deshalb für möglich, dass die genetischen Spuren auch von Menschenstammen. Und so gibt es bis heute keinen eindeutigen Beweis, dass das Virus direkt vom Tier auf den Menschen übergesprungen ist.

Umstrittene Forschergruppe

Die Forschergruppe der Fachpublikation, die im Juli 2022 in „Science“ veröffentlicht wurde, ist zudem „umstritten“, wie die Zeitung weiter schreibt. Unter den Autoren sind nämlich mehrere Wissenschaftler zu finden, die auch an der Publikation zum kontroversen „Proximalen Ursprung“ beteiligt waren.

Unter anderem kommen in beiden Studien folgende Namen vor: Dr. Kristian Andersen, Professor an der The Scripps Research in La Jolla (Kalifornien), Dr. Andrew Rambaut, Professor an der University of Edinburgh, Dr. Edward Holmes, Professor an der University of Sydney und Dr. Robert Garry, Professor an der Tulane University School of Medicine.



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