Kriegsgefahr vor Augen: Taiwan wird zur „Gretchenfrage“ Deutschlands

Was hat Deutschland aus dem Ukraine-Krieg gelernt? Droht mit einem möglichen Taiwan-Konflikt ein weiterer Supergau für die Weltwirtschaft? Der Westen steht vor der „Gretchenfrage“, meint Taiwans Repräsentant in Berlin, Professor Shieh.
Bei seinem ersten Besuch als Kanzler in Asien hatte Olaf Scholz Ende April Japan besucht - und dabei einen Bogen um China gemacht. (Archivbild mit Xi Jinping aus dem Jahr 2017)
Archivbild Scholz mit Xi Jinping aus dem Jahr 2017.Foto: picture alliance / Carsten Rehder/dpa
Von 3. November 2022

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Der Bundeskanzler reist nach China zum „Führer“ Xi Jinping und hat auch gleich ein Geschenk mit dabei. Nach langem Hin und Her sprach Olaf Scholz ein Kanzlermachtwort zum geplanten und viel kritisierten COSCO-Hafen-Deal in Hamburg. Die Chinesen können jetzt zwar nicht mit gewichtigen 35 Prozent in das Hafenterminal Tollerort einsteigen, inklusive Geschäftsführerposten, aber sie haben mit 24,9 Prozent immerhin den Fuß in der Tür.

Und China ist ein Langzeitstratege. Das weiß auch Xi Jinping, auf dessen Bestreben hin 2013 die Initiative zur „Neuen Seidenstraße“ (Belt and Road) ins Leben gerufen wurde. Der kommunistische „Führer“ Chinas will damit den Glanz der alten Kaiserzeit für das ideologisch eingestaubte China zurückgewinnen. Auch die roten Träume von der Weltherrschaft hat die KP Chinas nie aufgegeben.

Scholz‘ Besuch in Peking könnte durchaus von Xi als Bestätigung seiner Regentschaft und neuen Politik gesehen werden. Viele befürchten, dass Deutschland, auf dem Weg die Abhängigkeit von Russland abzustreifen, noch tiefer in eine viel größere und gefährlichere Abhängigkeit gerät. Doch was wird sein, wenn China einen ähnlichen Schritt wie Russland macht und den lang befürchteten Angriff auf Taiwan startet?

Kriegsgefahr für Taiwan wächst

Zu Beginn des kürzlich in Peking abgehaltenen Parteitags der Kommunistischen Partei Chinas kündigte Staats- und Parteichef Xi Jinping an: Die „vollständige Wiedervereinigung des Vaterlandes“ müsse erreicht werden. Man werde sich auch nicht dazu verpflichten, dabei „den Einsatz von Gewalt aufzugeben“. Er schwor das Volk darauf ein, „starken Winden, schwerer See und selbst gefährlichen Stürmen standzuhalten“.

Was nach einer Woche folgte, war die vollständige Übernahme des nun 24-köpfigen Politbüros durch Xi-getreue Funktionäre und die dritte Wiederwahl Xis als Generalsekretär der KPC, ein Novum der Parteigeschichte. Der neue oberste Führungszirkel der sieben Mitglieder des Ständigen Ausschusses des Politbüros gibt Aufschluss auf die neue Ausrichtung Chinas: „Keines dieser Mitglieder des Ständigen Ausschusses ist in der Lage, wirtschaftliche Probleme zu lösen. Chinas Wirtschaft wird in Zukunft besorgniserregend sein“, erklärte Qin Peng, ein in den USA tätiger politisch-wirtschaftlicher China-Kommentator.

Jon Pelson, Autor des Buches „Wireless Wars: China’s Dangerous Domination of 5G and How We’re Fighting Back“, erklärte laut Epoch Times USA gegenüber dem US-Sender NTD: „Die Sorge ist, dass er jetzt, wo er seine Macht konsolidiert hat, entscheiden könnte, dass ich mein Zeichen setzen und mein Vermächtnis schaffen werde. Das ist ein beängstigender Gedanke für Taiwan. Das ist ein beängstigender Gedanke für die ganze Region und die ganze Welt.“

Taiwan – Volk mit großer Verteidigungbereitschaft

In Taiwan ist man sich der Gefahr durch den kommunistischen Nachbarn durchaus bewusst. Die Epoch Times fragte beim diplomatischen Vertreter der Republik China (Taiwan) in Berlin zur Verteidigungsbereitschaft der Bevölkerung Taiwans nach. Prof. Jhy-Wey Shieh ist der Repräsentant von Taiwan in der Bundesrepublik Deutschland. Aufgrund von Deutschlands Nichtanerkennung Taiwans als souveränen Staat gibt es auch keinen Botschafter.

„Groß ist die Verteidigungsbereitschaft der Taiwaner gegen die Bedrohung von China“, schrieb Professor Shieh, „vor allem [bei den] jüngeren Generationen.“ Mit der Invasion von Russland in der Ukraine sei diese Bereitschaft noch weiter angestiegen, einer Umfrage zufolge bis auf 70 Prozent, meinte Shieh. Dies, obwohl die Anzahl derjenigen, die Angst vor einem Kriegsausbruch hätten, auch zugenommen habe.

Der Taiwan-Repräsentant verwies noch auf einen Punkt, bei dem sich viele Menschen im Unklaren sind, nicht nur in Taiwan, auch in China – und aus anderem Blickwinkel sogar weltweit: „Mann muss dabei aber auch den Umstand berücksichtigen, dass die kulturelle, familiäre und wirtschaftliche Verwicklung zwischen Taiwan und China so eng ist, dass viele leider nicht in der Lage sind, China von der Chinesischen Kommunistischen Partei zu unterscheiden.“

EU-Parlament und Bundestag unterstützen Taiwan

Am 15. September verabschiedete das Europaparlament die Resolution 2022/2822, die sich mit der Lage in der Meerenge von Taiwan und den hegemonialen Ansprüchen Chinas auseinandersetzt. Darin wurden Chinas Militärübungen seit Anfang August in der Straße von Taiwan „aufs Schärfste“ verurteilt. Dem EU-Parlament zufolge hätten diese „ein noch nie dagewesenes Ausmaß erreicht“.

Man forderte von China von allen Maßnahmen abzusehen, die die Straße von Taiwan und die regionale Sicherheit destabilisieren könnten. Man bekräftigte zudem das „Engagement der internationalen Gemeinschaft für die Aufrechterhaltung der auf Regeln basierenden internationalen Ordnung, des Friedens und der Stabilität in der Straße von Taiwan und in der Region“ und unterstrich, „dass es auf der demokratischen Insel Taiwan Sache des Volkes ist, zu entscheiden, wie es leben will“. Allerdings hat die Resolution nur einen empfehlenden Charakter an die EU-Kommission.

Ende Oktober und noch vor Olaf Scholz‘ Besuch beim „Führer“ in Peking, reiste eine Delegation des Menschenrechtsausschusses des Deutschen Bundestags nach Taiwan, traf sich unter anderem mit Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen.

Die Abgeordneten der Ampelparteien und der Union wollten sich nicht von Pekings Drohungen beeinflussen lassen: „Wenn wir uns einschüchtern lassen, dann wird China denken, na ja, die machen sowieso nichts“, erklärte Delegationsleiter Peter Heidt von der FDP. Denn dann werde die Gefahr, dass Taiwan gewaltsam vereinnahmt werde, immer größer. Heidt erklärte auch, dass es eine der Lehren aus dem Umgang mit Russland sei, dass Deutschland auch die Abhängigkeit von China verringern müsse. Für einen „großen Fehler“ halte es der FDP-Abgeordnete übrigens, „dass wir eine wichtige Infrastruktur wie den Hamburger Hafen an Chinesen verkaufen wollen“. Auch die Sicherheitsbehörden warnten vor diesem Schritt, sagte Heidt.

Taiwan wird zur „Gretchenfrage“ für den Westen

Nun aber besucht Olaf Scholz Xi Jinping, der in China immer mehr Macht um sich konzentriert und von den wirtschaftlichen Problemen des Landes möglicherweise mit einem Krieg gegen Taiwan ablenken will. Taiwan-Repräsentant Prof. Shieh verweist auf die Entwicklung Taiwans zu einer „vorbildlichen Demokratie in unserer Region“ und sieht den Westen vor einer „Gretchenfrage“: „Hochrangige Regierungsvertreter vom Westen werden langsam aber sicher vor der Wahl stehen: das von China belegte Tabu zu brechen oder ihr eigenes Herz mit gutem Gewissen.“ Man müsse nur den ersten Schritt wagen, so Shieh. Er sei zuversichtlich, dass dies komme. Man müsse dabei aber über seinen eigenen Schatten springen.

Jhy-Wey Shieh verwies darauf, dass der Westen verstehen müsse, „dass es bei den Diktaturen anders tickt als bei den Demokratien“. Demokratien charakterisierten die Bereitschaft, Kompromisse zu schließen und Zugeständnisse anzubieten. Diktatoren würden das aber als Beschwichtigungsversuche interpretieren, „und zwar weil man im Unrecht sei und einlenken müsse“.

Unter Pekings lauernden Blicken

Ob Xi Jinping den Besuch von Olaf Scholz und das Hamburg-Geschenk ebenso wertet, wäre möglich. Vielleicht bestärkt es Xi auch, seine Ambitionen gegenüber Taiwan weiter zu forcieren und einen Krieg anzufachen.

Für China ist in der Taiwan-Frage nicht nur der propagandistische Effekt der sogenannten „Wiedervereinigung“ wichtig. Taiwan ist auch der Sitz der letzten regulär gewählten Regierung Chinas, die vor der Machtübernahme durch die Kommunisten auf die Insel geflohen war.

Heute ist für die kommunistische Volksrepublik China ist die demokratische Republik China (Taiwan) ein abtrünniger Vasall. Aber auch aus wirtschaftlicher Sicht ist Taiwan begehrenswert. Taiwan beherbergt wichtige Hightechfirmen, wie etwa TSMC, UMC, Acer, HTC, MSI, ASRock, Asus, BenQ, Foxconn, um nur einige zu nennen.

TSMC beispielsweise, nach Intel und Samsung drittgrößter Halbleiterproduzent der Welt, ist gleichzeitig der größte unabhängige Auftragsfertiger für Halbleiter weltweit. TSMC produziert Chips unter anderem für AMD, Apple, Intel, Nvidia und Qualcomm – und vor den US-Sanktionen auch für Huawei. Die „Wirtschaftswoche“ berichtete im Oktober 2020 bereits, dass „Made in Taiwan“ vor 20 Jahren noch für Massenware minderer Güte gestanden habe, heute aber seien taiwanische Unternehmen entscheidende Qualitätslieferanten von Hightechkomponenten für die weltweite Computer- und Kommunikationsindustrie. Sie seien „gewissermaßen das Rückgrat einer ganzen Branche“.

Investition + Erpressung = Sanktionsschutz 

Zurück nach Deutschland. Der Hamburg-Deal und die weltweite Hafeninitiative Chinas haben durchaus einen anderen Hintergrund als den wirtschaftlichen. Rolf J. Langhammer, Ökonom am Kieler Institut für Weltwirtschaft, erklärte nach Angaben des US-Nachrichtenmagazin „Newsweek“: „COSCO ist wirklich der einzige Verlader in China.“ Das gebe dem Unternehmen eine enorme Kontrolle, sowohl über die chinesischen Exporteure als auch in den ausländischen Häfen. COSCO könne sagen: „Wenn Sie uns nicht erlauben, Partner in Ihrem Hafen zu sein, können wir verhindern, dass Waren aus China Ihren Hafen erreichen.“ Das könne nur ein Staatsunternehmen, so Wirtschaftsexperte Langhammer.

China wolle eine Position aufbauen, die stark genug sei, um sich vor Wirtschaftssanktionen zu schützen. Solche, wie sie die Welt gegen Russland nach seinem Einmarsch in der Ukraine verhängt habe. Und China habe lange damit gedroht, in Taiwan einzumarschieren, so der Kieler Professor.



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