Netto-Null-Industrie-Gesetz: EU-Pläne für „grüne“ Technologien und Rohstoffe

Die EU-Staaten wollen ihre Bemühungen für mehr Klimaschutz und wirtschaftliche Autarkie verstärken. In Brüssel stellten sie Pläne zum Netto-Null-Industrie-Gesetz vor – schnell melden sich kritische Stimmen zu Wort.
Netto-Null-Industrie-Gesetz: EU-Pläne für „grüne“ Technologien und Rohstoffe
Konferenzsaal im EU-Parlament in Brüssel.Foto: JOHANNA GERON/POOL/AFP via Getty Images
Von 19. März 2023

Die EU-Kommission präsentierte am Donnerstag (16. März) in Brüssel Pläne für zwei Schlüsselvorhaben zur Förderung von Klimaschutz und wirtschaftlicher Autarkie. Damit soll Europa bis 2030 gegenüber den USA und China wettbewerbsfähiger werden.

Zum einen will die EU „grüne“ Technologien als Antwort auf das milliardenschwere Subventionspaket der USA massiv ausbauen und finanziell fördern. Zum anderen soll Europa bei wichtigen Rohstoffen etwa für Handys oder Autobatterien vor allem von China unabhängiger werden. Scharfe Kritik an den Plänen kamen aus der Industrie und dem Europaparlament selbst.

Netto-Null-Industrie-Gesetz

Die Brüsseler Behörde stellte das sogenannte Netto-Null-Industrie-Gesetz (Net Zero Industry Act) vor. Zu Jahresbeginn hatte bereits Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen dieses angekündigt. Damit reagiert Brüssel auf das US-Inflationsreduzierungsgesetz (Inflation Reduction Act, IRA), das rund 370 Milliarden Dollar (rund 350 Milliarden Euro) für „saubere“ Technologien vorsieht.

Mit dem EU-Gesetzespaket will die EU bis 2030 rund 40 Prozent des jährlichen Bedarfs an „sauberen“ Technologien in der EU selbst produzieren. „Green-Tech“-Branchen können auf mehr Fördermittel und beschleunigte Genehmigungsverfahren hoffen.

Gefördert werden sollen Windkraft- und Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpen und grüner Wasserstoff, aber auch die Kohlenstoffspeicherung unter der Erde. Damit könne Europa bis 2050 der „erste klimaneutrale Kontinent werden“, versprach Vizekommissionspräsident Frans Timmermans.

Atomkraft ist mit im Paket

Auch die Atomkraft ist nach massivem Tauziehen hinter den Kulissen nun Teil des Pakets, mit dem die EU ihre Klimaziele erreichen will. Dies hatte vor allem Frankreich gefordert, atomkritische Regierungen wie die von Deutschland und Österreich lehnen das ab.

Eine kürzlich durchgeführte Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung zeigte, dass die deutsche Bevölkerung im Vergleich mit der Regierung weniger abgeneigt ist. Wegen des Streits der EU-Staaten hatte sich die Vorstellung der Pläne verzögert.

Die Atomenergie sei „sauber“, sagte nun der französische EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der das Projekt federführend verantwortet. Von den Plänen sollen laut dem Gesetzesvorschlag aber nur „fortschrittliche Technologien“ der vierten Generation profitieren. Dazu gehören Mini-Kernkraftwerke, die etwa Frankreich und Polen bauen wollen.

Unabhängigkeit von China

Zudem präsentierte die Kommission Pläne für eine größere Unabhängigkeit Europas von China bei wichtigen Rohstoffen. Künftig sollen nicht mehr als 65 Prozent des EU-Jahresverbrauchs aus einem einzigen Drittland stammen. Bisher bezieht die EU Seltene Erden oder Magnesium fast vollständig aus China.

Dafür sind neue Bergbauprojekte geplant, die zehn Prozent des EU-Bedarfs an wichtigen Rohstoffen decken sollen. Zudem ist eine Recyclingquote von 15 Prozent etwa für Lithium oder Seltene Erden geplant, die in Handys oder Autobatterien zum Einsatz kommen. Diese Zielmarken sind jedoch unverbindlich.

Darüber hinaus will die EU-Kommission eine „Wasserstoffbank“ gründen. Darunter versteht sich eine Auktionsplattform, bei der Hersteller von grünem Wasserstoff Finanzmittel bekommen können, um ihre möglicherweise teureren Produktionskosten als bei fossilen Energien auszugleichen.

Langfristig soll die grüne Wasserstoffproduktion dadurch rentabler werden und mehr private Investoren anziehen. Die EU will nach Kommissionsangaben bis 2030 zehn Millionen Tonnen grünen Wasserstoff selbst produzieren und weitere zehn Millionen Tonnen importieren.

Die Pläne aus Brüssel gehen nun zur Beratung an die EU-Staaten und das Europaparlament. Bei „grünen“ Technologien werden Kontroversen etwa zur Rolle der Atomkraft erwartet, wie EU-Diplomaten sagten.

Macht die Wirtschaftskrise die EU-Pläne zunichte?

Der Unternehmensberater und Autor Dr. Markus Krall sieht die Bemühungen des EU-Parlaments als sinnlos an. Auf Twitter schrieb er, dass eine bevorstehende Wirtschaftskrise sämtliche Pläne der EU rückgängig machen würde.

Tatsächlich erleben die Finanzmärkte derzeit eine ähnliche Situation wie zuletzt 2008. Neben der Silicon Valley Bank erlitten kürzlich auch mehrere andere große US-Banken einen Zusammenbruch.

Nur wenige Tage später kam ein Hilferuf der Credit Suisse an die Schweizer Notenbank, womit die Bankenkrise dann den europäischen Kontinent erreichte. Ein regelrechtes Bankenbeben erschütterte den Finanzmarkt. Die Aktien vieler Banken rauschten infolgedessen in den Keller.

Auch die Industrie reagierte teils mit Fundamentalkritik an den EU-Plänen. Der Verband der europäischen chemischen Industrie sprach von einem „Null-Industrie-Gesetz“, das in keiner Weise mit den US-Förderplänen vergleichbar sei. Die Brüsseler Denkfabrik Bruegel hatte die durchgesickerten Pläne schon vorab als „unverhohlen protektionistisch“ kritisiert, da dahinter das Prinzip „Europa zuerst“ stecke.

Der Umweltverband WWF forderte, dass weder die Atomkraft noch Kohlenstoffspeicherung als „Zukunftstechnologie“ gelten dürften. Ähnlich äußerten sich Grünen-Politiker im EU-Parlament. Der Vorsitzende der Europa-SPD, Jens Geier, erklärte dagegen, das Industriegesetz könne „langfristig Arbeitsplätze schaffen und den Ausbau von Europas nachhaltigen Industrien beschleunigen“.

(Mit Material von AFP)



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