Niederlande: Bürger- und Bauernbewegung vorerst stärkste politische Partei

Die Auszählung nach den Provinzwahlen in den Niederlanden läuft zwar noch, doch die Bürger- und Bauernbewegung hat bereits jetzt sechs von zwölf Provinzen sicher gewonnen.
Caroline van der Plas zu Erfolg der BBB-Partei: „Wir werden mitregieren“
Die BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas während der Verfolgung der Ergebnisse an einer Wahlabendveranstaltung am 15. März 2023.Foto: SEM VAN DER WAL/ANP/AFP via Getty Images
Von 16. März 2023

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Wie bereits von vielen erwartet hat die Bürger- und Bauernbewegung (BBB) bei den Provinzwahlen in den Niederlanden einen großen Erfolg zu verbuchen. Aus vorläufigen Ergebnissen, die in niederländischen Medien veröffentlicht wurden, geht hervor, dass die BBB 15 der 75 Sitze im Senat gewinnt. Damit ist die BBB zusammen mit der Kombination aus Arbeitspartei und Grünlinks (Partij van de Arbeid/GroenLinks), die ebenfalls 15 Sitze gewonnen hat, vorerst die stärkste politische Partei geworden.

Zum Stand Donnerstagmittag sind sechs von zwölf Provinzen ausgezählt. In Zeeland, Drenthe, Flevoland, Friesland, Overijssel und Groningen liegt die BBB vorne, sogar sehr deutlich. Und in weiteren fünf Provinzen, darunter Limburg, liegt sie in den Prognosen vorne. Nur in der Provinz Utrecht werden die Grünlinken (GroenLinks) auf Platz eins erwartet.

Politiker sprachen von einem politischen Erdbeben. Dabei werten sie das gute Ergebnis der BBB, die erstmals bei den Provinzparlamentswahlen antrat, als deutlichen Protest gegen Ministerpräsident Mark Rutte und dessen Vierparteienkoalition.

Rutte, der seit mehr als zwölf Jahren regiert, zeigte sich enttäuscht: „Das ist nicht der Sieg, auf den wir gehofft hatten.“ Die Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), unter dem Vorsitz Ruttes, wird voraussichtlich nur zehn Sitze gewinnen.

Caroline van der Plas: „Wir werden mitregieren“

Großer Jubel herrschte dagegen bei der Protestpartei BBB nach der Veröffentlichung der Prognosen. BBB-Vorsitzende Caroline van der Plas sprach von einem klaren Signal. „Sie können uns nicht länger ignorieren. Wir werden mitregieren.“

In einem Twitter-Post vom 15. März postet die BBB-Vorsitzende ein Foto, das sie selbst mit Ministerpräsident Mark Rutte am Vorabend der Wahlen zeigt. Darin blickt dieser mit großem Interesse auf ihr Mobiltelefon. Wohl im Hinblick auf die derzeitige politische Lage kommentiert van der Plas das Foto, als hätte Rutte dabei gedacht: „Was treibt diese Van der Plas da eigentlich?“

Bei den gestrigen Wahlen wurden nicht nur die Parlamente der zwölf Provinzen gewählt, sondern auch indirekt die Erste Kammer des nationalen Parlaments, was vergleichbar mit dem Deutschen Bundesrat ist. Die vier Koalitionsparteien kommen nach den Prognosen in der Ersten Kammer nur noch auf knapp ein Drittel (rund 30 Prozent) der insgesamt 75 Sitze.

Es ist zweifelhaft, ob Ruttes Regierung noch wichtige Gesetze zur Reform der Landwirtschaft, Klimaschutz und Asylpolitik durchsetzen kann. Das vorläufige Endergebnis wird im Laufe des Donnerstags erwartet.

BBB-Partei gewann nicht nur auf dem Land an Zuwachs

Hauptthema der Wahlen waren die angekündigten Umweltauflagen für die Landwirtschaft. Die niederländische Regierung will die Stickstoffemissionen, die unter anderem durch Düngemittel freigesetzt werden, bis 2030 um 50 Prozent reduzieren. Auch die Viehbestände sollen verringert werden. Bereits seit 2019 protestieren Landwirte gegen die Forderungen. Erst am vergangenen Wochenende waren in Den Haag erneut rund 25.000 Menschen auf die Straße gegangen.

Laut Sjaak van der Tak, dem Vorsitzenden des niederländischen Bauernverbandes (LTO), macht der Wahlausgang einen echten Richtungswechsel in der Politik notwendig, wie die Zeitung „agrarheute“ berichtete. „Die Regierung und die Provinzen müssen jetzt die großen Pläne – insbesondere den Umgang mit Stickstoff – anpassen, damit es mehr Unterstützung für diese Politik gibt“, forderte er.

Auch in den sozialen Medien wird der Erfolg der BBB-Partei gefeiert. So schreibt eine Twitternutzerin: „Niederlande […] Die niederländische Bauernpartei BBB ist zur stärksten Partei geworden. Das Land hat gesprochen und Mark Rutte muss die lächerliche Stickstoffpolitik aufgeben und mit sofortiger Wirkung zurücktreten.“

Dabei beschränken sich die Proteste jedoch nicht mehr nur auf den Ärger der Bauern, sondern spiegeln grundsätzlich die allgemeine Unzufriedenheit der Niederländer mit der Politik wider. So gewann die Protestbewegung BBB nicht nur in ländlichen Gebieten stark an Zulauf, sondern auch in den Städten. Erstmals war die BBB bei der Parlamentswahl 2021 angetreten. Damals erreichte sie ein Prozent der Stimmen. Nach den derzeitigen Prognosen käme sie auf etwa 19 Prozent.

Die Sozialdemokraten und die Grünen traten erstmals gemeinsam zur Wahl an und konnten leichte Gewinne verbuchen. Starke Verluste musste das Forum für Demokratie mit dem Parteivorsitzenden Thierry Baudet hinnehmen, das vor vier Jahren noch überraschender Wahlsieger war. Auch Geert Wilders mit seiner Partei für die Freiheit (PVV) verlor leicht.

Unzufriedenheit durch Mangel an bezahlbarem Wohnraum

Ein weiteres Schlüsselthema, über das die Bevölkerung klagt, sei der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, wie „The Guardian“ berichtet. Obwohl das Land für seine Haushaltsdisziplin bekannt sei, würden die Niederlande unter einer überraschenden Immobilienkrise leiden. So sorge sich zum Beispiel ein dort lebender Student: „In ein paar Jahren werde ich kein Student mehr sein, aber wohin soll ich gehen? Etwa zurück zu meinen Eltern? Ich habe 30.000 Euro Studienschulden, wie soll ich da etwas kaufen?“

So demonstrierten letzte Woche in Den Haag nicht nur Landwirte, sondern auch Bürger, die mit der Wohnungssituation unzufrieden sind. Diese überreichten dem Wohnungsminister Hugo de Jonge eine Petition mit 102.621 Unterschriften, in der bezahlbarer Wohnraum gefordert wurde.

Laut „The Guardian“ koste eine durchschnittliche Wohnung derzeit 424.681 Euro. Von 2015 bis 2021 sei das verfügbare Durchschnittseinkommen der Haushalte um 25 Prozent gestiegen, aber die Immobilienpreise um 63 Prozent in die Höhe geschossen, angeheizt durch niedrige Zinsen und einen landesweiten Mangel an 390.000 Wohnungen. Auf dem Höhepunkt des Immobilienbooms im vergangenen Jahr verzeichneten die Häuser in den Ballungszentren seit Ende 2013 einen Preisanstieg um mehr als 130 Prozent.

(mit Material von dpa)



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