Schottland: „Anti-Hass-Gesetz“ in Kraft – Kritiker befürchten eingeschränkte Redefreiheit

Ab dem 1. April tritt ein 2021 verabschiedetes „Anti-Hass-Gesetz“ in Schottland in Kraft. Kritiker befürchten, dass unter anderem Trans-Aktivisten dieses nutzen könnten, um missliebige Personen zum Schweigen zu bringen. Regierungschef Yousaf wiegelt ab.
Humza Yousaf, Erster Minister von Schottland,  spricht auf dem Sonderparteitag der Schottischen Nationalpartei (SNP) in der Caird Hall in Dundee.
Humza Yousaf, der Erste Minister von Schottland, hält das neue Anti-Hass-Gesetz für angemessen.Foto: Jane Barlow/PA/AP/dpa
Von 2. April 2024

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Am Montag, 1. April, tritt der sogenannte Hate Crime and Public Order (Scotland) Act 2021 in Schottland in Kraft. Nach teils kontroversen Debatten hatte das schottische Parlament das sogenannte Anti-Hass-Gesetz mit 82 zu 32 Stimmen beschlossen. Gegenstimmen gab es hauptsächlich aus den Reihen der Konservativen. Mit dem Gesetz wurde auch der Blasphemie-Paragraf abgeschafft, der zuvor über 175 Jahre hinweg nicht mehr zur Anwendung gekommen war.

Schottland ergänzt britisches Anti-Rassismus-Gesetz aus dem Jahr 1986

Das seit Mitternacht anwendbare Gesetz schafft einen neuen Tatbestand der „Aufstachelung zum Hass“ aufgrund dort genannter geschützter Merkmale. Dazu gehören Alter, Behinderung, Religion, sexuelle Orientierung, Transgender-Identität oder Intersexualität. Die Höchststrafe, die aufgrund des Gesetzes droht, beträgt sieben Jahre Haft.

Der Tatbestand ist dann erfüllt, wenn Aussagen getätigt oder Material übermittelt wird in der Absicht, Hass gegen eine Person oder Gruppe aufgrund der genannten Merkmale zu schüren. Dabei muss er sich in einer Weise verhalten, die „eine vernünftige Person als bedrohlich oder beleidigend ansehen würde“. Zudem tritt eine Strafverschärfung in Kraft, wenn eine nicht explizit im Gesetz genannte Straftat aus einem Hassmotiv heraus begangen wird.

In Großbritannien gibt es bereits seit 1986 ein Gesetz über die öffentliche Ordnung, welches das Schüren von Hass aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Nationalität oder ethnischer Zugehörigkeit verbietet. Im Fall des schottischen Gesetzespakets reicht nun auch „beleidigendes“ Verhalten aus, um dagegen zu verstoßen.

Regierungschef: Anti-Hass-Gesetz enthält Sicherungen zugunsten der Redefreiheit

Zudem muss die Staatsanwaltschaft nur noch nachweisen, dass eine Aufstachelung zum Hass als „wahrscheinlich“ angesehen wurde. Es ist nicht mehr der Nachweis einer Absicht nötig. Zudem gibt es kein Öffentlichkeitserfordernis mehr, sodass bereits Äußerungen in den eigenen vier Wänden umfasst sind.

Befürworter des Gesetzes wie Regierungschef Humza Yousaf machen deutlich, dass das Gesetz auch Schutzmaßnahmen zugunsten der Redefreiheit enthalte. So könne eine beschuldigte Person einen Nachweis erbringen, dass ihre Handlungen „angemessen“ gewesen seien. Zudem enthält das Gesetz einen Verweis auf Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser beinhaltet den Schutz von „Ideen, die beleidigen, schockieren oder stören“.

Die Ministerin für Opfer und Gemeinschaftssicherheit, Siobhian Brown, beteuert, das Gesetz komme tatsächlich nur dort zur Anwendung, wo es erforderlich sei. Um verurteilt zu werden, müsse man „wirklich bedrohlich und beleidigend sein, und es muss eine begründete Annahme von anderen geben, dass dies der Fall ist“.

Frauenfeindlichkeit im Gesetz nicht angesprochen

Kritiker sind gerade davon nicht überzeugt. Zwar treffe es zu, dass unter anderem aufgrund der Proteste von Künstlern und Religionsgemeinschaften einige Schutzbestimmungen zur Redefreiheit eingefügt worden seien, allerdings sei es beispielsweise nicht verständlich, warum zwar Trans- und Intersex-Identität in besonderer Weise geschützt seien, nicht aber das biologische Geschlecht.

Aus der Regierung hieß es daraufhin, dass es zum Schutz vor Straftaten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, etwa misogyn motivierten Angriffen, ein eigenes Gesetz geben werde. Dieses ist jedoch noch nicht in Sicht.

Yousaf betont, das Gesetz wahre das Gleichgewicht zwischen der Redefreiheit und dem Schutz besonders verwundbarer Gruppen. Dessen sind sich andere jedoch nicht ganz so sicher.

Schottlands Trans-Lobby droht J. K. Rowling mit Anzeigenwelle

Selbst Feministinnen früherer Generationen sehen sich durch das Anti-Hass-Gesetz ins Visier genommen. Sie befürchten, dass die neuen Regelungen in Schottland böswillig gegen sie eingesetzt werden könnten, unter anderem dann, wenn sie sich kritisch über die Genderideologie äußern.

Einige Trans-Aktivisten haben bereits angekündigt, Anzeigen gegen die „Harry Potter“-Autorin J. K. Rowling nach dem neuen Gesetz erstatten zu wollen. Diese hatte sich mehrfach dagegen ausgesprochen, Transfrauen biologischen Frauen gleichzustellen.

Der ehemalige Tory-Abgeordnete und Vorsitzende des Justizausschusses des Holyrood-Parlaments, der an der Ausarbeitung des Entwurfs beteiligt war, äußerte:

„Die Behauptung, dass das Geschlecht eine biologische Tatsache ist oder dass es sich nicht allein durch das Geschlecht bestimmt, mit dem sich jemand identifiziert, ist kein Hassverbrechen und kann es auch nie sein.“

Polizei protokollierte auch „nicht strafbares Hass-Verhalten“

Zweifel bleiben dennoch. So verwies der konservative Abgeordnete Murdo Fraser darauf, dass die Polizei auch sogenannte Hass-Vorfälle protokolliere, die nicht die Strafbarkeitsschwelle erreichten. Dies sei ihm sogar selbst bereits widerfahren – aufgrund eines Social-Media-Beitrags, in dem er schrieb:

„Die Entscheidung, sich als ‚nicht-binär‘ zu identifizieren, hat denselben Wert wie die Entscheidung, sich als Katze zu identifizieren.“

Die Polizei rechtfertigte solches Monitoring als bewährt zur Überwachung von Spannungen innerhalb einer Gemeinschaft. Allerdings zeigte sie sich bereit, die Praxis zu überprüfen. Grund dafür ist, dass ein Berufungsgericht festgestellt hatte, dass eine ähnliche Politik in England eine abschreckende Wirkung auf die Meinungsfreiheit haben könnte.

Insgesamt ist auch Schottlands Polizei wenig glücklich mit dem Gesetz. Die Association of Scottish Police Superintendents beklagt jetzt schon Überlastung und mangelnde Schulung im Kontext von Hass im Internet. In einer Erklärung heißt es, es gebe jetzt schon „genug Wut und Gift und Galle im Internet, um jeden Polizeibeamten in Schottland zu beschäftigen“.



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