WHO will Entwicklung von Tuberkulose-Impfstoffen beschleunigen

Seit Herbst 2023 gibt es ein Gremium, das ausschließlich die zügige Entwicklung von Vakzinen gegen Tuberkulose im Blick hat. Der Rat tagte in der vergangenen Woche am Rande der 77. Weltgesundheitsversammlung in Genf.
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Die Weltgesundheitsorganisation treibt die Entwicklung weiterer Impfstoffe gegen Tuberkulose voran.Foto: iStock | Bet_Noire | 3d illustration
Von 10. Juni 2024

Um die Entwicklung, Zulassung, den Zugang und den Einsatz neuer Impfstoffe gegen Tuberkulose (TB) zu beschleunigen, hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Herbst 2023 eine neue Abteilung gegründet. Sie trägt den Namen TB Vaccine Accelerator Council (Rat für Beschleunigungsverfahren von Tuberkulose-Impfstoffen).

Gates-Stiftung und Gavi als Partner

Am Rande der 77. Weltgesundheitsversammlung, die vom 27. Mai bis 1. Juni 2024 in Genf stattfand, tagte das Gremium zum zweiten Mal. Auf der Internetseite der WHO ist die Rede von einer „hochrangigen Tagung“. Dabei waren Minister und Vertreter aus den USA, Frankreich, Brasilien, Indonesien, Vietnam, Philippinen und Südafrika. Die WHO listet zudem „Partnerorganisationen“ wie die Europäische Investitionsbank, die Gates-Stiftung, die Impfallianz Gavi, den Wellcome Trust und die Weltbank als Teilnehmer auf. Die Namen der offiziellen Mitglieder finden sich auf der Seite der Weltgesundheitsorganisation.

Um die eingangs aufgeführten Ziele zu erreichen, einigten sich die Teilnehmer auf drei Maßnahmen, um die Arbeit in den kommenden zwei Jahren voranzutreiben.

Zunächst soll es eine Diversifizierung des TB-Impfstoffportfolios geben. Dies solle mithilfe einer beschleunigten Umsetzung „vielversprechender Entdeckungen in Impfstoffe, die weltweit eingesetzt werden können“ geschehen. Wirksame Finanzierungsstrategien und eine verstärkte Zusammenarbeit sind weitere Bausteine dieser Maßnahme.

Beschleunigt werden sollen auch Marktlösungen durch die Schaffung von Anreizen für die Entwicklung neuer TB-Vakzine. Themen wie nationale Verpflichtungen, Technologietransfer, Handel und geistiges Eigentum sollen dabei berücksichtigt werden. Die Einführung neuer Impfstoffe gegen Tuberkulose will die Gruppe durch Förderung, Finanzierung einer „umfassenden Lernagenda“ zwecks Vorsorgeunterstützung, die Rationalisierung „regulatorischer Prozesse“ und den globalen Zugang erleichtern.

Tedros: Tuberkulose durch Pandemie in den Hintergrund gerückt

Zudem vereinbarte der Rat im Verlauf seiner Sitzung, im kommenden Jahr eine Konferenz zur Finanzierung von TB-Impfstoffen einzuberufen. Dabei wollen die Mitglieder Optionen für die Beschaffung und Finanzierung von Produkten für einen „rechtzeitigen und gerechten Zugang“ erarbeiten. Des Weiteren einigte sich der Rat darauf, politische und technische Dialoge durch bestehende und neue Kooperationen wie Arbeitsgruppen, Länderworkshops und geplante TB-Veranstaltungen zu nutzen, um den Weg zur Konferenz zu ebnen.

Die Gründungssitzung des Rates fand am 20. September 2023 anlässlich der 78. Tagung der Generalversammlung der Vereinten Nationen statt. Im Januar desselben Jahres hatte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus die Installation eines solchen Gremiums angekündigt. Der Äthiopier führte als Grund die negativen Auswirkungen der COVID-19-Pandemie an. Diese habe zu einer Vernachlässigung der Tuberkulosebehandlungen geführt und somit die „Dringlichkeit der Impfstoffentwicklung“ in den Mittelpunkt gerückt.

„Eine der wichtigsten Lehren aus der Reaktion auf die COVID-19-Pandemie ist, dass innovative Gesundheitsmaßnahmen schnell durchgeführt werden können, wenn sie politisch priorisiert und angemessen finanziert werden“, so Tedros. Die Herausforderungen, die TB und COVID-19 mit sich brächten, seien zwar unterschiedlich, doch die „Zutaten“, die Wissenschaft, Forschung und Innovation beschleunigten, seien dieselben. Der WHO-Generaldirektor nannte in dem Zusammenhang öffentliche Investitionen; Unterstützung von Philanthropen sowie Engagement des Privatsektors. Ziel ist es, die Tuberkulose bis 2035 auszurotten.

STIKO empfiehlt Impfung seit 1998 nicht mehr

Laut Tedros erkrankten 2021 weltweit etwa 10,6 Millionen Menschen an der Krankheit, 1,6 Millionen starben. Arzneimittelresistenzen seien nach wie vor „ein großes Problem“. So erkrankten alljährlich fast eine halbe Million Menschen, weil die Medikamente nicht wirkten.

Derzeit gebe es mit BCG (Bacillus Calmette-​Guérin) nur einen zugelassenen Impfstoff. Er biete aber nur eine mäßige Wirksamkeit“ für Säuglinge und Kleinkinder bei der Vorbeugung schwerer Formen. Jugendliche und Erwachsene, „die für fast 90 Prozent der TB-Übertragungen verantwortlich sind“, würden hingegen nicht ausreichend geschützt. Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt wegen der geringen Wirksamkeit keine Tuberkulose-Impfung in Deutschland, schreibt das Universitätsklinikum Ulm (UKU) auf seiner Internetseite. Bereits 1998 zog die STIKO ihre Empfehlung zurück und begründete dies damals außerdem mit einem geringen Infektionsrisiko in Deutschland und „nicht selten unerwünschten Nebenwirkungen.

EU fördert Forschung nach Impfstoffen mit 9,3 Millionen Euro

Das Ulmer Klinikum berichtet zudem von der Entwicklung weiterer Impfstoffe gegen die Krankheit. Das Projekt trägt den Namen „Improving understanding of lung immunity in tuberculosis to establish a diverse innovative tuberculosis vaccine pipeline targeting mucosal immunity“.

Beteiligt sind 19 Forschergruppen aus neun Ländern der Europäischen Union (EU), Großbritannien und der Schweiz. Sie haben unterschiedliche Schwerpunkte und forschen in verschiedene Richtungen – von proteinbasierten Impfstoffen bis zu mRNA-​Impfstoffen. Das internationale Projekt (Dauer von 2023 bis 2027) fördert die EU (Horizon European Framework / Health) mit insgesamt 9,3 Millionen Euro. An das UKU fließen 500.000 Euro.

Hersteller des Vakzins BCG ist der deutsche Pharmakonzern medac. 1970 gegründet, befindet er sich laut der Plattform Wikipedia vollständig im privaten Besitz und beschäftige (Stand 2020) rund 2.100 Mitarbeiter. Der Umsatz betrug 2020/21 etwa 523 Millionen Euro. Der Lebendimpfstoff kommt in 173 Ländern zum Einsatz und steht auf der Liste der unentbehrlichen Arzneimittel der Weltgesundheitsorganisation. In Deutschland wird BCG lediglich noch bei Blasenkrebs verwendet.



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