Wie Deutschlands Rolle im Russland-Ukraine-Konflikt wächst

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und US-Präsident Joe Biden wollen am 9. Februar über Wege für eine weitere Unterstützung der Ukraine sprechen. Widerstand wird von den Republikanern erwartet. Sollte Donald Trump Biden ablösen, könnte auf Scholz eine Führungsrolle zukommen.
US-Präsident Joe Biden (l) und Bundeskanzler Olaf Scholz wollen sich am Freitag in Washington treffen.
Das Archivbild zeigt US-Präsident Joe Biden (l.) und Bundeskanzler Olaf Scholz bei einem früheren Treffen.Foto: Michael Kappeler/dpa
Von 9. Februar 2024

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist am Donnerstag mit allerlei Ballast im Gepäck nach Washington gereist: Die Umfragewerte seiner Ampelkoalition sind im Keller, die deutsche Wirtschaft steckt mitten im Abschwung, und seine wohl wichtigsten Minister Habeck und Lindner ringen um Lösungen, die zugleich die Straßenproteste des Mittelstands möglichst schnell zum Erliegen bringen sollen. Zudem steht noch immer die Frage nach den Urhebern der Zerstörung der Nord Stream-Gaspipelines im Raum.

Doch wenn Scholz am Nachmittag des 9. Februar 2024 im Weißen Haus auf US-Präsident Joe Biden trifft, wird es vorwiegend um Art und Ausmaß der Hilfsleistungen für die Ukraine gehen. Agenturangaben zufolge sollen auch der Nahostkonflikt und das 75-Jahre-NATO-Jubiläum im Juli zur Sprache kommen. Nach Angaben des „Tagesspiegel“ will sich Biden für all das eine Stunde Zeit nehmen. Eine anschließende Pressekonferenz sei nicht geplant – offiziell aus Zeitgründen.

Scholz wirbt bei Senatoren beider Parteien um Hilfe

Nach Angaben der „Tagesschau“ hatte Scholz bereits in der Nacht zum Freitag kurz nach seiner Ankunft in Amerika „bei einem Dinner mit US-Parlamentariern [des Senats] für weitere Ukraine-Hilfen“ geworben. Einen entsprechenden Tweet hatte der Kanzler auf der Plattform X abgesetzt. Im Lauf des Freitagmorgens steht laut „Tagesspiegel“ zudem ein Treffen „mit Wirtschaftsvertretern“ auf seinem Terminkalender.

Wie das „Handelsblatt“ (Bezahlschranke) berichtet, hatten sich die Demokraten und Republikaner im US-Senat wenige Stunden vor Scholz‘ Ankunft doch noch darauf geeinigt, einen Entwurf über ein Gesetzespaket zur Abstimmung zuzulassen. Es gehe dabei um „rund 60 Milliarden US-Dollar (knapp 56 Milliarden Euro) Militärhilfe für die Ukraine und 14 Milliarden US-Dollar für Israel“. Die Verabschiedung sei aber „keineswegs gesichert“. Und auch wenn das Paket den Senat passieren sollte, müsse es noch die Hürde Repräsentantenhaus überspringen, der zweiten Kammer des US-Kongresses. Dort sind die Republikaner leicht in der Überzahl. „Abgeordnete vom rechten Rand“ hätten „bereits angekündigt, gegen weitere US-Hilfe für die Ukraine stimmen zu wollen“, schreibt das „Handelsblatt“.

Tags zuvor war das Vorhaben im US-Senat laut „Tagesschau“ noch an der mangelnden Zustimmung durch die Republikaner im Senat gescheitert. Sie hätten verlangt, dass „die Finanzierung der Sicherung an der US-Grenze zu Mexiko an das Geld für die Konflikte im Ausland gekoppelt“ werde. Der „demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer“, habe daraufhin eine „schnelle zweite Abstimmung“ in die Wege geleitet, in der es ausschließlich „um die Auslandshilfen gehen“ sollte.

Verhandlungen? Putin sieht USA in der Pflicht

Nach Einschätzung der „Tagesschau“ könnte das zweistündige Interview des freien US-Journalisten Tucker Carlson mit Wladimir Putin, das Carlson am 6. Februar geführt hatte, „Wasser auf die Mühlen der Republikaner am rechten Rand“ sein, die nicht noch mehr Geld für die Ukraine locker machen wollen.

Putin hatte betont, dass „Russland […] nicht der Aggressor“ sei, sondern „dass es notwendig gewesen sei, russischsprachige Einwohner der Ukraine zu schützen“. Es gelte zu verhindern, dass das Nachbarland „Ukraine nach einem eventuellen NATO-Beitritt eine Bedrohung für Russland darstellen könne“, zitiert ihn die „Tagesschau“. Putin sei zu Verhandlungen über die Ukraine bereit. Seiner Ansicht nach liege es an den USA, keine Waffen mehr zu liefern. Dann könnten die Kämpfe bereits „in ein paar Wochen“ enden.

Putin beabsichtige nach eigener Aussage keineswegs, etwa nach Polen einzumarschieren, solange Russland nicht selbst von dort aus angegriffen wird. Auch gegenüber Lettland oder anderen europäischen Staaten gebe es keine Eroberungspläne aus Moskau.

Das komplette Interview von Carlson mit Putin in englischer Sprache ist auf X zu sehen. Hier gibt es eine Version mit deutschen Untertiteln (rechts unten im Bild „UT“ anklicken).

Kanzler: „Müssen alles in unserer Macht Stehende tun“

Scholz hatte kurz vor seinem Abflug einen Gastbeitrag für das „Wall Street Journal“ (WSJ) verfasst, in dem er in gewohnter Manier um eine Fortführung der Ukraine-Hilfe durch die USA warb:

Wir müssen alles in unserer Macht Stehende tun, um einen Sieg Russlands zu verhindern. Tun wir dies nicht, könnten wir uns bald in einer Welt wiederfinden, die sogar noch instabiler, bedrohlicher und unberechenbarer ist als während des Kalten Krieges.“

Mittlerweile, so Scholz, sei die EU „mit einem Beitrag von über 91 Milliarden US-Dollar seit Kriegsbeginn“ zum „größten finanziellen Unterstützer der Ukraine“ geworden, „gefolgt von den USA und Deutschland“. Die Bundesrepublik stehe in puncto „militärische Unterstützung“ auf Platz zwei nach den USA:

Seit Kriegsbeginn hat meine Regierung militärische Ausrüstung einschließlich Panzer, Artillerie und hochwertige Flugabwehrsysteme im Wert von über 30 Milliarden US-Dollar bereitgestellt, beschafft und geliefert. Und zwar zusätzlich zu Deutschlands nichtmilitärischer Unterstützung, unter anderem die Aufnahme von über einer Million ukrainischer Flüchtlinge, und zu unserem Anteil an der Unterstützung durch die Europäische Union.“

Deutschland „nicht im Krieg mit Russland“

„Desinformationskampagnen“ müsse man entgegentreten, so Scholz, indem man „die Menschen diesseits und jenseits des Atlantiks“ davon überzeuge, „dass ein russischer Sieg die Welt zu einem viel gefährlicheren Ort machen würde“. Sollte Moskau obsiegen, würde das „unsere Haushalte belasten und gleichzeitig unser aller Freiheit und Wohlstand bedrohen“.

Andererseits sehe er Deutschland „nicht im Krieg mit Russland“. Man suche auch „keine Konfrontation“: „Wir werden uns jedem Versuch widersetzen, die Nordatlantikvertrags-Organisation in Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine hineinzuziehen“, versprach der Kanzler. „Unterstützung, Einigkeit und Entschlossenheit“ für die Ukraine müsse „aufrechterhalten“ bleiben. Nur das könne zu „einem dauerhaften Frieden“ beitragen.

Werden nach der US-Wahl die Karten neu gemischt?

Der frühere US-Präsident Donald Trump gehört weder zu den Befürwortern weiterer Kampfhandlungen in der Ukraine noch zu den größten NATO-Fans. Der wohl chancenreichste Präsidentschaftskandidat der Republikaner hatte bereits im Januar 2023 angekündigt, im Fall einer Wiederwahl im November 2024 den Krieg in der Ukraine innerhalb von 24 Stunden beenden zu können. Während seiner Amtszeit (2017 bis 2021) hatte Trump keine neuen Kriege begonnen und ein gutes Verhältnis zu Moskau gepflegt.

Die „Zeit“ geht davon aus, dass „die Ukraine bei einer erneuten Wahl Trumps ganz sicher auf keinerlei Hilfen aus den USA mehr hoffen“ könnte. Womöglich könne Trump sogar beabsichtigen, „die USA aus der NATO zu führen“. Am Ende könne Scholz damit die Rolle zufallen, „die Führung der Unterstützerkoalition der Ukraine zu übernehmen“. Dann müsse Scholz sich noch einmal mit der Frage beschäftigen, doch noch Taurus-Marschflugkörper für die Ukraine freizugeben.

Nach Informationen des „Münchner Merkur“ glaubt der polnische Präsident Andrzej Duda an Trumps Ankündigung. Bislang habe Trump ihm gegenüber stets alle Versprechen gehalten. Andererseits, so der „Merkur“, habe Trump bisher zwei Einladungen des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ausgeschlagen. Zur Begründung habe Trump erklärt, dass ein Besuch in Kiew „angesichts der Arbeit von Präsident Joe Biden in der Ukraine zu einem ‚Interessenkonflikt‘ führen könnte“.

Der polnische Regierungschef Donald Tusk sei allerdings weniger gut auf die US-Republikaner zu sprechen, weil diese neue Finanzhilfen für die Ukraine jüngst abgelehnt hatten: Die Senatoren sollten sich „schämen“, meinte Tusk auf X.

Laut „Merkur“ glauben „die beiden Kriegsparteien“ Ukraine und Russland nicht so recht daran, dass Trump den Frieden bringen könnte. Selenskyj habe Trumps 24-Stunden-Versprechen als „sehr gefährlich“ bezeichnet. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow habe geäußert, dass „Russland ‚kein Verständnis dafür‘“ habe, „wie Trump den fast zweijährigen Konflikt beenden könnte“. Aktuell stehe der Kreml nicht mit Trump in Kontakt, was dessen „Verhandlungspläne“ betreffe.

EU machte Weg für weitere 50 Milliarden frei

Das EU-Parlament und der EU-Ministerrat hatten bereits am 1. Februar 2024 grünes Licht für ein 50-Milliarden-Euro-Paket zugunsten Kiews für die Zeit bis einschließlich 2027 gegeben. Nach Angaben der „Frankfurter Allgemeine“ ist die Absegnung nur noch Formsache. Demnach sollen 33 Milliarden als Kredit gewährt werden, die restlichen 17 Milliarden sollen aus dem EU-Haushalt kommen.

Weitere vier Milliarden sollen unter anderem für „Migration, Grenzkontrollen und die Nachbarschaftspolitik“ und „für den Europäischen Verteidigungsfonds“ aufgebracht werden. Deutschland werde rund ein Viertel der neu zu tragenden 21 Milliarden beisteuern, also etwa fünf Milliarden. Bundeskanzler Scholz hatte gegenüber der Presse kurz nach dem EU-Ratsgipfel keine näheren Angaben darüber machen können und ist einem Journalisten abrupt ins Wort gefallen (Video auf X).

Regierung bereitet Großgerät-Lieferung vor

Nach einem Bericht der „Frankfurter Rundschau“ (FR) arbeitet die Bundesregierung schon „am nächsten riesigen Waffenpaket für die Ukraine“. Mit Stand 31. Januar 2024 habe Deutschland allein Waffen im Wert von 17,13 Milliarden geliefert. Demnächst sollten neben Munition weitere 105 Kampfpanzer Leopard 1A5, 30 Schützenpanzer des Typs Marder, 18 gepanzerte Personentransporter, 15 weitere Gepard-Flugabwehrkanonenpanzer und neun Luftverteidigungssysteme vom Typ IRIS-T SLM auf die Reise gehen, wie aus der „Übersicht über militärische Unterstützungsleistungen“ hervorgeht, die auf der Website der Bundesregierung einzusehen ist. Die Leopard-Panzer und die Marder könnten zum Aufbau einer „geschlossenen Panzerbrigade“ dienen, schreibt die FR. Und weiter:

Die aktuelle Auflistung sowie die weiteren Waffen-Lieferungen deuten darauf hin, dass die ukrainischen Streitkräfte gegen die Invasion durch Russland in Zukunft wohl mit geschlossenen Großverbänden agieren wollen“.

Wer bislang wie viel Waffen, Finanzhilfe oder auch humanitäre Hilfe für die Ukraine bereitgestellt hat, ist den Seiten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft zu entnehmen. Dort unterhält das Institut einen „Ukraine Support Tracker“.



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