Alle gegen Habeck: Niedersachsen will mehr Zeit, Kommunalverband mehr Geld

Der Städte- und Gemeindebund fordert angesichts der hohen Kosten für neue Heizungsanlagen mehr Hilfe vom Bund. Der niedersächsische Wirtschaftsminister verlangt mehr Zeit für das neue GEG. Wirtschaftsminister Habeck aber drückt auf die Tube.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne, Archivbild) hält weiter an seinem umstrittenen Gebäudeenergiegesetz (GEG) fest. Er sieht es als „Meilenstein in der deutschen Klimapolitik“.Foto: Maja Hitij/Getty Images
Von 9. Mai 2023

Die Ampelregierung bekommt immer mehr Gegenwind von Städten und Gemeinden. Nicht nur in der Asylpolitik gehen die Positionen auseinander – auch die Heizungstauschpläne aus dem Bundeswirtschaftsministerium stellen die politische Basis in den Kommunen vor hohe finanzielle und logistische Herausforderungen.

Niedersachsen will drei Jahre Zeit

Der niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) sieht nach Angaben des NDR schon jetzt keine reale Chance mehr, das neue Heizungsgesetz zum 1. Januar 2024 in Kraft treten zu lassen. Da noch „zahlreiche Fragen“ unbeantwortet seien, brauche es mehr Zeit. Lies plädierte darauf, die Angelegenheit deshalb um drei Jahre zu verschieben.

Aus seiner Sicht sei es außerdem „abwegig“, Ausnahmeregelungen für Immobilieneigentümer zuzulassen, die über 80 Jahre alt seien. „Wir sollten besser in Ruhe und allgemein noch mal schauen, wo es zu Härtefällen kommen kann, welche Ausnahmen wir definieren müssen und wo eine staatliche Unterstützung notwendig ist“, schlug Lies im Gespräch mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ vor.

Milliardenaufwand für die Kommunen

Wie die „ZEIT“ berichtet, rechnet der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) mit Kosten von acht Milliarden Euro, um 135.000 der insgesamt rund 180.000 kommunalen Schulen, Krankenhäuser, Sporthallen und Verwaltungsgebäude bis zum Jahr 2045 auf jenen technischen Stand umzurüsten, der Habeck, Graichen und Co. vorschwebt – nämlich ohne Öl und Gas für die Wärmeerzeugung.

Pro Heizungsanlage müssten im Schnitt 60.000 Euro für die Transformationspolitik aufgewendet werden. Das habe der DStGB nach Angaben der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ (Bezahlschranke) ermittelt.

Kommunalverband sieht Bund in der Pflicht

Gerd Landsberg, der Hauptgeschäftsführer des DSG, habe deshalb eine „umfassende“, „verlässliche“ und „langfristige“ finanzielle Unterstützung gefordert. Dafür ist aus Sicht des DStGB eine „entsprechende Änderung des Art. 91a GG“ notwendig, der die Mitwirkungspflichten des Bundes regelt.

Bislang tauchten die Kommunen nicht auf der Liste der förderungsberechtigten Immobilieneigentümer auf, bemängelte Landsberg. Dabei bedeute der jährliche Investitionsbedarf von 400 Millionen Euro allein für rund 7.000 neue Heizungsanlagen „enorme“ Mehrkosten. Ganz zu schweigen von den Sanierungsarbeiten an den Gebäuden. „Fast 60 Prozent“ der kommunalen Immobilien seien heute mindestens 45 Jahre alt, gab Landsberg zu bedenken.

Nach Angaben des DStGB unternähmen die Kreise, Städte und Gemeinden schon länger „erhebliche kommunale Anstrengungen“, um „die Klimaschutzziele zu erreichen“. Allein 2021 seien „im Kernhaushalt“ knapp vier Milliarden Euro „an Investitionen für Klimaschutz und Klimaanpassung“ bezahlt worden. 52 Prozent der Kommunen hätten bereits in den vergangenen drei Jahren „energetisch“ saniert, 32 Prozent Photovoltaikanlagen angeschafft oder ausgebaut und 22 Prozent hätten ihre Beleuchtung auf LED umgestellt, um nur einige Maßnahmen zu nennen.

Leere Kassen und Investitionsrückstand

Sechs von zehn Kommunen gingen davon aus, dass sie das Geld für „die erforderlichen Investitionen“ nicht vollständig werden tragen können, berichtet der DStGB. Immerhin bestehe bereits jetzt ein kommunaler „Investitionsrückstand von zuletzt 159 Mrd. Euro“.

Nahezu alle Verbandsmitglieder wünschten sich deshalb „vereinfachte Förderprogramme“ und „eine bessere Finanzausstattung“. Die Mehrheit der kommunalen Verantwortungsträger wünsche sich auch „gezieltere Förderprogramme“ und ein „vereinfachtes Vergaberecht“. Nicht alle Kommunen sähen dagegen den „Klimaschutz als Pflichtaufgabe“ an: 43 Prozent hielten das nicht für relevant – gegenüber 34 Prozent, für die das Thema „teilweise“, und 24 Prozent, für die es „sehr“ relevant sei.

„Aktuell ist nicht absehbar, dass sich dies nach den vorhandenen Rahmenbedingungen finanziell und personell realisieren lässt“, resümiert der DStGB. Und weiter:

Länder und der Bund müssen ihrer Verantwortung für eine aufgabenadäquate Finanzausstattung nachkommen, die den Kommunen ermöglicht, Investitionen tätigen zu können. Damit würde im Übrigen auch an die Bauwirtschaft ein wichtiges Signal zum weiteren Kapazitätsausbau gesendet werden. Beide, Bauwirtschaft wie Kommunen, brauchen Planungssicherheit. Nur so kann der Transformationsprozess, der Bürgerschaft und Wirtschaft gleichermaßen mitnimmt, gelingen.“

Habeck: „Meilenstein in der deutschen Klimapolitik“

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist vom Gesetzentwurf für das geplante Gebäudeenergiegesetz (GEG) trotz der breiten Zweifel aus Politik und Gesellschaft offenbar überzeugter denn je. Es handele sich um einen „Meilenstein in der deutschen Klimapolitik“ und um ein „großes Gesetz, das über Jahrzehnte eine Wirkung entfalten wird“, meinte der „Energiewende“-Minister zuletzt im „Deutschlandfunk“. Außerdem gehe er davon aus, dass die Wärmepumpen „günstiger“ würden, auch wenn die Nachfrage steige: „Die Skalierung, die Menge macht es und die Produktionskapazitäten werden ja deutlich erhöht“, argumentierte Habeck.

Es sei allerdings „nicht gelungen“, „die Bedeutung des Gesetzes und auch die soziale Flankierung deutlich zu machen sowie die falschen Unterstellungen hinreichend klar zurückzuweisen“, räumte Habeck ein.

„… an der Grenze dessen, dass es logisch nicht mehr aufgeht“

Dass die Umfragewerte für die Grünen zuletzt gesunken seien, müsse er angesichts seines eigenen „Amtsverständnisses“ in Kauf nehmen, denn dazu gehöre auch, „schwierige Entscheidungen“ zu treffen. Dies hätten die Vorgängerregierungen anders als er jahrelang versäumt.

Wäre 2022 nicht die Energiekrise gekommen, so hätte er seinen GEG-Entwurf am liebsten noch früher eingebracht, so Habeck. Die aktuellen Diskussionen um Kosten für Privathaushalte und Zuschüsse seien zumindest teilweise „richtig“ und „notwendig“, am Ende aber müsse gehandelt werden:

Wenn man sagt, die Debatte ist schwierig und die Konsequenz ist, dann lass uns lieber keine Debatte führen, also kein Gesetz machen, also weiter Öl- und Gasheizungen einbauen; dann sollte man auch irgendwann aufhören zu sagen, wir werden Klimaschutz ernst nehmen oder klimaneutral 2045 sein, weil es einfach logisch nicht mehr aufgeht. Und wir sind schon an der Grenze dessen, dass es logisch nicht mehr aufgeht.“

Eine „gerechtere“ Förderungslösung mit einem für alle gleichen Förderungsprozentsatz, der dann aber je nach Einkommen unterschiedlich zu versteuern wäre, sei mit dem Finanzministerium nicht machbar gewesen, stellte Habeck klar. Er könne es deshalb „nur begrüßen“, wenn „es im Parlament gelingt, da weiterzukommen“.

Um die Finanzierung aus Haushaltsmitteln müsse man sich keine Sorgen machen, versicherte Habeck: Diese passe „in den Klima- und Transformationsfonds“. Es handele sich lediglich um „niedrige einstellige Milliardenbeträge pro Jahr“, die zudem „nur für eine begrenzte Zeit“ ausgegeben werden müssten.

Rund 20 Millionen Haushalte irgendwann betroffen

Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums heizt derzeit beinahe die Hälfte der rund 41 Millionen Haushalte in Deutschland mit Erdgas, gefolgt von Heizöl mit knapp 25 Prozent und Fernwärme mit gut 14 Prozent. Stromdirektheizungen und Wärmepumpen machen jeweils weniger als drei Prozent aus.



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