ifo-Präsident zur Mehrwertsteuerreform: einheitlich 16 Prozent „wäre die beste Lösung“

Der Flickenteppich der Steuersätze richte mehr Schaden an, die vielen Ausnahmen bedienten Interessengruppen. Nicht nur Cemens Fuest fordert eine Reform der Mehrwertsteuer. Der Bundesrechnungshof nennt diese „lange überfällig“ – dem Staat entgeht Geld.
In der Gastronomie gilt vom 1. Januar 2024 an wieder der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent statt vorübergehend 7 Prozent.
In der Gastronomie gilt vom 1. Januar 2024 an wieder der normale Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent statt vorübergehend 7 Prozent.Foto: Sina Schuldt/dpa
Epoch Times11. Februar 2024

Der Präsident des Münchener ifo-Instituts, Clemens Fuest, fordert die Politik auf, das Umsatzsteuergesetz zu reformieren. „Ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent wäre die beste Lösung“, sagte Fuest der „Süddeutschen Zeitung“.

„Ökonomisch richtet dieser Flickenteppich bei der Mehrwertsteuer nur Schaden an, es gibt riesige Abgrenzungsprobleme, denken sie nur daran, dass der Mehrwertsteuersatz beim Kaffee vom Milchanteil abhängt, und das führt dann auch Rechtsstreitigkeiten.“

Viele Ausnahmen führen zu mehr Lobbyarbeit

In Deutschland liegt der Regelsatz für die Mehrwertsteuer bei 19 Prozent, der ermäßigte Satz bei sieben Prozent. „Durch die vielen Ausnahmen wird der Lobbyarbeit Tür und Tor geöffnet. Wenn die Politik einer Interessengruppe nachgegeben hat, stehen gleich die nächsten auf der Matte“, sagte Fuest.

Die jüngste Entscheidung der Bundesregierung, die Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants und Cafés zum Jahreswechsel von sieben zurück auf 19 Prozent zu erhöhen, führte zu scharfen Protesten der betroffenen Gastronomie.

„Die Kosten dieser Ausnahmen für Partikularinteressen sind dann auch so breit verteilt, dass kaum jemand es merkt und aufschreit, obwohl Politiker hier ihre Wählergruppen gezielt privilegieren, ohne an das Gemeinwohl zu denken“, sagte Fuest.

Ermäßigungen streichen ist politisch heikel

Auch andere Experten fordern eine Streichung der Ermäßigungen, obwohl es politisch heikel ist. „Es bedarf sehr viel Aufklärung, dass die Menschen darin nicht ein Steuererhöhungsmanöver sehen“, warnte Friedrich Heinemann, Professor für Wirtschaftswissenschaften beim Mannheimer Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), in der SZ.

„Wichtig für eine große Mehrwertsteuerreform ist daher ein Konsens der demokratischen Parteien. Hier müssten alle an einem Strang ziehen und das gegenüber der Öffentlichkeit erklären, auch die Opposition muss Verantwortung übernehmen“, sagte Heinemann.

Er kritisiert, dass die oppositionelle Union in dieser Debatte billige Punkte mache und sich mit den Lobbys verbrüdere. „Das ist ein Trauerspiel für eine große staatstragende Volkspartei, die immer behauptete, ordnungspolitisch zu denken. Das trägt auch zum Politikverdruss bei.“

Reform „lange überfällig“

Der Bundesrechnungshof bezeichnet die Reform der Umsatzsteuer in einem aktuellen Bericht als „lange überfällig“.

„Die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes führt zu einer jährlichen steuerlichen Begünstigung von fast 35 Milliarden Euro“, so die Experten 2023. Sie verweisen auf den klammen Staatshaushalt.

Die Einschränkung des Katalogs der ermäßigt besteuerten Leistungen bringe Mehreinnahmen, die für die Konsolidierung der Staatsfinanzen dringend notwendig seien.

Die vielen Ausnahmen führen zu skurrilen Auswüchsen im Steuerrecht: So unterliegen Blätter, Zweige, Gräser und Moose, die zu Binde- oder Zierzwecken verwendet werden und frisch sind, dem ermäßigten Steuersatz.

„Dieser gilt aber nicht, wenn die genannten Bestandteile getrocknet sind. Bei Weihnachtsschmuck aus frischen Zweigen wird deshalb sieben Prozent Umsatzsteuer fällig. Besteht er dagegen aus trockenen Zweigen, sind es 19 Prozent“, so der Bundesrechnungshof. (dts/red)



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion