Deutschland als Narrenschiff: FDP-Vize teilt in Aachen mächtig aus

In der fünften Jahreszeit steht die Welt Kopf: Aus der „Bütt“ müssen auch die Mächtigen widerstandslos Spott über sich ergehen lassen. In Aachen nutzte vor einigen Tagen FDP-Vize Wolfgang Kubicki die Gelegenheit, der Ampelregierung den Spiegel vorzuhalten.
Wolfgang Kubicki hält von einer möglichen Mindestlohn-Erhöhung auf 14 Euro «gar nichts».
FDP-Vize Wolfgang Kubicki hat während seiner Büttenrede zur Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ in Aachen mächtig gegen die Ampelregierung ausgeteilt. Auch sein Parteichef Christian Lindner kam nicht ungeschoren davon.Foto: Michael Kappeler/dpa/Archiv
Von 8. Februar 2024

Wolfgang Kubicki, der stellvertretende FDP-Parteivorsitzende und langjährige Bundestagsvizepräsident, hat seinem Verdruss über die Leistung der Ampelkoalition kürzlich erneut Luft gemacht. Dieses Mal im Rahmen einer Büttenrede, die Kubicki anlässlich der Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ am 3. Februar in Aachen gehalten hatte.

Direkt im Anschluss an seinen Auftritt ließ Kubicki keinen Zweifel daran, dass er die gesamte Besatzung der „MS Berlin“ mittlerweile als fehl am Platz betrachtet. Als Bühnenmoderatorin Jessy Wellmer (ARD) zum Abschied fragte, wohin er selbst als „Kreuzfahrtkapitän“ das Schiff steuern würde, antwortete Kubicki: „In einen sicheren Hafen – und mit einer anderen Mannschaft.“ Während tosender Applaus und Gejohle erklang, entglitten Kubickis amtierendem Parteichef, Bundesfinanzminister Christian Lindner, kurzfristig die Gesichtszüge. Doch nach einer Schrecksekunde stimmte auch der Minister kopfschüttelnd ins allgemeine Gelächter ein.

FDP-Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner reagierte in Aachen im ersten Moment sichtlich geschockt auf die Kritik seines Parteivize Wolfgang Kubicki.

FDP-Parteichef und Bundesfinanzminister Christian Lindner reagierte in Aachen im ersten Moment sichtlich geschockt auf die Kritik seines Parteivize Wolfgang Kubicki. Foto: Bildschirmfoto/WDR

Zuvor hatte Kubicki zu der altbewährten Metapher gegriffen, das deutsche Polit-Establishment als Besatzung eines Narrenschiffs vorzuführen, das „auf Überraschungskreuzfahrt“ unterwegs sei. Auf der „MS Berlin“ führe der „Kapitän Olaf“ das Regiment, attestiert vom „Ersten Offizier Robert“, der „Eventmanagerin Annalena“, dem „Finanzoffizier Christian“ und dem „Schiffsarzt Corona-Karl“. Mit Baerbock und Lindner saßen einige der realen Vorbilder im Publikum.

Vom Kreuzfahrtschiff zur Galeere

Im Verlauf seiner satirischen Rede goss Kubicki ein Füllhorn an Spott und Sottisen über das Berliner Politpersonal aus. „Finanzoffizier Christian, der Eiserne“, habe festgestellt, dass die „finanziellen Reserven der MS Berlin erschöpft“ seien „und die Motoren vielleicht bald nicht mehr“ laufen würden. Kapitän Olaf aber lasse es „völlig kalt“, dass die Passagiere „zur Not“ rudern müssten:

Das ist unser Kapitän Olaf: Aus einem modernen Kreuzfahrtschiff mal eben eine marode Galeere gemacht.“ (Video ab circa 1:36:30 Min. beim WDR)

Doch obwohl Kapitän Olaf gerade „den Kurs vergessen“ habe, sei die Stimmung an Bord „bombig“. Während ein Starfriseur für Olaf nicht nötig sei, habe „Annalena, die Gute, für 137.000 Euro eine Visagistin bestellt“. Auch „Robert, der Schöne“, habe 400.000 Euro für Fotografen ausgegeben. „Ich glaube, er ist das einzige Fotomodell auf der Welt, das dafür bezahlt, fotografiert zu werden“, sagte Kubicki unter Gelächter und Beifall.

Davon abgesehen sei der „Erste Offizier Robert“ im Lauf der Fahrt vor Übelkeit „ganz grün“ geworden, witzelte Kubicki. Er sage nun „merkwürdige Dinge“ wie „Unsere Wirtschaft ist nicht krank, sie hat nur kurzfristig aufgehört, gesund zu sein“ oder „Wir haben kein Stromproblem, wir sind nur umzingelt von der Wirklichkeit“. Beides sind Anspielungen auf mittlerweile berühmte Habeck-Zitate. Skeptisch müsse Offizier Robert aber nicht sein: „Die MS Berlin schwimmt doch noch, auch wenn alle Leistungsdaten nach unten zeigen.“

Und Kubicki wurde noch bissiger: „Zu Beginn der Reise“ habe der „Wirtschaftsoffizier“ Robert einst gesagt, „dass das, was er derzeit tue, das Beste sei, was er in seinem Leben je gemacht habe. Und ich befürchte, das stimmt“, stichelte Kubicki.

Er wisse auch nicht, ob man das Schiff den „Nörglern auf dem Promenadendeck“ überlassen solle, meinte der Büttenredner. Jenen Nörglern aber rufe er zu: „Fortschritt ist, so hat es der Wirtschaftskanzler Robert zutreffend beschrieben, keine Frage der Geschwindigkeit, sondern der inneren Einstellung. Man kann auch fortschreiten, wenn man sich nicht bewegt.“

Der „Schiffsarzt Corona-Karl“ sei unterdessen „frisch verliebt“: Wahrscheinlich werde man ihn bald nicht mehr bei Markus Lanz, sondern bei „Let’s Dance“ sehen. Zu wünschen sei jedenfalls, „dass ihn das Glück möglichst lange festhält“ – natürlich abermals eine Anspielung, dieses Mal auf das neuerdings anscheinend wieder glückliche Privatleben des Bundesgesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD).

Liegt das Problem beim Kapitän?

Unterdessen steige die „Hoffnung“, „dass die MS Berlin entweder auf Grund“ laufe „oder doch noch einen Hafen“ finde, „in dem man das Schiff verlassen“ könne, so der FDP-Vizeparteichef. Dass Kapitän Olaf jeden Morgen auf der Brücke stehe, könne „möglicherweise genau das Problem sein“. Zögerlicher Beifall im Publikum folgte.

Auch das „Gezerre bei der Union“ um die mutmaßliche Kanzlerkandidatur von Friedrich Merz kam in Kubickis Rede kurz vor, um sogleich in Richtung von CSU-Chef Markus Söder umzuschwenken: Der „brüllende bajuwarische Berglöwe“ habe sich „bei näherem Hinsehen“ als „kleines Klamaukkätzchen“ erwiesen.

Die beiden Attackierten waren nicht anwesend, wohl aber der frühere CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet. Um auch ihn zu würdigen, musste Kubicki etwas weiter ausholen. Zunächst stellte er klar, dass Schleswig-Holsteiner, wie er selbst einer sei, selten beim herzhaften Lachen gehört würden. Die Pointe: „Armin, wärst du Schleswig-Holsteiner, du wärest jetzt Bundeskanzler“. Laschet nahm’s mit Humor.

FDP-Vizeparteichef Wolfgang Kubicki während seiner Büttenrede zur Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ 2024 in Aachen

FDP-Vizeparteichef Wolfgang Kubicki während seiner Büttenrede zur Verleihung des „Ordens wider den tierischen Ernst“ 2024 in Aachen. Foto: Bildschirmfoto/WDR

Zum Abgang noch eine Attacke auf die Grünen

Im letzten Akt seines Auftritts, der Verabschiedung durch Moderatorin Jessy Wellmer, gab Kubicki seinen vielleicht größten politischen Gegnern noch mal eins mit. Auf die Frage, wen er denn nun auf das Schiff schicken würde, antwortete er: „Dann würd‘ ich das den Grünen überlassen. Das kommt dann nicht an.“ Die WDR-Regie schnitt sogleich auf die Grünen-Co-Parteivorsitzende Ricarda Lang, die die Provokation amüsiert weglächelte.

Hintergrund der Sitzung war die 73. Verleihung des Ordens „Wider den tierischen Ernst“ in Aachen. Die karnevaleske Ehrung war in diesem Jahr an Daniel Günther (CDU) verliehen worden, den Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein.

Es brodelt in der FDP

Der politische Hintergrund ist ein ganz anderer: Seit Monaten sind die Umfragewerte für die drei Regierungsparteien im Keller. Wie die „Bild“ (Bezahlschranke) jüngst berichtete, diskutieren Ampelgegner in der FDP hinter den Kulissen bereits den Zeitpunkt, der sich für einen Ampelbruch eignen würde. Im Gespräch seien die Phase vor der Europawahl am 9. Juni 2024 oder vor den Landtagswahlen im Herbst. Denkbar sei der Schritt auch im Zuge der Verhandlungen über den Haushalt 2025.

Auch an der FDP-Basis rumort es schon länger. Zu Neujahr 2024 hatte auf Initiative von 598 Parteibuchinhabern sogar eine Mitgliederbefragung unter den Liberalen stattgefunden, um die Stimmung über einen Abschied aus der Ampel auszuloten. Das Ergebnis wäre nicht bindend gewesen. Eine knappe Mehrheit der Teilnehmer sprach sich am Ende allerdings für den Verbleib in der Ampelkoalition aus. Auch Kubicki hatte noch wenige Tage davor für einen Verbleib in der Koalition geworben.

Eine weitere Initiative der FDP-Basis will einen FDP-Exit aus der Ampel mithilfe eines Mitgliederentscheids zum Thema Kernkraft erreichen. Die Epoch Times fragte bereits mehrfach bei Mitinitiator Johannes Baare nach, ob das Quorum von rund 3.700 Stimmen mittlerweile erreicht sei – bislang ohne Erfolg.



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