Kommunen: Bund ignoriert die „teilweise dramatische Situation“

Einen Tag nach dem Flüchtlingsgipfel halten sich die Kommunen mit ihrer Enttäuschung nicht zurück. Sie fühlen sich vom Bund auf die Wartebank abgeschoben und haben das Gefühl, dass der Bund die „teilweise dramatische Situation“ nicht ausreichend gewichte.
Markus Lewe, Präsident des Deutschen Städtetages, spricht auf einer Pressekonferenz zum Abschluss des Deutschen Städtetages.
Markus Lewe, Präsident des Städtetags, sagt, der Bund lasse Städte und Gemeinden auf der Wartebank sitzen.Foto: Moritz Frankenberg/dpa
Von 11. Mai 2023

Einen Tag nach dem Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt macht sich bei den Kommunen Enttäuschung breit. Wie die Länder auch hatten sie auf eine grundsätzliche Einigung auf die Finanzmittel für die Ausgaben für Flüchtlingen gehofft. Am Ende kam heraus, dass der Bund den Ländern eine zusätzliche Milliarde Euro bereitstellt. Außerdem gab es die Zusage, dass man sich spätestens bis November darauf einigen wird, wie man das System langfristig stabilisieren kann. Eine Zusage, dass man dann wieder zum bis 2021 geltenden Vier-Säulen-Modell zurückkehren wird, ist das nicht. Genau das hatten die Länder aber im Vorfeld gefordert. So war es dann am Ende auch nur Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der zufrieden mit dem Gipfel sein konnte.

„Eine Einigung erst im November kommt für das Jahr 2024 deutlich zu spät und stößt bei den Kommunen auf große Enttäuschung“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, der „Rheinischen Post“.

Kurzfristige Entspannung der Lage nun nicht mehr erwartbar

Mit einer kurzfristigen Entspannung der angespannten Situation vor Ort rechne man nach dem gestrigen Ergebnis nicht mehr. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund begrüßt es grundsätzlich, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, in der Migrationspolitik gemeinsam voranzugehen, wenn auch nur in winzigen Trippelschritten.“ Ein Scheitern der Gespräche wäre ein verheerendes Signal für die Kommunen gewesen, nach dem Motto „Wenn zwei sich streiten, leidet der Dritte, in diesem Fall die Kommunen“, so Landberg weiter gegenüber der „Rheinischen Post“.

Der Hauptgeschäftsführer wirft der Politik in Berlin weiter vor, dass diese die teilweise dramatische Situation vor Ort nicht „ausreichend gewichte“. Die nun zugesagte Million sei nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“.

Wartebank, obwohl Druck täglich wächst

Auch der Städtetagspräsident Markus Lewe kann dem Ergebnis des Gipfels nichts abgewinnen. „Dieses Treffen war für uns unterm Strich eine ziemliche Enttäuschung.“, fasst er das Ergebnis gegenüber der „Rheinischen Post“ zusammen. Die vom Bund zugesagte zusätzliche eine Milliarde Euro für dieses Jahr seien nicht das „was die Städte benötigen. Alle paar Monate einen fixen Betrag zugeschoben zu bekommen, das hilft uns bei steigenden Flüchtlingszahlen nicht weiter“.

Lewe hätte sich von Bund und Ländern gewünscht, dass sie die vergangenen Monate und Wochen genutzt hätten, „um gemeinsam eine Lösung zu finden, statt sich jetzt wieder bis Juni zu vertagen. Das ist ein schlechtes Signal an die Städte.“ Die Kommunen würden weiter auf der Wartebank sitzen gelassen, „obwohl der Druck vor Ort Tag für Tag steigt und: Das sorgt für viel Frust“, so der Städtetagspräsident.

Markus Lewe betont weiter, dass Bund und Länder gestern beschlossen hätten, die zusätzliche Milliarde auch für die Digitalisierung der Ausländerbehörden einzusetzen. „Da bleibt dann weniger für Unterbringung und Integration. Und wie viel von dem Geld am Ende bei den Kommunen ankommt, wissen wir noch nicht.“

„Mehr war eben nicht drin“

Ernüchtert gaben sich auch die Länderchefs nach dem Gipfel im Bundeskanzleramt. So betonte der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) schon gleich nach dem Flüchtlingsgipfel, dass der gefasste Beschluss zur Flüchtlingsfinanzierung für die Kommunen nicht ausreichen sei. „Mehr war eben nicht drin“, so Wüst. „Das muss man heute so klar sagen.“ Auf die zentrale Frage nach einer dauerhaft höheren Beteiligung des Bundes hätten die Länder keine Antwort erhalten. Es konnte keine Einigung erzielt werden hinsichtlich der vollständigen Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für Flüchtlinge durch den Bund, wie es von Ländern und Kommunen gefordert wurde. Ebenfalls ungeklärt sind die Fragen bezüglich einer höheren Kostenbeteiligung für Integrationsmaßnahmen und für minderjährige Flüchtlinge.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sieht in dem Ergebnis einen Teilerfolg. „Wir sind uns einig, dass die Aufnahme von Flüchtlingen eine Daueraufgabe ist, wir sind uns auch einig, dass wir dafür ein Finanzierungssystem brauchen“, sagte Schwesig laut „t-online“ im Anschluss an den Flüchtlingsgipfel in Berlin. Aus ihrer Sicht habe der Bund anerkannt, dass höhere Flüchtlingszahlen höhere Zuschüsse zur Folge haben müssen.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sieht die Länderforderungen an den Bund bei der Finanzierung nicht erfüllt. Für ihn ist das Ergebnis lediglich ein weiterer „Zwischenschritt zu einer gemeinsamen Flüchtlingspolitik in Deutschland.“

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), der im Moment auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, betonte nach dem Gipfel, dass noch weitere Finanzierungsfragen zu klären seien. „Die Diskussion ist eben nicht zu Ende, sondern sie wird sehr vertieft fortgesetzt werden“, so Weil. Nach den Beratungen am Mittwoch in Berlin sei er aber zuversichtlich, zu weiteren Ergebnissen zu kommen.

Pro Asyl über Ergebnis „schockiert“

Die Flüchtlingsorganisation „Pro Asyl“ äußert scharfe Kritik an den Bemühungen von Bund und Ländern, Asylverfahren an den Außengrenzen der EU zu forcieren. Die Organisation ist „schockiert darüber, dass der Gipfel zu einer Finanzeinigung auf Kosten der Menschenrechte von fliehenden Menschen geführt hat“, erklärte Wiebke Judith, die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Judith kritisierte, dass Haftzentren an den EU-Außengrenzen ein Rezept für ein Desaster in Bezug auf die Menschenrechte seien. Sie forderte die Bundesregierung auf, „dringend zu einer Politik zurückzukehren, die auf den Menschenrechten basiert“. Diese öffentliche Diskussion sei „Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten“.

Konzept zur Umsetzung nicht erkennbar

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, begrüßt den Ansatz, den Zuzug zu begrenzen, die Verfahren zu beschleunigen, die Außengrenze der EU besser zu schützen und eine gerechtere Verteilung der geflüchteten Menschen in der EU anzustreben. „Hier muss man sich allerdings ehrlich machen: Die vereinbarten Maßnahmen werden nicht zu einer kurzfristigen Entspannung führen und sind letztlich nur kleine Schritte zu einer allerdings notwendigen Wende in der Migrationspolitik.“, so Landsberg. Ein belastbares Konzept zur Umsetzung sei nicht erkennbar. Es bleibt abzuwarten, ob Deutschland und seine Regierung die notwendige Härte haben werde, diese richtigen Ziele gegenüber den anderen EU-Staaten, aber auch innerhalb Deutschland zwischen den Ampelparteien tatsächlich durchzusetzen.



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