Maaßen in der NZZ: „Politiker sind gegenüber ihrer Partei oft loyaler als gegenüber dem Volk“

„Duckmäusertum bei Führungskräften ist Gift für Demokratie“, sagte der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen in einem Gespräch mit der NZZ.
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Der ehemalige Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.Foto: Marijan Murat/Archiv/dpa
Epoch Times8. Mai 2019

Er musste gehen, weil er der Kanzlerin widersprach – Hans-Georg Maaßen räumte im November 2018 seinen Posten als Verfassungsschutzpräsident. In einem Interview mit der „Neuen Züricher Zeitung“  sprach er unter anderem über Loyalität.

Als Maaßen in den Ruhestand versetzt wurde, äußerten seine Mitarbeiter beim Abschied laut NZZ:

Herr Maaßen, was Sie gesagt haben, entspricht dem, was wir denken. Wir wären dankbar, wenn Sie auch in Zukunft Ihre Stimme erheben würden.“

Das habe ihn bewogen zu reden statt zu schweigen. In der deutschen Politik gäbe es einfach zu wenige Menschen, die „geradlinig und realistisch sind und sagen, was sie denken.“

Dass ihn Leute im vergangenen Herbst in die rechte Ecke schieben wollten, erklärt sich der CDU-Politiker wie folgt:

Ich glaube, wir in Deutschland leiden unter der Volkskrankheit des romantischen Idealismus, der Träumerei und der Besserwisserei.“

Das sei mit Aggressivität verbunden, „die im Grunde nur Fanatiker haben können“. Und dieser Punkt bereite ihm Sorgen.

Duckmäusertum bei Führungskräften

Im Gegensatz zu Deutschland gehe man im Ausland viel gelassener mit politischen Querdenkern um. Es sei kein Fehler, die Wahrheit zu sagen, so Maaßen weiter.

Wenn man sehe, dass ein Vorgesetzter sich über Gesetze hinwegsetze und nicht bereit sei, falsche Entscheidungen zu revidieren, müsse man dies aussprechen. Man müsse dem Vorgesetzten klarmachen: „Das, was Sie wollen, dürfen Sie nicht wollen“, betont Maaßen.

Dazu brauche man Mut, erst recht wenn der Vorgesetzte Minister oder Bundeskanzler sei. Leider seien dazu immer weniger Beamte bereit.

Politiker sind gegenüber ihrer Partei oft loyaler als gegenüber dem Volk.“

Maaßen berichtet weiter, dass er mit SPD-Politikern über die sogenannte Flüchtlingskrise gesprochen habe.

Sie räumten mir gegenüber ein, dass die Asylpolitik in den Jahren 2015 und 2016 ein schwerer Fehler der Regierung und eine Katastrophe für Deutschland gewesen sei. Öffentlich sagen könne man das aber nicht, denn die SPD dürfe sich nicht erneut konservativer als die Union positionieren, so wie sie es damals bei der Agenda 2010 getan habe.“

Das empfinde Maaßen als falsches Verständnis von Loyalität. Menschen, die sich nicht im „politisch-medialen Mainstream“ bewegen, hätten es schwer. Schnell würden sie in die rechte oder rechtspopulistische Ecke gesteckt. „Das schüchtert ein und schreckt ab“, so der 56-Jährige. Er habe wiederholt gehört, dass Menschen lieber gar nichts sagen, bevor sie öffentlich an den Pranger gestellt würden. Dieses Verhalten sei verständlich, „aber bei Führungskräften ist dies Duckmäusertum. Es ist Gift für die Demokratie.“

Dadurch würden bestimmte politische Positionen tabuisiert und dem demokratischen Diskurs entzogen, obwohl sie nicht extremistisch seien. Selbst Medien seien nicht objektiv, sondern „vertreten bestimmte subjektive Überzeugungen“. Das finde der gebürtige Mönchengladbacher auch nicht schlimm. Er sagt: „Dazu muss man sich nur bekennen, und die Kunden müssen dies auch für sich realisieren“. So sagten beispielsweise 70 Prozent der Journalisten von sich, dass sie politisch den Grünen und der SPD nahestünden, 11 Prozent der Union, ergänzt Maaßen.

Verschwörungstheoretiker

Dass der Ausdruck „Verschwörungstheoretiker“ mit einer Selbstverständlichkeit in das Standardvokabular gefunden habe, erstaunt Maaßen. Dieser Begriff sei von bestimmten ausländischen Geheimdienstlern erfunden und verwendet worden, um politische Gegner zu diskreditieren.

In Kritik war der CDU-Politiker wegen seines Interviews mit einem öffentlich-rechtlichen Fernsehsender Ungarns geraten. Die „Welt“ schrieb aus diesem Anlass: „Interview für Orbans Propagandasender.“ Doch Maaßen sieht das ganz anders.

Er erinnere sich noch genau an die Fernsehbilder, als viele Menschen aus der DDR über die ungarisch-österreichische Grenze in die Bundesrepublik reisten. Er stellt fest:

Gerade wir Deutschen müssen dem ungarischen Volk dankbar dafür sein, was sie vor dreißig Jahren auch für uns geleistet haben. Das habe ich auch in Budapest gesagt, und ich schäme mich für die Geschichtsvergessenheit vieler deutscher Journalisten und Politiker und für deren Arroganz gegenüber kleineren europäischen Staaten.“

Aktuell engagiert sich der ehemalige Chef des Geheimdienstes seit Februar 2019 in der „Werteunion“, einem Kreis konservativer CDU- und CSU-Mitglieder. (sua)



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