Oliver Neuville im Epoch Times-Interview

So sanft, so nett - aber unheimlich gefährlich
Titelbild
WM 2006 in Deutschland: Deutschland – Polen; 1:0, Torschütze: Neuville (Jamie McDonald/Getty Images)
Von 11. Februar 2008

Epoch Times Deutschland sprach mit dem 66-fachen Nationalspieler über Tore im deutschen Team, die Traurigkeit, zweimal die Meisterschaft verpasst zu haben und wie es ist, mit seinen Fans zusammen in der Nordkurve zu sitzen.

ETD: Herr Neuville, Sie hatten eigentlich für heute eine Einladung für das Länderspiel in Wien gegen Österreich – warum sind Sie nun doch nicht dabei?

Oliver Neuville: Leider habe ich mir eine Wadenprellung durch das Foul von Mathieu Beda im Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern zugezogen. Im Spiel hab ich das eigentlich noch gar nicht richtig gemerkt. Nach dem Spiel ist es dann immer schlimmer geworden und am nächsten Tag konnte ich kaum noch gehen. Deswegen musste ich der Nationalmannschaft leider absagen.

ETD: Sie haben bei der WM in Südkorea und Japan im Achtelfinale das entscheidende Tor für Deutschland gegen Paraguay gemacht und auch mit dem entscheidenden Tor gegen Polen bei der WM in Deutschland haben Sie sich als Matchwinner in die Herzen der deutschen Fans geschossen – welches Tor war wichtiger für Sie?

Oliver Neuville: Das Tor gegen Paraguay war wichtig, weil wir auch schon vor der WM sehr unter Druck standen. Viele haben gesagt, dass wir es nicht schaffen würden, die Vorrunde zu überstehen. Aber wir haben das souverän geschafft. Das Achtelfinale gegen Paraguay war dann tatsächlich ein sehr schwieriges Spiel und dann kurz vor Schluss so ein Tor zu schießen – das war vor allem auch für die gesamte Mannschaft eine Befreiung.

Das Tor gegen Polen war vielleicht nicht ganz so wichtig, aber dafür war es das emotionalste. So eine Atmosphäre hab ich noch nie erlebt und nach dem Tor … das war der Wahnsinn.

Aber auch im Verein habe ich schon wichtige Tore gemacht und deswegen kann ich nicht sagen, dass nun genau diese zwei auch die wichtigsten sind.

ETD: Sind Ihre Tore gleichzeitig auch die schönsten Erlebnisse in Ihrer sportlichen Laufbahn?

Oliver Neuville: Ach, schöne Erlebnisse hatte ich sehr viele. Aber wenn ich so zurück blicke, muss ich sagen, dass die komplette Saison 2001/2002 schon etwas Besonderes war. Champions League-Finale mit Leverkusen und das WM-Finale mit unserer Nationalmannschaft – das passiert nun wirklich nicht jeden Tag. Auch wenn wir beide Spiele verloren haben, waren das insgesamt gesehen schöne Momente.

ETD: Sie haben in Rostock, Leverkusen und jetzt in Mönchengladbach gespielt – was unterscheidet diese Vereine?

Oliver Neuville: Borussia ist ein Verein mit viel Tradition und hat auch schon viele Titel geholt – allerdings hat sich Leverkusen auch gut entwickelt und dieser Verein ist super organisiert. Aber, wie gesagt, man kennt ja auch die Saison 2001/2002, wo wir mit Leverkusen leider immer nur Zweiter geworden sind…

ETD: Also war das gleichzeitig auch Ihr traurigstes Erlebnis in Ihrer Karriere?

Oliver Neuville: Ja, ein sehr trauriger Moment war tatsächlich die Niederlage mit Leverkusen in Unterhaching, wo wir das letzte Spiel verloren haben und dadurch damals nicht Deutscher Meister werden konnten. Mit 74 Punkten wirst du nicht Meister… das ist schon bitter! Wenn man heute so sieht, dass jemand schon mit 68 oder 70 Punkten Meister wird und wir sind damals mit 74 Punkten nicht Meister geworden – das ist dann schon sehr bitter. Wir hatten die ganze Saison nur drei Niederlagen und mussten in Unterhaching nur einen einzigen Punkt holen… tja, aber so ein Spiel passiert halt. Wir haben 90 Minuten auf ein Tor gespielt und dann machen wir ein Eigentor und es fällt dann auch noch das 2:0 für Unterhaching … und Verletzungen – das sind für mich auch immer traurige Momente.

Nationalstürmer Oliver Neuville (Lars Baron/Bongarts/Getty Images)
Nationalstürmer Oliver Neuville (Lars Baron/Bongarts/Getty Images)

ETD: Wäre denn die deutsche Meisterschaft einer Ihrer größten Träume gewesen?

Oliver Neuville: Ja, natürlich, als Stürmer muss man immer träumen und ich bin damals nach Leverkusen gegangen, weil ich mit denen deutscher Meister werden wollte. Aber wir haben das zweimal kurz vor Toresschluss verpasst und das ist dann auch wirklich sehr, sehr bitter.

ETD: Borussia Mönchengladbach, der HSV und Bayern München sind die Mannschaften in Deutschland mit den meisten Fans – spielt man als Spieler lieber bei solchen Vereinen?

Oliver Neuville: Natürlich ist die Atmosphäre im Stadion hier in Mönchengladbach ein bisschen anders. Aber ich muss ehrlich sagen: als ich noch in Leverkusen gespielt habe, waren wir zu dem Zeitpunkt jedenfalls spielerisch klar besser als Gladbach oder Hamburg (grinst). Natürlich ist das Stadion in Leverkusen ein bisschen kleiner und vielleicht ist die Stimmung dort auch nicht ganz so gut wie hier in Gladbach, aber trotzdem ist Leverkusen ein sehr guter Verein – ich habe auch noch regelmäßige Kontakte nach Leverkusen.

ETD: Warum sind Sie als Nationalspieler nach dem Abstieg der Borussia in Mönchengladbach geblieben?

Oliver Neuville: Zugegeben, ich hatte auch viele Möglichkeiten, woanders hin zu gehen. Aber als ich den Vertrag bei Borussia unterschrieben habe, waren wir noch nicht abgestiegen und ich war auch fest davon überzeugt, dass wir nicht absteigen – aber leider ist das nun so passiert. Ich bereue meine Entscheidung aber überhaupt nicht und jetzt sieht es im Moment sowieso gut für uns aus, sodass wir nächste Saison wahrscheinlich auch wieder in der ersten Liga spielen können. Außerdem fühle ich mich hier in Gladbach immer noch sehr wohl.

ETD: Ist es Ihrer Ansicht nach schwerer, in einer 2. Ligamannschaft Nationalspieler zu sein, als wenn man in der 1. Liga spielt?

Oliver Neuville: Vielleicht ist es ja wirklich so, dass sich jetzt alle ein bisschen mehr auf mich konzentrieren, eben weil ich Nationalspieler bin. Aber das macht mir nichts aus, weil dadurch die anderen mehr Platz haben.

ETD: Sie haben einen sehr guten Kontakt zu den Borussia-Fans und haben auch schon gelegentlich bei Spielen der Borussia mit den Fans zusammen im Fanblock gesessen – wie kam es zu so einem guten Kontakt? War es denn bei den anderen Vereinen auch so, bei denen Sie gespielt haben?

Oliver Neuville: Nee, bei den anderen Vereinen war das nicht so. Ich habe einen der Gladbach-Fans auch privat kennen gelernt und deshalb war ich drei oder viermal zusammen mit ihm in der Borussia-Fankurve. Ich muss aber auch einmal ganz ehrlich sagen, dass mir das sehr viel Spaß macht, mit denen da in der Nordkurve zu sitzen – weil da sitzen die richtigen Fans mit all ihren vielen Emotionen für uns und für die Borussia; das war sehr schön zu sehen und mit zu erleben.

ETD: Eine Schweizer Zeitung hat einmal über Sie geschrieben: „Jede Mutter wünscht sich Olli als Schwiegersohn. So sanft, nett und anständig ist der Kleine. Aber unheimlich gefährlich.” Was denken Sie, wenn Sie so etwas über sich lesen?

Oliver Neuville: Jaaa, da war ich noch jung … da war ich glaub ich 24 Jahre alt … ja, das ist wirklich sehr lustig – aber auf dem Platz bin ich halt nicht so nett…

ETD: Haben Sie ein Lebensmotto?

Oliver Neuville: Leben und leben lassen. Damit meine ich aber auch, dass sich jeder um sein Zeug kümmern muss und nicht immer auf die anderen schauen soll.

Vielen Dank, Herr Neuville, und weiterhin viel Erfolg!

Das Interview führte Steffen Andritzke

 

Epoch Times Deutschland verlost unter ihren Lesern ein Trikot der Deutschen Nationalmannschaft mit Unterschrift von Oliver Neuville.



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