Prof. Hans-Werner Sinn: EZB fördert Inflation – zu Lasten Deutschlands

Welche Möglichkeiten hat die EZB? Prof. Hans-Werner Sinn, einer der profiliertesten Ökonomen Europas, erklärt, aus welchen Gründen und mit welchem Ziel es in Deutschland zur Inflation kommt.
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Hans-Werner SinnFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times18. April 2018

Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht seit 2008 den Bankensektor zu stabilisieren. Die EZB führt derzeit in ihren Büchern (Quelle: „Focus“) fast 21 Milliarden Euro an Unternehmensanleihen, knapp 224 Milliarden Euro an gedeckten Schuldverschreibungen und mehr als 1 Billion Euro an Staatsanleihen.

An diesem Aufkauf nehmen „nur“ sechs der 19 europäischen Notenbanken teil. Dabei kauft beispielsweise die Deutsche Bundesbank Anleihen deutscher und niederländischer Unternehmen, während die belgische Zentralbank Anleihen von Unternehmen aus Belgien, Griechenland, Portugal, Zypern, Luxemburg, Slowenien und der Slowakei kauft.

Prof. Hans-Werner Sinn, einer der profiliertesten Ökonomen Europas und ehemaliger Präsident des deutschen Forschungsinstituts ifo, kritisiert ihr Handeln. Sein Refereat vom 10. Januar 2017, veröffentlicht in Ausschnitten am 29. März 2018, verdeutlicht einige der aktuellen Entwicklungen. In dem Videozusammenschnitt geht er auf folgende Fragen ein:

Zinsen: Stehen wir vor einem Wendepunkt?

Die Banken haben Konten bei den Notenbanken. Für die Aufbewahrung ihres Geldes dort gab es Zinsen – seitdem es negative Zinsen gibt, sehen sich die Banken nach großen Tresoren um … Hans-Werner Sinn:

Die Kosten der Tresore sind die Kosten für die Untergrenze für den Negativzins in einer Marktwirtschaft. Wie können die Kosten für die Tresore vergrößert werden? Man schafft die großen Geldscheine ab.“

Die EZB will einerseits die Wirtschaft beleben, andererseits das Schuldenproblem der südlichen Euro-Staaten lösen. Doch „diese sind überhaupt nicht mehr in der Lage, normale Zinsen zu zahlen.“

Wie schlimm steht es um die Länder der EU?

Das verarbeitende Gewerbe ist ein Gradmesser für eine derartige Einschätzung. Deutschland schaffte es, den Stand von vor der Finanzkrise 2008 zu erreichen. Die anderen Länder hängen weiterhin hinterher.

Er verweist darauf, dass nach dem Maastricher Vertrag ein Staat nur mit 60 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes verschuldet sein darf. Die Länder versprachen 2008 im Ausgleich für den Rettungsschirm der EZB, die Verschuldung zu begrenzen. Und heute? Heutzutage sind die Schuldenquoten der Staaten überall gestiegen.

Durch die Null-Zins-Politik bekamen die Staaten Vorteile

Müssten die Staaten weiterhin die Zinsen zahlen, die 2007 zu zahlen waren, so betrüge die hypothetische Zinslast nicht ganz das doppelte der derzeitig zu zahlenden Zinsen. Es wären nicht 82 Milliarden Euro, sondern 130 Milliarden:

Hans-Werner Sinn zur aktuellen Situation. Foto: screenshot/https://www.youtube.com/watch?v=4louogcarpY

Also müsste man die Eurozone inflationieren?

Durch eine zunehmende Inflation werden die Schuldner entlastet.

„Das Problem ist“, so sagt Hans-Werner Sinn, „die EZB darf keine Inflation machen. Sie hat nur ein einziges Mandat bekommen, auf Verlangen Deutschlands bei der Aufgabe der DM. Das war die Bedingung, die Deutschland gestellt hat. Sie darf keine Inflation machen und muss die Preise stabil halten.“

Was ist die Lösung der EZB?

Prof. Sinn nennt die Lösung der EZB „Mittelalterliche Scholastik“.

Mario Draghi erklärte am 10. März 2016, dass die Inflation „nahe bei 2 Prozent liegt“ und mittelfristig zu begrenzen sei. Läge man eine gewisse Zeit unter den 2 Prozent, könne man anschließend darüber liegen …

Jedoch: Preisstabilität bedeute 0 Prozent Inflation, sagt der Ökonom.

Welche Optionen hat die Eurozone?

1. Transferunion: Die Staaten im Norden der EU finanzieren die fehlende Wettbewerbsfähigkeit des Südens der EU mit.

2. Der Süden geht in die Deflation: Doch „rauf macht Spaß, runter ist ein Problem“, wie Hans-Werner Sinn sagt. Die Menschen würden bei sinkenden Löhnen und Preisen in den Massenkonkurs getrieben, dass hielte eine Gesellschaft nicht lange aus.

3. Nach-Inflationierung der EU-Nord-Staaten: In Italien und Co sind die Preise „im Himmel“, in Deutschland „am Boden“. Also steigere man die Inflation in Deutschland, damit die Preise ebenfalls „im Himmel“ ankommen – und schon sind die Südstaaten wieder wettbewerbsfähig. Genau das sei die Strategie der EZB – auch wenn sie es nicht laut sage.

Nur: Deutschland müsste 10 Jahre lang um 4,5 Prozent inflationieren, während Italien und Co bei 0 Prozent bleibt, um diesen Effekt zu erreichen.“

Ob die Deutschen das tolerieren, wagt er zu bezweifeln.

4. Austritte: Falls das alles nicht helfe, bliebe die Möglichkeit der Austritte aus der EU.

Hat die Inflation bereits begonnen?

Deutschland wird nun in die Inflationierung gedrängt. Es geschieht im wesentlichen durch das sogenannte „Quantitative Easing“, abgekürzt QE. Bis Ende des Jahres 2017 kaufte die EZB Wertpapiere im Wert von 2,3 Billionen Euro. Der Euro wertet dabei ab, da neues Geld gedruckt wird.

Andererseits darf die EZB keine Wirtschaftspolitik betreiben und schon gar nicht bei der Staatsfinanzierung helfen. Dies ist eine klare Verletzung der Maastricher Verträge.

Trump will höhere Zinsen in Amerika: Prof. Sinn meint dazu: „Er hat völlig Recht.“ So führten niedrige Zinsen zur „Zombiefizierung“, bei der Firmen über Wasser gehalten werden, auch wenn diese nicht mehr profitabel sind.

Unter Ronald Reagen kam es 1980 ebenfalls zum Zinsanstieg

Um 1980 brachen viele Wirtschaften zusammen, da die Staaten nicht mehr in der Lage waren, die Zinsen zu zahlen. Darauf müsse man sich nun wieder einstellen, wenn Zinserhöhungen kommen.

Für die EZB ist das „ganz außerordentlich unangenehm“ – wegen den Südstaaten. Diese können keine normalen Zinsen mehr zahlen, sie hätten sich an die Null-Prozent-Zinsen gewöhnt.

Seine Schlussfolgerung ist, dass die Krise von 1980, bei der viele lateinamerikanische Staaten zusammenbrachen, nun in ähnlicher Form auf die europäischen Südstaaten zukommen könnte.

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Auch der Internationale Währungsfonds warnt

Auch IWF-Chefvolkswirt Maurice Obstfeld warnt vor drastischen Folgen für das Wirtschaftswachstum bei steigenden Zinsen.

So hätten sich viele Regierungen, Haushalte und Unternehmen stark verschuldet und auf die niedrigen Zinsen und den Geldfluß der Zentalbanken gesetzt. Steigen die Zinsen, würden sie Schwierigkeiten mit der Zurückzahlung bekommen.

„Die privaten und öffentlichen Schulden weltweit sind sehr hoch und es drohen Rückzahlungsprobleme, wenn sich die Zinspolitik der Notenbanken wieder normalisiert“, erklärt Maurice Obstfeld.

(ks)

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