Sozialbeiträge könnten auf 50 Prozent steigen – Ökonomen warnen vor Zusammenbruch

Der Verband „Die jungen Unternehmen“ befürchtet einen perspektivischen Anstieg der Sozialbeiträge auf 50 Prozent und mehr. Die hohen Lohnnebenkosten begünstigen jetzt schon Abwanderung. Ab einem bestimmten „Kipppunkt“ falle die Motivation zu legaler Arbeit weg.
Eine Rentnerin schüttet den Inhalt ihres Geldbeutels auf den Küchentisch.
Eine Rentnerin schüttet den Inhalt ihres Geldbeutels auf den Küchentisch.Foto: picture alliance / Felix Kästle/dpa
Von 28. Februar 2024

Vor einem Kollaps des Sozialstaates warnt die Vereinigung „Die jungen Unternehmer“. Finde nicht spätestens in der nächsten Legislaturperiode eine tiefgreifende Reform der Sicherungssysteme statt, könnten die Sozialbeiträge in Deutschland perspektivisch auf 50 Prozent und mehr steigen. Heute liegen sie bereits bei etwa 40,9 Prozent.

Sozialbeiträge über 50 Prozent nehmen Anreiz zur Arbeit

Wie das „Handelsblatt“ berichtet, stützt sich der Verband auf ein Gutachten der WHU – Otto Beisheim School of Management. Verfasst hatten dieses der Volkswirt Christian Hagist und der Gesundheitsökonom Stefan Fetzer. Der mögliche Anstieg auf mindestens die Hälfte des Bruttogehalts könnte bis zum Jahr 2050 eingetreten sein.

Die Verfasser der Studie gehen davon aus, dass eine solche Entwicklung gleichbedeutend mit einem Zusammenbruch des Sozialstaates sein würde. Dies würde nicht nur Folge der demografischen Entwicklung sein, die eindeutige Überalterung und eine immer geringere Zahl an Beitragszahlern erwarten ließe.

Ein solches Ausmaß an Lohnnebenkosten würde sowohl für Arbeitgeber als auch für Erwerbsfähige die Motivation zur Arbeit wegfallen lassen, erklärt Fetzer. Auch sein Mitautor Hagist hält zwei Szenarien für möglich: Eines wäre „eine einseitige Aufkündigung des Generationenvertrags durch die junge Generation“. Das andere wäre eine Abwanderung aus Deutschland beziehungsweise eine drastische Zunahme der Schwarzarbeit im Inland.

Arbeitgeberpräsident Dulger hatte bereits vor Rentenkollaps gewarnt

Bereits jetzt lasse sich ein „Trend zu Desinvestitionen“ feststellen, bestätigt auch der Bundesvorsitzende der Jungen Unternehmer, Thomas Hoppe, die Einschätzungen. Er war bei der Vorstellung der Studie anwesend, die auch auf der Website der Vereinigung zu finden ist.

Dass bereits das Rentensystem auf einen Kollaps zusteuere, hatte jüngst unter anderem Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger zum Ausdruck gebracht. Schon in 15 Jahren, so der Verbandschef, kämen auf 100 aktive sozialversicherungspflichtig Beschäftigte 70 Rentenempfänger.

Aber auch der Sozialverband VdK hat kritisiert, die Bundesregierung nehme die Rentenproblematik nicht hinreichend ernst. Dies, so VdK-Präsidentin Verena Bentele, zeige sich beispielsweise in der Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung in Höhe von 600 Millionen Euro. Auf diese Weise will die Bundesregierung im Jahr 2024 den Haushalt entlasten.

Studienautoren: „Renten müssen auch sinken können“

Hagist und Fetzer gehen im Fall des Rentenversicherungsbeitrages davon aus, dass dieser bis 2050 von aktuell 18,6 auf dann mehr als 22 Prozent steigen werde. Die Regierung Schröder hatte einst das Rentenniveau gesenkt, um einen dramatischen Anstieg der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abzuwenden.

Im Gegenzug wollte man über das Alterseinkünftegesetz die private und betriebliche Altersvorsorge im sogenannten Drei-Schichten-Modell fördern. Das Mindestsicherungsniveau bei der Rente liegt derzeit bereits nur noch bei 48 Prozent des jeweiligen Durchschnittsverdienstes.

Die Autoren der Studie zur „Tragfähigkeit der Sozialversicherung in Deutschland“ halten bereits diese Garantie für ein Versprechen, das sich auf Dauer nicht mehr halten lassen werde. Das Rentenniveau müsse „sinken können“, damit sich auch Bezieher und rentennahe Jahrgänge „an den Transformationskosten des demografischen Wandels beteiligen“.

Außerdem plädieren die Autoren für eine Kopplung des Rentenalters an die Entwicklung der Lebenserwartung und eine Anpassung des sogenannten Nachhaltigkeitsfaktors an die reale demografische Entwicklung.

Medizinischer Fortschritt und Klinikreform als Treiber der Sozialbeiträge in der GKV

Das Rentensystem ist jedoch nicht die einzige Achillesferse des deutschen Sozialversicherungssystems, heißt es in dem Gutachten. Vor allem das Gesundheitswesen werde zunehmend zum Kostentreiber im Bereich der sozialen Sicherungssysteme.

Der Grund dafür ist eigentlich ein erfreulicher: Deutschland wahrt den Anschluss an die medizinisch-technische Entwicklung. Allerdings kostet die Spitzenmedizin, und dadurch steigen die Gesundheitsausgaben deutlich schneller als das BIP.

Der allgemeine Beitragssatz war in den vergangenen Jahren recht stabil bei 14,6 Prozent geblieben. Jedoch ist der Zusatzbeitrag in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) seit 2021 von 1,3 auf mittlerweile 1,7 Prozent angestiegen.

Die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach angekündigte Klinikreform setzt Investitionen in angeschlagene Krankenanstalten voraus, die über einen „Transformationsfonds“ getragen werden sollen. Bund und Länder sollen diesen je zur Hälfte finanzieren.

GKV-Beitrag plus 1,5 – Zusatzbeitrag plus 0,3 – Pflegeversicherung plus 1,0 Prozentpunkte

Die prekäre Haushaltslage wird jedoch voraussichtlich dazu führen, dass eine ausschließliche Finanzierung der „Transformation“ über die öffentlichen Haushalte nicht stattfinden wird. Dies mache, so Hagist und Fetzer, die Wahrscheinlichkeit weiterer Beitragserhöhungen wahrscheinlich.

Selbst bei einer moderaten Steigerung von jährlich 0,15 Prozentpunkte bedeute dies über die angedachte Fondslaufzeit von zehn Jahren ein Plus von 1,5. Lauterbach wollte zudem den operativen Spielraum der Kliniken durch höhere Vergütungen erweitern. Dafür werde einer Berechnung der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) zufolge eine Erhöhung des Zusatzbeitrages um etwa 0,3 Prozentpunkte fällig.

Der derzeit bei vier Prozent angesetzte Beitrag zur Pflegeversicherung wird nach Einschätzung der Studienautoren perspektivisch auf fünf Prozent steigen. Dies habe – anders als die Klinikreform von Karl Lauterbach – keinen speziellen zugrunde liegenden Faktor. Es sei vielmehr einfach die Folge der zu erwartenden demografischen Entwicklung.



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