OECD-Bericht: Deutsche arbeiten lange – und erhalten wenig Rente

Der alle zwei Jahre erscheinende Bericht „Pensions at a Glance“ der OECD weist aus, dass Berufstätige in Deutschland später in Rente gehen als in vielen anderen Industriestaaten. In der Höhe der Altersbezüge schlage sich dies jedoch nicht nieder.
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OECD-Sitz in Paris.Foto: ERIC PIERMONT/AFP via Getty Images
Von 25. Dezember 2023

Spätestens seit Mitte der 1980er-Jahre sinken in allen Ländern der Welt die Geburtenraten – mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. In den westlichen Industrieländern vollzieht sich der Prozess schneller. Deutschland gehört zu den Ländern mit der nachteiligsten Entwicklung. Die dadurch fortschreitende Überalterung macht sich bei der Rente bemerkbar. Das geht nun auch aus dem aktuellen OECD-Bericht „Pensions at a Glance“ hervor. Dieser erscheint alle zwei Jahre.

OECD ist die Kürzung für Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung. Das ist eine internationale Organisation mit 38 Mitgliedstaaten, die sich der Demokratie und Marktwirtschaft verpflichtet fühlen. Die meisten Mitglieder gehören zu den Ländern mit hohem Pro-Kopf-Einkommen und gelten als entwickelte Länder.

Deutschland hat im OECD-Schnitt hohen Anteil älterer Erwerbstätiger

Während der erwerbsfähige Teil der Bevölkerung in der OECD insgesamt bis 2062 um elf Prozent schrumpfen werde, werden es in Deutschland demnach 23 Prozent sein. Dies werde auch Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern haben.

Grob werde das zur Folge haben, dass weniger Beitragszahler entweder höhere Beiträge für niedrigere Renten bezahlen müssen – oder ihr eigener Rentenantritt sich verzögert. Dabei arbeiten Menschen in Deutschland im Vergleich zu anderen Industrieländern schon jetzt verhältnismäßig lange.

In dem Bericht heißt es etwa, dass in Deutschland der Anteil der Erwerbstätigen im Alter von 60 bis 64 Jahren bei 63 Prozent liegt. Im OECD-Schnitt sind es dagegen nur 54 Prozent, in Frankreich gar nur etwas mehr als ein Drittel.

Hälfte der derzeit Erwerbstätigen wird Rente unter 1.500 Euro bekommen

Was die Altersarmut anbelangt, liegt die relative Einkommensarmutsquote von Menschen ab 66 Jahren demnach bei elf Prozent. Demgegenüber sind es im OECD-Schnitt 14 Prozent. Ob es dauerhaft so bleiben wird, ist fraglich.

Wer nach 45 Beitragsjahren ohne Abschläge in den Ruhestand trete, werde im Schnitt lediglich etwa 44 Prozent seines letzten Nettoeinkommens als Rente erhalten. Unter Berücksichtigung einer privaten Rentenversicherung wären es etwa 55 Prozent. Im OECD-Schnitt läge das Niveau bei 61 Prozent. Allein in Österreich soll der durchschnittliche Rentenbezug im Monat um 400 Euro höher sein als in Deutschland.

Zwar gilt die sogenannte Nettoersatzquote, die sich auf die Rente in Relation zum letzten Erwerbseinkommen bezieht, als umstrittene Größe. Sie würde kritischen Beobachtern zufolge nicht alle relevanten Aspekte berücksichtigen.

Dennoch räumt die Bundesregierung selbst ein, dass auch bei ausreichend langen Zeiträumen der Beitragszahlung Armut im Alter droht. Nach derzeitigem Stand hätten etwa 9,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Vollzeiterwerbstätige in Deutschland eine Rente von unter 1.500 Euro zu erwarten. Das wären fast die Hälfte der derzeit knapp 22 Millionen rentenversicherungspflichtig Beschäftigten.

Bund plant Versicherungspflicht für Selbstständige

Der OECD-Studie zufolge müssten sich vor allem Selbstständige im Alter auf deutliche Einschränkungen gefasst machen. Deutschland gehöre zu jenen fünf OECD-Ländern, in denen diese nicht generell gesetzlich versichert seien. Jene, die weder gesetzlich noch privat vorsorgten, würden im Rentenalter gar nur auf 44 Prozent der Rente eines angestellten Arbeitnehmers kommen.

Die Bundesregierung fasst nun eine Versicherungspflicht für Selbstständige einzuführen. Diese sollen künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen, sofern sie über kein als „gleichwertig“ eingestuftes privates Vorsorgeprodukt verfügen. Dem OECD-Bericht zufolge würden sich die Effekte einer solchen Regelung jedoch erst nach Jahrzehnten einstellen.

Als ein möglicher Weg, das Missverhältnis zwischen Beitragszahlern und Rentenempfängern nicht aus dem Ruder laufen zu lassen, gilt eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung. Eine solche gebe es bereits in etwa einem Viertel der OECD-Länder.

OECD: Problem schwerer oder gefährlicher Arbeit nicht über Rente lösen

Im aktuellen Bericht heißt es auch, dass die hohe Inflation dazu führe, dass kurzfristig die Preisindexierung für Rentner vorteilhafter sei als die Lohnindexierung. Langfristig könne dies für massive Probleme für Rententräger und öffentliche Finanzen führen. Mehr als die Hälfte der OECD-Länder schützt die Rentner im Laufe der Zeit vollständig vor der Inflationsentwicklung.

In Deutschland gilt die sogenannte Rentenanpassungsformel, die sich an der Lohnentwicklung orientiert. Dazu kommt jedoch die Rentengarantie, die Empfänger vor Anpassungen an rückläufige Löhne schützt.

Was die Problematik schwerer oder gefährlicher Arbeit angeht, spricht sich die OECD-Studie dagegen aus, dieser über ein niedrigeres Renteneintrittsalter zu begegnen. Stattdessen sollten Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Sicherheitsvorschriften Vorrang haben sollten, um Gesundheitsrisiken zu minimieren.

Bislang kaum effiziente Maßnahmen gegen demografische Krise in Sicht

Die politischen Maßnahmen in Deutschland, um der Entwicklung entgegenzuwirken, erscheinen in Anbetracht der Dramatik der Entwicklung häufig zaghaft. Eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung gilt als politisch heikel. Bisherige Maßnahmen dienten vor allem der Beitragsstabilisierung – nicht der Absicherung des Rentenniveaus.

Auch die infolge der Haushaltskrise hinausgezögerte „Aktienrente“ stellt keinen Schritt hin zu einer Umstellung vom Umlage- zum Kapitaldeckungsverfahren dar. Das sogenannte Generationenkapital, das dabei angespart werden soll, ist vor allem dafür gedacht, die Rentenbeiträge nicht explodieren zu lassen. Der Fonds, der dieses verwaltet, soll Bundesmittel erhalten – für die ein Darlehen aufgenommen werden soll.

Zudem soll die Anlagepolitik nach ESG-Kriterien ausgerichtet sein, also „ökologische“ und „soziale“ Anliegen über die Maximierung der Rendite stellen. Das Problem einer weiterhin drastisch sinkenden Geburtenrate scheint politisch gar nicht auf der Tagesordnung zu stehen. Auch hier soll eine erleichterte Fachkräfteeinwanderung primär akute Probleme auf dem Arbeitsmarkt entschärfen. Doch selbst ein – wenig wahrscheinliches – Erreichen der von der Bundesregierung angestrebten Einwanderung von 400.000 Fachkräften im Jahr würde die Überalterung nicht stoppen.



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