Ein teurer Schritt nach Osten: Der Preis eines EU-Beitritts der Ukraine für Deutschland

Mit den bislang 28 Milliarden Euro Steuergeld für Hilfsleistungen an die Ukraine ist der finanzielle Aufwand für Deutschland noch nicht abschließend beziffert. Das BIP könnte kriegsbedingt bereits um 240 Milliarden dezimiert worden sein. Auch ein EU-Beitritt käme den Steuerzahler teuer zu stehen.
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Das Symbolbild zeigt die Botschaft der Ukraine in Berlin. Brüssel will das Land in die EU aufnehmen, wenn der Krieg vorbei ist. Als Netto-Nehmerland würde Kiew Milliarden bekommen.Foto: via dts Nachrichtenagentur
Von 22. Februar 2024

Ein EU-Beitritt der Ukraine würde den deutschen Steuerzahler jedes Jahr etwa 4,5 Milliarden Euro mehr kosten. Das geht nach Informationen der „Welt“ aus einer „Berechnung der renommierten estnischen Denkfabrik International Centre for Defence and Security“ (ICDS) hervor. Demnach würde der jährliche Nettobeitrag der Bundesrepublik in den EU-Steuertopf auf rund 26 Milliarden Euro ansteigen.

Umgekehrt würde die Ukraine mit einem Schlag zum größten Nettoempfänger avancieren: Etwa 19 Milliarden Euro stünden ihr jedes Jahr aus dem EU-Haushalt zu, deutscher Anteil inklusive. Das hatte der britische Ökonom Michael Emerson im Auftrag der ICDS berechnet, wie die „Welt“ berichtet.

Womöglich bis zu 27 Milliarden pro Jahr für Kiew

Andere Forscher seien zu noch höheren Zahlen gelangt. So habe beispielsweise das Generalsekretariat des Europäischen Rates in einer internen Untersuchung 26 Milliarden Euro für realistisch gehalten. Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) war noch im Dezember 2023 davon ausgegangen, dass die EU der Ukraine im Fall ihres Beitritts „18 bis 27 Milliarden Euro pro Jahr“ überweisen müsse. Innerhalb von sieben Jahren würden so 130 bis 190 Milliarden Euro zusammenkommen.

Nach den aktuellen EU-Verteilungsrichtlinien hätte die Ukraine als Land mit besonders viel Agrarfläche laut „Welt“ „Anspruch auf mehr Fördergeld“ als jedes andere EU-Land. Insbesondere die „Agrarsubventionen“ würden mit knapp zehn Milliarden pro Jahr zu Buche schlagen. Weitere neun Milliarden seien aus dem „Kohäsionsfonds für wirtschaftsschwache Regionen“ zu erwarten.

Deutschland größter Geber, Polen größter Nehmer

Zum Vergleich: Polen habe als aktuell größter Nettoprofiteur der EU im Jahr 2022 insgesamt mehr als elf Milliarden Plus gemacht, Rumänien 5,5 Milliarden, Ungarn 4,2 Milliarden, Belgien 3,4 Milliarden. Selbst das reiche Luxemburg habe nach ICDS-Berechnungen 2,3 Milliarden netto aus dem EU-Topf bekommen.

Deutschland habe im selben Jahr dagegen 21,5 Milliarden Nettoverlust gemacht. Der zweitgrößte Geberstaat habe 2022 Frankreich geheißen (9,6 Milliarden Netto-Minus), gefolgt von den Niederlanden (minus 6,3 Milliarden), Italien (minus 4,9) und Schweden (minus 2,3). Die Höhe der Mitgliedsbeiträge eines Staates hängt vom Bruttonationaleinkommen (BNE) ab. Das BNE beschreibt laut „Welt“ die „Summe aller erwirtschafteten Einkommen der Inländer“.

EU-Budget für Landwirtschaft reformieren?

Nach Informationen der „Welt“ ist das Budget für Landwirtschaftsförderung innerhalb der EU nicht auf eine bestimmte Summe begrenzt, sondern muss pro Hektar Fläche ausgeschüttet werden. Wenn also, wie im Fall der Ukraine, mehr Fläche dazu kommen sollte, müsste entweder der Haushaltsposten aufgestockt oder die Zuwendung pro Hektar vermindert werden. Derzeit liege die Direktzahlung je 10.000 Quadratmeter landwirtschaftlicher Fläche bei „mindestens 157 Euro“.

So habe sich der EU-Abgeordnete und Haushaltsexperte Moritz Körner (FDP) bereits für eine radikale Reform ausgesprochen, sofern die Ukraine beitreten sollte. Angesichts der „jüngsten Proteste der Landwirte“ sei es allerdings „heikel“, deren Subventionen anzutasten.

Grundsätzlich sei eine Budgetreform aber „machbar und ohnehin überfällig“, wie Körner im „Welt“-Gespräch geäußert habe. Er glaube allerdings, dass es beim EU-Kohäsionsfonds weniger Handlungsbedarf gebe, auch für den Fall eines Ukraine-Beitritts: „In dem Topf liegt viel Geld herum“, zitiert ihn die „Welt“. Denn die EU-Staaten riefen die Mittel aus diesem Fonds „nur zögerlich ab“. 2023 hatte der Kohäsionsfonds laut „Welt“ mit 70,6 von insgesamt 186, 6 Milliarden Jahresgesamtbudget den mit Abstand größten Haushaltsposten der EU ausgemacht. Aus dem „vorherigen Budget“ seien laut Körner „noch mehr als 40 Milliarden Euro übrig“.

Das Institut der deutschen Wirtschaft hatte im Dezember 2023 empfohlen, die EU nicht nur fiskalisch, sondern auch institutionell zu reformieren, bevor man Kiew eine glaubwürdige Beitrittsperspektive bieten solle.

Knappe Mehrheit in Deutschland gegen EU-Beitritt

Obwohl es auch zu Reibereien kommen könnte, weil die Ukraine in Binnenmarktkonkurrenz zu anderen landwirtschaftlichen Exportnationen der EU stehen würde, rechnet der grüne EU-Parlamentarier Rasmus Andresen der „Welt“ zufolge nicht mit einem Rückzug des Aufnahmebekenntnisses der 27 EU-Länder von Mitte Dezember 2023.

In Deutschland hatte sich eine knappe Mehrheit von 52 Prozent der Bürger nach einer repräsentativen Umfrage der Bertelsmann Stiftung jüngst gegen die Aufnahme der Ukraine ausgesprochen.

Rasmus Andresen hatte dagegen argumentiert, dass ein Ukraine-Beitritt für die EU nach Kriegsende „mehr Sicherheit, mehr Rohstoffe, mehr Binnenmarkt“ bedeuten würde. Die Direktzahlungen pro Hektar aus dem EU-Agrarfonds würde er allerdings abschaffen: „Es wäre besser, die Gelder an andere Bedingungen zu knüpfen und zum Beispiel jene Landwirte zu belohnen, die besonders stark auf Tierwohl und Klimaschutz achten“.

BIP-Verluste Deutschlands zwischen 200 und 240 Milliarden

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Prof. Marcel Fratzscher, hatte die „wirtschaftlichen Kosten für Deutschland nach zwei Jahren Ukraine-Krieg“ auf deutlich mehr als 200 Milliarden Euro beziffert. „Vor allem die hohen Energiekosten“ seit dem Ausfall des russischen Gases hätten das Wirtschaftswachstum in den Jahren 2022 und 2023 um jeweils etwa 2,5 Prozent geschmälert. Umgerechnet bedeute das einen Verlust von jeweils 100 Milliarden beim Bruttoinlandsprodukt (BIP). Dabei handele es sich jedoch nur um die „direkten finanziellen Kosten“.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln) hatte nach Informationen des „Tagesspiegel“ sogar 240 Milliarden Euro Verlust für die Jahre 2022 und 2023 ausgerechnet.

Handelsverflechtungen kosten bis 2026 weitere 20 Milliarden

Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (ifw) war nach einem Bericht der „Berliner Zeitung“ zu weiteren Zahlen gelangt. Diese beschrieben allerdings lediglich die „Kosten ‚typischer‘ zwischenstaatlicher Kriege in der Vergangenheit“ für die „Handelsverflechtungen“. Daran gemessen, würden die Mitgliedsstaaten der EU infolge des Ukraine-Krieges bis zum Jahr 2026 Verluste des Bruttoinlandsprodukts (BIP) in Höhe von 70 Milliarden US-Dollar hinnehmen müssen. Allein Deutschland werde 20 Milliarden US-Dollar beim BIP einbüßen.

Die BIPs von „Staaten in Nord- und Südamerika oder Ostasien“ würden dagegen vom Ukraine-Krieg profitieren. Das ifw hatte eigens einen Kriegspreisrechner („Price of War Calculator“) für seine Modellrechnungen entwickelt.

Schon 28 Milliarden an direkten Hilfskosten

Nach Angaben der Bundesregierung leistete Deutschland mit Stand 13. Dezember 2023 der Ukraine bereits Hilfe im Wert von rund 28 Milliarden Euro – „als humanitäre Unterstützung, direkte Zahlungen oder in Form von Waffen“.

Ein Ende scheint nicht in Sicht: Der frühere NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen forderte den Westen jüngst auf, die Wirtschaft zu einer Kriegswirtschaft umzustellen. Zudem solle die NATO bereits im Juli 2024 Beitrittsverhandlungen mit der Ukraine aufnehmen.

Die EU beschloss unterdessen ein neues Sanktionspaket gegen Russland: Es handelt sich bereits um das Dreizehnte.

Erst am 16. Februar 2024 hatte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ein bilaterales militärisches Unterstützungsabkommen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj unterzeichnet. Den finanziellen Umfang des Pakets bezifferte der Kanzler mit 1,1 Milliarden Euro.

Ampelfraktionen wollen mehr

Nach Informationen der „Zeit“ fordern alle drei Koalitionsfraktionen im Bundestag von der Regierung noch mehr Waffenlieferungen, insbesondere „weitreichende Waffensysteme und Munition“. Obwohl die Beschreibung auf die seit Monaten verlangten Taurus-Marschflugkörper passen würde, tauche das Wort nicht im noch unveröffentlichten Entschließungsantrag der Fraktionsvorsitzenden („Die Ukraine und Europa entschlossen verteidigen“) auf. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte sich bislang dagegen gesträubt.

Eine Übersicht der bisher gelieferten Waffen aus Deutschland gibt es auf der Website „Bundesregierung.de“.



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