Katrin Göring-Eckardt: „Brandstiftern und Verschwörungstheoretikern die Glut“ nehmen

Die grüne Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt hat davor gewarnt, die Aufarbeitung der Corona-Krise für eine Diffamierung der Handelnden zu missbrauchen. Sie sieht insbesondere die Maßnahmenkritiker in der Pflicht.
Göring-Eckardt sagt, es wäre klug gewesen, schon zu Beginn der Legislaturperiode eine transparente Debatte zu führen, was das Land aus der Pandemie lernen könne.
Göring-Eckardt sagt, es wäre klug gewesen, schon zu Beginn der Legislaturperiode eine transparente Debatte zu führen, was das Land aus der Pandemie lernen könne.Foto: Jan Woitas/dpa
Von 28. März 2024

Anlässlich immer lauterer Rufe nach einer Aufarbeitung der politischen Entscheidungen, die während der Corona-Krise getroffen worden waren, hat sich nun auch Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zu Wort gemeldet. In einem Interview mit den Zeitungen der Funke-Mediengruppe betonte sie die Verantwortung der Kritiker der Maßnahmenpolitik. Diese sollten „sich fragen, ob sie Ängste und Sorgen ihrer Mitmenschen vor dem Unbekannten zu sehr ignoriert hatten“.

„Eine Aufarbeitung sollte nicht missbraucht werden, um Handelnde in Politik, Ärzteschaft, Wissenschaft zu diffamieren“, mahnte Göring-Eckardt. Es besorge sie, „wie mit der Pandemie noch heute Stimmung gegen unsere parlamentarische Demokratie gemacht“ werde.

Die ehemalige Theologie-Studentin sprach sich laut „Welt“ für „Offenheit“ aus, um „den Brandstiftern und Verschwörungstheoretikern die Glut“ zu nehmen.

Blick nach vorne richten

Ähnlich wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) empfahl Göring-Eckardt, den Blick besser nach vorne zu richten: Es gelte nachzuholen, was zu Beginn der Legislatur Ende 2021 versäumt worden sei – nämlich transparent und darüber zu reden, was das Land aus den Jahren 2020 bis 2023 lernen könne. Zudem solle man „ideologiefrei“ klären, „wie wir uns als Politik und Gesellschaft gut dafür rüsten, falls eine ähnliche Ausnahmesituation uns in Zukunft bedrohen wird“.

Defizite bei der „demokratischen Kontrolle“ während der Corona-Zeit sieht Göring-Eckardt offenbar nicht:

So hatten wir im Bundestag beispielsweise dafür gesorgt, dass nicht die Regierung den Epidemiefall ausruft, sondern das Parlament, also die gewählten Vertreterinnen und Vertreter des Volkes.“

In der Tat hatte der Bundestag am 25. März 2020 eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ gemäß Paragraf 5 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ausgerufen (PDF) und später immer wieder verlängert. Der Zustand diente zunächst als rechtliche Grundlage für die Corona-Verordnungen von Bund und Ländern. Zur gemeinsamen Abstimmung der Corona-Maßnahmen in den drei Jahren danach hatten sich daraufhin meist Bund-Länder-Runden getroffen: Sie mussten ihre Beschlüsse nun nicht mehr jedes Mal vom Bundestag absegnen lassen.

Spätestens am 18. November 2020 hatten die Parlamentarier die Bundesregierung auf Betreiben der Fraktionen von CDU/CSU und SPD mit der Einführung des Paragrafen 28a IfSG allerdings ermächtigt, bislang nicht gekannte, „besondere Schutzmaßnahmen“ anzuordnen. Dazu gehörten unter anderem Abstandsgebote, Kontaktbeschränkungen, Maskenpflichten und die „Verpflichtung zur Vorlage eines Impf-, Genesenen- oder Testnachweises“ (Video der Plenardebatte auf YouTube). Unweit des Reichstagsgebäudes ging die Polizei am selben Tag mit Wasserwerfern gegen Bürger vor, die gegen das Gesetz demonstriert hatten (Video auf YouTube). Die Notlage „von nationaler Tragweite“ lief offiziell erst zum 25. November 2021 aus, nachdem der Bundestag sie Ende August desselben Jahres nicht mehr verlängert hatte.

Auf Betreiben der Ampelparteien entschied der Bundestag am 18. November 2021 allerdings, dass es auch weiterhin einen „bundeseinheitlich anwendbaren Katalog möglicher Schutzvorkehrungen“ geben sollte – nun eben auf Grundlage von Paragraf 28a IfSG. Die Folgeregeln wurden bis ins Jahr 2023 hinein angewendet. Erst im Frühjahr 2023 kehrte wieder ein weitgehend normales Alltagsleben in Deutschland ein.

„Es war nicht alles falsch, es war nicht alles richtig“

„Ich bin überzeugt: Es war nicht alles falsch, es war nicht alles richtig, was umgesetzt und verlangt worden war“, räumte Göring-Eckardt nach Informationen der „Welt“ ein. Dass auch Fehler gemacht worden seien, sei „doch auch nachvollziehbar in einer Situation, die noch nie war“, beschwichtigte sie. Nun gehe es auch darum, „Wunden in der Gesellschaft, die das Coronavirus verursacht hat, zu heilen“.

Ende des Jahres 2021 hatte sich Göring-Eckardt im „Deutschlandfunk“ (DLF) für eine allgemeine Impfpflicht eingesetzt. Deren Gegner bezeichnete sie als „kleine Minderheit“, „Verschwörungsideologen“ und „Rechtsextreme“. Noch am 17. März 2022, drei Wochen vor der gescheiterten Bundestagsabstimmung über eine Ü60-Impfpflicht, war sie diesbezüglich im Plenarsaal zuversichtlich gestimmt:

Es gibt ja einige […], für die die allgemeine Impfpflicht […] immer ein Riesenproblem war. Für die wird es jetzt ein bisschen einfacher. Da gibt es nämlich eine Anweisung, und dann muss man das machen. Damit, glaube ich, sind wir ganz gut aufgehoben.“

BMG-Chef Karl Lauterbach will die Corona-Aufarbeitung nun offenbar mit mehr Transparenz unterfüttern. „Wir dürfen nicht den Fehler machen, dass wir jetzt auch in dieser Frage erneut versuchen, Leute zu spalten gegeneinander“, erklärte Lauterbach am 27. März 2024 im DLF. Dazu kündigte er an, eine „weitestgehend entschwärzte“ Fassung jener RKI-Protokolle vorlegen zu wollen, die den Ruf nach einer Aufarbeitung zuletzt befeuert hatten. In etwa vier Wochen sollen die Papiere vorliegen.

Lauterbach sieht Verantwortung bei der Politik

Lauterbach räumte ein, dass Beschlüsse zu Corona-Maßnahmen „natürlich immer eine politische Entscheidung gewesen“ seien. Es sei „natürlich auch ganz klar, dass andere Prioritäten möglich gewesen wären“. Er wolle nicht den Eindruck erwecken, „dass Wissenschaftler die Verantwortung getragen hätten. Das ist natürlich falsch.“

Zu Anfang des Gesprächs hatte der Sozialdemokrat erneut Fehler eingestanden: „Wir haben damals nicht alles gewusst; und daher die ein oder andere Entscheidung von damals wird auch falsch gewesen sein. Das ist ja auch klar.“ Vieles habe sich „erst mit der Zeit geklärt“. Er selbst sei nur „beratend tätig“ gewesen, als die „wichtigen Entscheidungen getroffen“ worden seien.

Auch Habeck dafür, „Lehren zu ziehen“

Wie die „Bild“ berichtete, hatte sich vor ein paar Tagen auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) den Forderungen nach einer Aufarbeitung angeschlossen: „Ich denke, wir sollten den Mut haben, die Lehren ziehen, Abläufe überprüfen, die Auswirkungen evaluieren.“

Habeck hatte sich im November 2021 unter anderem für Kontaktbeschränkungen für Ungeimpfte und für flächendeckende 2G-Maßnahmen starkgemacht und gefordert: „Impfen, bis die Nadel glüht.“



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