Spitzenkandidaten zur Wahlwiederholung im TV-Duell

Weniger Autos oder individuelle Freiheit? Wie wird die Sicherheit in Berlin garantiert? Und wie soll bezahlbarer Wohnraum entstehen? Diese und weitere Fragen beantworteten die Spitzenkandidaten der Parteien im Kandidatencheck.
Titelbild
Am kommenden Sonntag wird in Berlin gewählt. Der Wahlkampf ist in vollem Gange.Foto: iStock/keport
Von 8. Februar 2023

Für alle Berliner, die sich in Ihrer Entscheidung für die kommende Wahl des Berliner Abgeordnetenhauses noch unsicher sind, dürfte die Fernsehdebatte vom Dienstagabend, 7. Februar, interessant sein. Im „Kandidatencheck“ des rbb diskutierten die Spitzenkandidaten der Parteien und beantworteten Fragen von Bürgern.

Aufeinander trafen die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD), Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne), CDU-Fraktionschef Kai Wegner, Kultursenator Klaus Lederer (Linke), AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker und FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja.

In Berlin wird am kommenden Sonntag, dem 12. Februar, gewählt.

Franziska Giffey will ihren Posten als Regierende Bürgermeisterin verteidigen. Die Grünen und die SPD kämpfen um einen Erhalt der rot-grün-roten Koalition. Umfragen zufolge erscheint es allerdings am wahrscheinlichsten, dass die CDU als Sieger aus der Wahlwiederholung hervorgeht.

Die großen Themen des Abends waren Sicherheit, Wohnraum und die Debatte um die Zukunft des Berliner Verkehrs. Insgesamt schien es anfänglich weitestgehend Einigkeit zwischen den Kandidaten zu geben. Sie alle wollen für Elektroroller, sogenannte E-Scooter, Parkplätze einrichten. Alle sprachen sich auch dafür aus, Gartenanlagen durch ein Kleingartensicherungsgesetz vor Bebauung zu schützen.

 

Die Kandidaten zur Senatswahl in Berlin 2023 (v.l.): Klaus Lederer (Linke), Kristin Brinker (AfD), Sebastian Czaja (FDP), Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch (Grüne), Kai Wegner (CDU). Foto: Screenhot/rbb24

Die Kandidaten zur Senatswahl in Berlin 2023 (v.l.): Klaus Lederer (Linke), Kristin Brinker (AfD), Sebastian Czaja (FDP), Franziska Giffey (SPD), Bettina Jarasch (Grüne), Kai Wegner (CDU). Foto: Screenhot/rbb24

Wohnraum

Ein erstes Streitthema warf die Frage nach Wohnraum auf. Für alle Kandidaten steht fest, dass es mehr bezahlbaren Wohnraum geben müsse. Unterschiede gibt es jedoch in der Umsetzung: Die Linken fordern eine Mietenregulierung. Die Grünen möchten sich per „Objektförderung“ für die Unterstützung von Bauherren einsetzen.

Czaja stellte dem allerdings klar entgegen, dass in Berlin zu viel über Enteignung gesprochen werde. Dies schrecke Bauherren ab. In der Folge entstehe kein bezahlbarer Wohnraum. Für die AfD ist das Stichwort „Subjektförderung“ von Relevanz: Bürger sollen durch Wohngeld und Co entlastet werden.

Aus dem Publikum meldete sich Familienvater Ricardo Ewert zu Wort: Für manche Familien seien die Mietpreise schon jetzt zu hoch. Es bringe nichts, wenn bezahlbarer Wohnraum erst gebaut werden müsse. Die CDU machte sich daraufhin für eine Mietpreisbremse stark, FDP und SPD fordern einen Mietendeckel.

Das Thema „beim Namen nennen“

Statistisch gesehen nahmen die Straftaten in den letzten Jahren zusehends ab. Dennoch ist die Frage nach der Sicherheit für Bürger und Einsatzkräfte von Relevanz – vor allem nach der Silvesternacht.

Zwei Bürger äußerten sich zum Thema: Der Feuerwehrmann Baris Coban war an Silvester in Berlin-Neukölln im Einsatz. Nach seinen Beobachtungen waren an den Krawallen vor allem junge Männer beteiligt gewesen, größtenteils mit Migrationshintergrund. Er betonte, dass er selbst einen Migrationshintergrund habe.

Die Sozialarbeiterin Samira Bekkadour-Hotz hingegen führte aus, dass die Krawalle nicht kulturell begründet werden könnten: „Die Chancenungleichheit gibt es wegen der sozialen Herkunft“, sagte sie.

Feuerwehrmann Coban kritisierte die Debatte, weil Menschen in die „rechte Ecke“ gestellt würden, wenn sie das Thema beim Namen benennen würden. Manche Kollegen hätten ihm dafür gedankt, dass er das Thema offen ausspreche. Vor allem Deutsche würden häufig auf Widerstand stoßen, wenn sie darüber sprächen. Dafür erntete Coban begeisterten Applaus aus dem Publikum.

Sicherheit

Die Frage nach Sicherheit erzeugte weitestgehend Einigkeit unter den Spitzenkandidaten: Es müsse ausreichend Stoppzeichen geben, gleichzeitig müssten Präventionsmaßnahmen geschaffen werden. Unterschiede gibt es jedoch in der Gewichtung der Hintergründe von Tätern.

CDU-Fraktionschef Kai Wegner räumte ein, dass Menschen mit Migrationshintergrund einen anderen Hintergrund hätten: „Das Problem sollte beim Namen genannt werden.“

Die AfD-Kandidatin Kristin Brinker positionierte sich noch schärfer: Es gelte, „eine klare Sprache [zu] sprechen“. Die Präventionsarbeit erreiche schon jetzt bestimmte Gruppen von Straftätern nicht. Diese müssten bei Verbrechen Bestrafungen erfahren.

Der Vertreter der Linken, Klaus Lederer, schlug vor, Bodycams und Elektroschockpistolen für Rettungskräfte zu testen. Damit könnte er sich selbst ein Bein gestellt haben: CDU-Kandidat Kai Wegner antwortete mit der Frage, warum sich Lederer nicht für eine Verpflichtung aussprechen wolle, wenn die Beamten und Angestellten sich mit Bodycams und Elektroschockpistolen doch nachweislich sicherer fühlten. Lederer konterte: Die Arbeitsbedingungen müssten zunächst verbessert werden, die Struktur müsse insgesamt stimmen.

Lehrermangel

Die Arbeitsbedingungen wurden auch beim Problemfeld Lehrermangel mehrfach angesprochen. Das Thema fand allerdings nur in einer kurzen Fragerunde Platz.

Um dem Lehrermangel zu begegnen, wollen Grüne, FDP und Linke mehr Quereinsteiger und pädagogische Kräfte einstellen. Die CDU und SPD setzen auf eine Steigerung der Hochschulausbildung. Die AfD spricht sich für eine Etablierung der Ein-Fach-Lehrer aus.

Das Problem des Lehrermangels hinterlässt allerdings einige offene Fragen. Woher Fachkräfte kommen sollen und wie zu große Schulklassen verhindert werden können, wurde von keinem der Kandidaten näher beantwortet.

Verkehrspolitik

Autofahren ist in Berlin seit Jahren ein heikles Thema. Die grüne Spitzenkandidatin Bettina Jarasch meinte: „Die Autofahrer haben Platz“. Sie wolle Parkplätze nicht willkürlich wegnehmen. Das Publikum lachte über diese Äußerungen, von manchen war ein „Doch!“ zu hören. Jarasch argumentierte dagegen, dass alle eine gute Luft und grüne Kieze wollten. Dazu müsste es eben weniger und wenn, dann grüne Autos geben.

Die AfD-Kandidatin Kristin Brinker gab zu bedenken, dass es in der Industrie bereits Bestrebungen zum Klimaschutz gebe. Es werden Elektromotoren hergestellt – sie seien aber teuer. Autofahren solle nicht nur für Reiche leistbar sein, sondern allen Menschen ermöglicht werden. Es müsse zwar Klimaschutz im Verkehr geben, die Menschen sollten sich allerdings nicht zum „Knecht von CO2 “ machen, betonte Brinker. Zudem verursache Deutschland mit zwei Prozent CO₂ weltweit nur einen geringen Teil der Emissionen.

Auch der FDP-Vertreter Sebastian Czaja meinte, dass das Auto ein Teil der Stadt sei. Es müsse eine Gleichberechtigung von allen Angeboten geben. Zudem betonte er die Einführung eines Baustellenmanagements. Es sei viel eher klimafreundlich, nicht an vielen Stellen gleichzeitig Baustellen laufen zu lassen, anstatt beispielsweise die Tempo-30-Zonen in Berlin auszuweiten, wie es die Grünen forderten.

CDU-Spitzenkandidat Kai Wegner unterstützte die Forderung nach einem Baustellenmanagement und fügte hinzu, dass derzeit an zu vielen U-Bahn-Linien gebaut würde.

Die grüne Spitzenkandidatin warf der CDU und der FDP daraufhin Heuchelei vor: Der Platz sei in Berlin begrenzt und jeder solle sicher unterwegs sein können.

Die Koalitionsfrage

In den jüngsten Umfragen liegt die CDU weit vorn, gefolgt von den Grünen und der SPD.

CDU-Kandidat Wegner schloss in der Fernsehdebatte eine Koalition mit den Grünen aus, sofern sie sich nicht von einigen ihrer Programmpunkte abwenden würden. Doch genau „das werden sie nicht tun“, sagte Wegner. Prognosen zufolge könnte die CDU demnach noch ein Bündnis mit der SPD und der FDP bilden.

Den Videomitschnitt des Wahlkampf-Duells der Berliner Spitzenkandidaten vom 7. Februar 2023 finden Sie auf den Seiten des rbb.

Verfassungsgericht pochte auf Wahlwiederholung

Im November 2022 wurde entschieden, dass die Wahl in Berlin wiederholt werden muss. Als Gründe gab das Berliner Verfassungsgericht eine ungenügende Vorbereitung und massive Organisationsprobleme an. Diese hatten zur Folge, dass es falsche, fehlende oder eilig kopierte Stimmzettel gegeben hatte, zu wenige Wahlurnen zur Verfügung standen und Bürger vor ihren Wahllokalen teilweise stundenlang anstehen mussten. Vielfach stimmten Wähler auch nach 18:00 Uhr ab, manche noch Stunden nach der offiziellen Schließungszeit.

Die Wahlwiederholung kostet 39 Millionen Euro. Damit ist sie im Vergleich zur Wahl 2021 dreimal so teuer. Damit es nicht zu einem erneuten Fauxpas kommt, werden am 12. Februar mehr Wahlhelfer eingesetzt. Sie sollen zudem eine höhere Aufwandsentschädigung erhalten: Statt 60 soll jeder 240 Euro bekommen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion