Deutschland beschließt „Internationale Digitalstrategie“ – und will „freies Internet“ retten

Die Ampelkoalition hat ihre „Internationale Digitalstrategie“ vorgestellt. Dieser zufolge sollen „wertebasierte Technologiepartnerschaften“ helfen, ein „freies Internet“ zu bewahren. Experten sehen Deutschland und die EU hingegen selbst als Motoren der Fragmentierung.
In der deutschen Digitalwirtschaft sind einseitige Abhängigkeiten ein Dauerzustand.
Deutschland hat jetzt auch eine Internationale Digitalstrategie.Foto: Lino Mirgeler/dpa
Von 8. Februar 2024

Die deutsche Bundesregierung will offenbar auch international etwas mehr in der Digitalpolitik mitzureden haben, als dies bis dato der Fall ist. Ebendarum hat die Ampel am Mittwoch, 7. Februar, erstmals eine „Internationale Digitalstrategie“ präsentiert. Zuvor hatte das Kabinett bereits eine „Nationale Digitalstrategie“ und eine „Cybersicherheitsstrategie“ vorgelegt.

Bund will 1,5 Millionen Euro für digitale „internationale Zivilgesellschaft“ zur Verfügung stellen

Deutschland ist bis dato nicht für unbegrenzte Technologieoffenheit oder ein fortgeschrittenes Ausmaß an Digitalisierung bekannt. Vielen ist noch der Ausspruch der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Erinnerung, die 2013 erklärte, das Internet sei „Neuland“.

Entsprechend ist Deutschland bis dato auch kaum in internationalen Gremien zur Digitalpolitik vertreten. Eine bedeutende Rolle spielen lediglich der eco-Verband, der den wichtigen kommerziellen Austauschknoten DE-CIX in Frankfurt am Main betreibt, und die deutsche Domainverwaltung DENIC.

Künftig strebt die Bundesregierung mehr Einfluss in internationalen Gremien und bei Fragen der technischen Standardisierung an. Dies berichtet „heise.de“. Zudem möchte man auch die „internationale Zivilgesellschaft“ stärken: Hierfür plant die Regierung, sogenannten Nichtregierungsorganisationen 1,5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen.

„Wertebasierte Technologiepartnerschaften“ sollen „Netzkontrolle durch autoritäre Kräfte“ entgegenwirken

Der Anlass für den Vorstoß ist, dass die Bundesregierung das „freie Internet“ in Gefahr sieht. Deshalb wolle sie „geschützte Kommunikation und unzensierten Zugang zu Informationen“ sicherstellen, betonte Bundesdigitalminister Volker Wissing.

Dies steht im Gegensatz zu den Ambitionen in Richtung eines hoheitlichen Informationsmanagements, wie es etwa die EU in den vergangenen Jahren entwickelt hatte. Beispielsweise wurde nach Beginn des Ukraine-Krieges 2022 ein – in der Praxis vielfach umgangenes – Verbot staatlicher Medien der Russischen Föderation verfügt. Zudem behält sich die EU im „Digital Service Act“ weitreichende Eingriffsmöglichkeiten in soziale Medien vor, sobald „Sicherheits- oder Gesundheitsnotstände“ im Spiel seien.

Stattdessen sieht man die Digitalpolitik im globalen Rahmen als „strategisches Handlungsfeld für die Wahrung unserer Interessen und die Förderung unserer Werte“. Um ihre Vorstellung von einem „globalen, freien und offenen Internet“ zu wahren, will die Bundesregierung verstärkt in multilateralen Gremien mitwirken.

„Wertebasierte Technologiepartnerschaften“ sollen demnach die „Entwicklung von Normen und Standards in Multi-Stakeholder-Formaten“ unterstützen. Dies soll Konsequenzen in allen Bereichen haben, von der Netzneutralität über den Schutz vor Internetsperren bis hin zur KI. Marktkonzentration, „Desinformation“ und Ambitionen zur „Netzkontrolle durch autoritäre Kräfte“ sieht die Bundesregierung als Risiken.

„Global Digital Compact“ soll Regierungen stärker in die Pflicht nehmen

Im Jahr 2024 soll es auch im internationalen Rahmen einen Versuch geben, das digitale „globale Dorf“ vor Tendenzen hin zur Deglobalisierung und zum Zerfall in Blöcke zu bewahren. So soll es im Rahmen des von UNO-Generalsekretär António Guterres für den 22. und 23. Dezember geplanten „Zukunftsgipfels“ auch um dieses Thema gehen.

Bereits im Vorfeld strebt die UNO einen „Global Digital Compact“ an. Dieser ist für den September 2024 geplant. Dessen Grundlage ist das Dokument „Our Common Agenda“ aus dem Jahr 2021. Er soll kein verbindlicher Völkerrechtsvertrag werden, aber ein „Konsensdokument, das die Regierungen stärker in die Pflicht nimmt“. Dies äußerte Regine Grienberger, Cyber-Botschafterin des Auswärtigen Amtes, gegenüber „heise.de“.

Innerhalb des Systems der Vereinten Nationen sollen Regierungen, Wirtschaftsunternehmen – vorwiegend Big Tech – sowie Vertreter der sogenannten Zivilgesellschaft zusammenwirken. Sie sollen „gemeinsame Grundsätze für eine offene, freie und sichere digitale Zukunft für alle“ formulieren.

Behinderungen für digitale Datenflüsse schon jetzt Realität

Als zentrale Ziele gelten die Sicherstellung und der Ausbau der digitalen Konnektivität, die Vermeidung einer Fragmentierung des Internets, Datenschutz, Wahrung der Menschenrechte und ein „vertrauenswürdiges Internet“. Die Konsultationen dazu laufen bereits seit Juni 2022.

Tatsächlich sind grenzüberschreitende Datenflüsse schon jetzt einer Vielzahl an Behinderungen und Hemmnissen ausgesetzt. Bereits im Rahmen des 17. Internet Governance Forum (IGF) klagte UN-Tech-Envoy Amandeep Singh Gill über Einschränkungen bei den Möglichkeiten, das Internet global in der gleichen Weise zu nutzen:

„Wir können nicht nahtlos von einer geografischen Region in eine andere oder einem Set von Einstellungen zu einem anderen wechseln. Wir werden eingeschränkt in den Möglichkeiten, wie wir das Netz nutzen.“

Fragmentierung sei bereits jetzt Realität. Das Internet bleibe intakt, solange die teilnehmenden Netze interoperabel blieben, betont Milton Mueller vom Georgia Institute of Technology. Es gebe derzeit keine wirklichen Alternativen für das einheitliche System der Adressierung über Domainnamen und IP-Adressen.

Huawei arbeitet an neuem IP-Projekt – aber auch Deutschland und EU schotten sich ab

Der KP-nahe chinesische Huawei-Konzern habe mit seinem „New IP“-Projekt jedoch bereits einen ersten Anlauf unternommen. Ein stärker fragmentiertes Netz auf Protokollebene sei zum Teil bereits jetzt Realität.

Mueller sieht jedoch auch im Westen Tendenzen hin zu Abschottung und Fragmentierung. Als Beispiele nannte er neben extremen Datenschutzvorschriften der EU auch das deutsche Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder digitale Exportkontrollen in die USA. Der Forscher spricht von einer „Konterrevolution gegen die Globalisierungstendenzen eines digitalen politischen Wirtschaftssystems“.

Doch nicht nur die Souveränitätsdebatte von Staaten trage zu einer potenziellen Fragmentierung bei. Auch der Ausbau privater Seekabel durch Unternehmen wie Google könnte zu einer „Zweiklassengesellschaft im Datenverkehr“ beitragen. Der auf dem Multi-Stakeholderprinzip beruhende „Global Digital Compact“ solle nun retten, was zu retten sei.



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