Die Solarcloud: Virtuelles Licht macht gutes Gewissen – aber mehr auch nicht

Sauberen eigenen Solarstrom im Sommer einzuparken, um sich im Winter retour und sauber versorgen zu lassen, ist ein Fake, der über die Realitäten der Energieversorgung hinwegtäuscht. Eine Analyse von Energieexperte Frank Hennig.
Titelbild
Zwei Tauben auf einer Straßenlaterne.Foto: iStock
Von 12. Dezember 2018

Die Solarcloud – Mit dieser netten neuen Wortschöpfung bewirbt Eon eines seiner Produkte. Die Cloud genannte Einrichtung war bisher nur in IT-Kreisen bekannt und bezeichnet dort einen großen externen Speicher, der irgendwo im Datennetz schwebt („Wolke“) und die Daten von Nutzern speichert. Das verringert den Speicherbedarf beim Einzel- oder Geschäftskunden, kostet dann aber meist auch Miete. Zuweilen werden etwa bei der Telekom Zusatzleistungen angeboten wie Datenanalyse, Abrechnungen und anderes.

In Biere bei Magdeburg betreibt die Telekom einen Superspeicher mit 20.000 Servern. Dieser schluckt neben den Daten auch Energie, mehr als 18 Megawatt elektrische Leistung sind nötig, abgesichert durch 30 Notstromdiesel. Immerhin werden im Endausbau 30 Petabytes gespeichert, was dem Datenvolumen von 30 Milliarden Büchern entspricht.

Trotz des Energieaufwandes handelt es sich beim Inhalt der Cloud um Daten ohne Energieinhalt. Jeder Kunde, der seine Daten in die Wolke schiebt, kann sehr sicher sein, auf genau diese bei Bedarf wieder zugreifen zu können.

Ein Fake, der über die Realitäten der Energieversorgung hinwegtäuscht

Den gleichen Eindruck versucht Eon mit der Solarcloud zu erwecken. Sauberen eigenen Solarstrom im Sommer einparken, um sich im Winter retour und sauber versorgen zu lassen. Es ist die Vorspiegelung der Möglichkeit, intersaisonal Strom speichern zu können. Es ist ein Fake, der über die Realitäten der Energieversorgung hinwegtäuscht (Slogan: „Mit der E.ON SolarCloud 100% ihres Solarstroms nutzen“). Es ist eine Werbemasche, die in den Kunden fatal falsche Vorstellungen über die Funktionsweise unseres Energieversorgungssystems weckt. Es wird die Existenz von Langzeitstromspeichern vorgegaukelt.

Im konkreten Fall wird der überschüssige häusliche Solarstrom ins Netz gespeist und verbraucht, im Winter gibt es „dreckigen“ Atom- und Kohlestrom zurück. Es entspricht dem Zeitgeist, auch Strom als virtuelles Gut zu betrachten, so wie bei der Blockchain-Technologie der Eindruck erweckt wird, Stromversorgung sei vor allem ein zu digitalisierendes Datenproblem. Im Grunde ist die Solarcloud eine Stromcloud und ein virtueller Speicher, der mit realer Stromspeicherung nichts zu tun hat.

Virtuelles Licht macht gutes Gewissen

Eon möchte Geld verdienen und seiner durchgrünten Zielgruppe natürlich nicht sagen, dass in dieser virtuellen Cloud kein Strom gespeichert wird. Das Geschäftsmodell ist einfach und besteht in einem virtuellen Stromkonto bei Eon, auf das der Solarkunde eben Strom einzahlt oder abhebt. Damit tritt er die Einspeisevergütung nach EEG an Eon ab und nimmt auch dessen Graustrom im Winter ab (den er sich sonst vielleicht von einem Ökostromanbieter geholt hätte). Damit bindet Eon diese Kunden und kassiert auch die EEG-Umlage für die privaten Anlagen. Um das Angebot rund zu machen, bietet Eon gegen höhere Grundgebühr weitere Bausteine wie den Effizienzcheck der Fotovoltaikanlage, eine Versicherung oder eine „Sonnenscheingarantie“ für den Fall, dass in meteorologisch ungünstigen Jahren die Anlage den projektierten Ertrag nicht erreicht. Und so man noch keine eigene Anlage hat, gibt es alles als Komplettpaket für 14.699 Euro.

Den Vertragspartnern gaukelt Eon vor, durch „eigenen“ in den Winter hinübergeretteten Strom ihren „Autarkiegrad“ zu erhöhen. Auch dieser Begriff ist im Wortsinn falsch, denn man kann nur zu 100 Prozent autark sein – oder eben nicht. Autarkie im Eigenheim bedeutet nicht weniger als die Trennung vom öffentlichen Netz, alle anderen Interpretationen über so genannte bilanzielle Autarkie sind Etikettenschwindel. Die Crux einer Stromversorgung besteht darin, zu jeder Sekunde bedarfsgerecht zu versorgen, so wie es das öffentliche Netz tut.

Korrekt formuliert können Nutzer eigener Fotovoltaik- oder anderer regenerativer Anlagen einen auch hohen Selbstversorgungsgrad erreichen, der im Winter allerdings stark abfällt. Dann hilft auch weiterhin konventioneller Strom.

Sollten perspektivisch viele Haushalts- und Gewerbekunden einen hohen Selbstversorgungsgrad erzielen, wäre der Ausbau der Offshore-Windenergie ein kolossaler Irrweg. Keine Form der Stromerzeugung ist zentraler als die auf dem Meer. Ihr Vorteil: Der Strom kommt auch im Winter. Der Nachteil: Er kommt manchmal auch nicht.

Die Erkenntnis, dass virtueller Strom nicht zur Abdeckung reeller Bedarfe geeignet ist, wird sich früher oder später durchsetzen. So lange ist das Angebot von Eon ein Geschäftsmodell, befördert durch einen Marketingtrick für grünorientiertes Verbraucherklientel auf der Basis eines Fakes. Man kann genau so wenig Strom virtuell speichern, wie man ein virtuelles Stück Kuchen essen kann. Der Link zum Medikament in der Cloud, gesendet von der Apotheke des Vertrauens, hilft auch nicht heilen.

Über den Autor: Frank Hennig, Diplomingenieur für Kraftwerksanlagen und Energieumwandlung, verbrachte sein Arbeitsleben in den Kraftwerken eines großen Stromunternehmens und seiner Rechtsnachfolger. Er war viele Jahre Betriebsrat und hier für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, was ihn zum Studium der PR an der Deutschen Presseakademie führte. Heute ist er in der technischen Fortbildung und bei einer Gewerkschaft als Referent tätig. Frank Hennig ist geborener Görlitzer, verheiratet, erfreut sich an Kindern und Enkeln und lebt heute in der Niederlausitz. Im Buchhandel von ihm erschienen: Dunkelflaute: oder Warum Energie sich nicht wenden lässt 



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