„Liebenthaler Wildlinge“

Grasende Landschaftspfleger am Deich
Titelbild
Große Pflanzenfresser wie Pferde (aber auch Rinder) sorgen dafür, dass das Grünland nicht von Stauden wie Brennnessel oder Beifuß überwuchert wird. Das schafft Platz für Wiesenkräuter und viele davon abhängende Tierarten. Die „Liebenthaler Wildlinge“ beweiden ein Gebiet von circa 80 Hektar im Überflutungsraum der Elbaue hinter dem Altdeich zwischen Lenzen und Wustrow rechts der Elbe. (Petra Lühr/ETD)
Von 5. Mai 2008

Leichter Nebel liegt über der Elbtaulaue in der westlichen Prignitz, südöstlich des kleinen Städtchens Lenzen. Schweift der Blick über das weite offene Grünland, entdeckt das Auge bald helle Flecken – kleine Pferde, die verstreut grasen.

Eine Gruppe von Besuchern, Mitglieder des NABU, ist aus Niedersachsen nach Brandenburg gekommen, um sich die „Liebenthaler Wildlinge“ anzuschauen. Wildlebende Pferde als Landschaftspfleger im Einsatz zu erleben, das ist es, was die ehrenamtlichen Naturschützer interessiert. Thomas Möhring, gelernter Schäfer, der im Auftrag der Landschaftspflege GmbH Lenzen die rund 40 Tiere zählende Pferdeherde überwacht, hat seine Gäste im Geländewagen zu den Elbwiesen gebracht. Auf dem alten Deich entlang führt der Weg zu den Weideflächen, die von einem unscheinbaren Elektrozaun umgeben sind.

Möhring ruft die Tiere, und sie nähern sich sofort mit freundlicher Neugier. Nanu, von Wildheit kann man nicht gerade sprechen, stellen die Besucher verwundert fest. Die Tiere, Jährlinge, ältere Stuten und Fohlen, treten zutraulich an den Zaun und lassen sich von den fremden Menschen anfassen. Vermutlich ist Neugier im Spiel, ob sie ihnen etwas Essbares zustecken wollen. Die kleinen Pferde sind entweder Grau-, Braun- oder Weißfalben. Sie haben ausdrucksstarke Gesichter, dunkle Mäuler, schwarz geränderte Augen, zweifarbige Mähnen und Schweife sowie einen Aalstrich auf dem Rücken. Einige von ihnen sehen den Fjord-Pferden sehr ähnlich.

Die Landschaftspflege GmbH Lenzen besitzt zwei Pferdefamilien, die in den Naturschutzgebieten der Lenzener Elbtalaue weiden. Die Herden, bestehend aus Mutterstuten, Fohlen, Jährlingen und einem Leithengst sind seit dem Jahr 2000 als grasende Landschaftspfleger im Einsatz. Sie leben ganzjährig unter freiem Himmel, vermehren sich und pflegen ein Sozialverhalten wie Wildpferde. Einmal jährlich werden sie eingefangen, um eine Wurmkur zu erhalten. Einen Hufschmied kennen die Tiere nicht; ständig in Bewegung nutzen sie ihre Hufe auf natürliche Weise ab. Wenn die Zehen zu lang werden, brechen sie einfach weg. Der Mensch muss aber manchmal eingreifen: Um Inzucht zu vermeiden, werden die Junghengste aus der Herde entfernt. Sie werden als Freizeitpferde verkauft. In diesem Jahr ist zur Blutauffrischung der Zukauf zweier Konik-Hengste geplant.
Das Liebenthaler Pferd, dessen Stockmaß zwischen 130 und 145 cm liegt, ist eine Rückzüchtung aus alten europäischen Pferderassen, wie Fjord-Pferd, Konik und dem Przewalskipferd in Richtung des im 19. Jahrhundert ausgestorbenen Tarpans. Der Tarpan lebte ursprünglich in der eurasischen Steppe. Eine vollkommene Rückzüchtung ist nicht möglich, weil sein Erbgut mit dem Aussterben verloren ging. Das Liebenthaler Pferd ist nach dem brandenburgischen Dorf Liebenthal benannt, wohin der Bestand von rund 80 Tieren von der Landesregierung nach dem Tod des Züchters 1996 umgesiedelt wurde.

Auwald kehrt zurück

Seit dem Jahr 2002 wird das vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) initiierte und von mehreren Umweltverbänden und Stiftungen getragene Naturschutzgroßprojekt „Lenzener Elbtalaue“ umgesetzt. Im Verlauf des Projektes wurde der Deich um mehrere Kilometer zurück ins Landesinnere verlegt, damit der Strom beim alljährlichen Hochwasser mehr Platz zum Ausweichen erhält und sich eine natürliche, dynamische und artenreiche Landschaft entwickeln kann, wie sie ursprünglich bestand. Das Ziel ist, eine parkähnliche halboffene Weidelandschaft zu schaffen und einen Auwald zu begründen. Auwälder gehören zu den stark gefährdeten Biotoptypen in Mitteleuropa; sie wurden in den letzten Jahrhunderten durch Rodung und Eindeichung der Elbe größtenteils beseitigt. Zukünftig sollen Eichen und Ulmen, Schwarzpappeln, Eschen und Weiden, allesamt typische Vertreter der Auwälder, die Landschaft am Fluss als ihren Lebensraum zurückgewinnen.

Text erschienen in Epoch Times Deutschland Nr. 18/08



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