„Plastikfressende“ Pilze: Neue Möglichkeiten gegen weltweiten Müll?

Fast 260 Pilze und Bakterien leben in und auf der „Plastisphäre“ der teilweise stark verschmutzten chinesischen Küste. Ihre spezielle Diät könnte helfen, einem weltweiten Problem zu begegnen.
Nicht alle Pilze wachsen im Wald. Einige Arten ernähren sich von Plastik.
Nicht alle Pilze wachsen im Wald. Einige Arten ernähren sich von Plastik. (Symbolbild)Foto: iStock
Von 7. August 2023

Der Müll der Menschheit ist ein weltweites Problem, das Lebensräume bedroht, aber auch neue schafft. So haben Forscher in den küstennahen Salzwiesen von Jiangsu, China, eine „einzigartige ökologische Nische“ gefunden, in der Pilze und Bakterien auf und von Kunststoffabfällen leben. Mit anderen Worten, sie verdauen Plastik.

Wissenschaftler hoffen, dass die Entdeckungen dieser „terrestrischen Plastisphäre“ dazu beitragen, das globale Müllproblem zu lösen. Bisher waren nur die großen maritimen Müllstrudel der Ozeane bekannt. Unbekannt ist indes nicht nur die Anwendung der Pilze und Bakterien, sondern auch ihre Artenvielfalt. Letztlich könnten mehrere Millionen Arten von Pilzen noch unentdeckt sein, ebenso wie ihre bevorzugte Nahrungsquelle.

400 Millionen Tonnen „Nahrung“ jährlich

Nach Angaben des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP) werden jährlich 400 Millionen Tonnen Plastikmüll produziert. Forscher sind jedoch zuversichtlich, dass Antworten auf dieses Problem in der Plastisphäre gefunden werden könnten.

So wurde bereits 2017  ein Stamm des Pilzes Aspergillus tubingensis identifiziert, der auf einer Mülldeponie in Islamabad, Pakistan, Plastik abbaute. Der Pilz ist jedoch nur einer von bisher 436 bekannten Pilz- und Bakterienarten, die Plastik verdauen.

Die nun entdeckten plastikabbauenden Mikroorganismen stammen aus Proben, die im Mai 2021 in Dafeng im Osten Chinas entnommen wurden. Das Gebiet an der Küste des Gelben Meeres steht unter dem Schutz der UNESCO.

In den Proben identifizierten die Forscher 14 Pilzgattungen, darunter die pflanzenpathogenen Pilze Fusarium und Neocosmospora. Pflanzenpathogene Pilze beziehen ihre Nährstoffe aus Pflanzen, tun dies aber auf eine Weise, die ihrem Wirt schadet. Die Ergebnisse der Studie deuten jedoch darauf hin, dass diese Pilze Kunststoffe besser abbauen können als saprotrophe Pilze – Pilze, die sich von abgestorbenen Pflanzen- und Tierresten ernähren.

Insgesamt entdeckte das Team um die Pilzforscherin Dr. Irina Druzhinina vom Königlichen Botanischen Garten in London 184 Pilz- und 55 Bakterienstämme, die in der Lage sind, Polycaprolacton (PCL) abzubauen. Der biologisch abbaubare Polyester wird häufig für die Herstellung von Polyurethanen verwendet. Bestimmte Stämme zeigten jedoch „Interesse“ an anderen Polymeren auf Erdölbasis.

Forscher wollen „die Natur beschleunigen“

„Mikrobiologen aller Fachrichtungen fühlen sich dafür verantwortlich, Lösungen für die umweltfreundliche Behandlung von Plastikmüll zu finden, denn Bakterien und Pilze werden die ersten Organismen sein, die lernen, mit diesem neuen Material umzugehen“, sagte Dr. Irina Druzhinina. Sie ergänzte:

„Wir haben keinen Zweifel daran, dass die Mikroben Wege finden werden, Plastik effektiv abzubauen, aber das kann Tausende Jahre dauern, wenn wir der Natur ihren Lauf lassen. Deshalb besteht unsere Aufgabe darin, das Wissen, das wir bereits über die mikrobielle Biologie besitzen, zu nutzen, um die Evolution der Mikroben und ihrer individuellen Gene zu beschleunigen und zu steuern, damit sie diese Aufgabe jetzt erledigen können.“

„Anfangs hatten wir Bedenken, dass wir nicht genügend Daten sammeln könnten“, sagte Xuesong Li. Im Gegenteil, sie mussten sich zurückhalten, immer mehr Kulturen zu isolieren, so die Masterstudentin der Landwirtschaftlichen Universität Nanjing weiter. Sie persönlich habe schließlich die Arbeit mit Pilzen bevorzugt, da „diese Organismen ein enormes Potenzial für Anwendungen haben, die weit über den Abbau von Plastik hinausgehen.“

Die Wissenschaftler glauben, dass die Entdeckung somit zur Entwicklung effizienter Enzyme für den biologischen Abbau von Plastikabfällen beitragen kann. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten Druzhinina und Kollegen Ende Mai im „Journal of Hazardous Materials“.

Pilze: Ewiges Rätsel für die Wissenschaft

Die Royal Botanical Gardens (RBG), Kew in London beherbergt die größte und eine der ältesten Pilzsammlungen der Welt. Die mehr als 1,25 Millionen getrockneten Exemplare stammen aus allen sieben Kontinenten und repräsentieren weit über die Hälfte der weltweit bekannten Pilzvielfalt.

Das 1879 aus den persönlichen Sammlungen von Pfarrer Miles J. Berkeley gegründete „Fungarium“ ist besonders reich an sogenannten Typusexemplaren, sprich Originalproben, die zur Beschreibung einer für die Wissenschaft neuen Art verwendet werden. Auch Charles Darwin und Alexander von Humboldt haben ihrerseits Pilze beigesteuert. Seit 1997 wird die Sammlung digital erfasst und ihre Informationen nach und nach online zur Verfügung gestellt.

Obgleich die Schätzungen variieren, könnte es mehrere Millionen Pilze geben, die noch entdeckt werden müssen – zusätzlich zu den mehr als 144.000 Arten, die bisher beschrieben wurden. Wissenschaftler sind sich sicher, dass sich unter ihnen neue Quellen für Lebensmittel, Medizin und andere nützliche Verbindungen befinden.

(Mit Material der Royal Botanical Gardens, Kew)



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