Die Schaffung einer neuen Weltsteuerordnung

Wer darf künftig internationale Konzerngewinne besteuern? Und wie wird mit Verlusten umgegangen? Am 14. Oktober beraten die Finanzminister der G-20-Staaten über die Schaffung eines neuen globalen Steuersystems.
Von 14. Oktober 2020

Am 14. Oktober treffen sich die Finanzminister der G20-Staaten, um erneut über einen Paradigmenwechsel im internationalen Steuerrecht zu verhandeln. Es geht dabei vor allem um eine Frage: Welcher Staat darf künftig Konzerngewinne besteuern, die nicht nur Tech-Giganten wie Amazon oder Google erwirtschaften, sondern nahezu jedes international operierende Unternehmen? Für Deutschland nehmen Dr. Jens Weidmann und Prof. Dr. Claudia M. Buch teil.

Finanzminister Olaf Scholz sprach von der Schaffung eines neuen internationalen Steuersystems. Die G20 hatte die OECD bereits 2018 beauftragt, sich bis Ende 2020 über eine internationale Digitalsteuer zu einigen. Der Zeitrahmen ist nicht mehr realistisch und wurde bis zum Sommer 2021 ausgedehnt. Bundesfinanzminister Scholz erklärte in Berlin:

Ich bin mir sicher, dass wir uns bis Sommer des nächsten Jahres endgültig auf dieses große Reformvorhaben einigen können.“

Zum einen sollen die Gewinne der großen Digitalkonzerne besser besteuert werden. Zum anderen führe das derzeitige System „zu Steuerdumping und Wettbewerbsverzerrungen“. Scholz ruft zusammen mit den Finanzministern Spaniens, Italiens und Frankreichs auf, entschlossen, schnell und gemeinsam zu handeln.

Im Auftrag der OECD

Die neue Weltsteuerordnung wurde von Experten aus fast 140 Ländern im Auftrag der OECD erarbeitet. Kaum einer kennt den Entwurf für die G-20-Finanzminister so gut wie Prof. Dr. Wolfgang Schön, Direktor am Max-Planck-Institut für Steuerrecht und Öffentliche Finanzen. Prof. Schön erinnert:

Vergessen Sie nicht: Wir haben einen aktiven Steuerwettbewerb, in dem verschiedene Staaten nicht nur besonders viel vom Kuchen für sich abschneiden wollen, sondern vielfach auch mit besonders geringen Steuerlasten versuchen, Investitionen anzulocken. Es ist eher ein großes Spiel mit vielen Akteuren, die jeweils das Beste für sich herausholen wollen.“

International besteht das Steuerrecht aus einem Netz von rund 3.000 Verträgen, die die Staaten seit mehr als 100 Jahren untereinander abgeschlossen haben. Das erste dieser sogenannten Doppelbesteuerungsabkommen wurde vor mehr als 150 Jahren zwischen Preußen und Sachsen abgeschlossen. Später setzte sich das Modell durch. Normalerweise wird man dort besteuert, wo das Unternehmen „physisch präsent ist oder eine Niederlassung unterhält“.

Wohin fließt der Gewinn?

Mit der zunehmenden Globalisierung gibt es das Problem, dass Konzerne wie Apple, Google, Amazon oder Facebook die ganze Welt von Kalifornien aus – ohne physische Präsenz in anderen Staaten – mit Dienstleistungen versorgen. Damit stellt sich die Frage:

Wie teile ich den Gewinn auf? Was gilt zwischen dem Produktionsland, etwa Kalifornien, wo die Server laufen, wo die Algorithmen entwickelt werden, wo die Manpower das Vertriebssystem organisiert und den Orten und Ländern, wo die Kunden sitzen, die Werbekunden, die ‚User‘ und andere, die von den Leistungen des Anbieters Gebrauch machen – die ‚Marktländer‘. Diese Frage ist noch nicht geklärt“, erklärt Prof. Schön.

Ungeklärt sind nicht nur mögliche Gewinne der Unternehmen, sondern auch die Verluste: „Wie werden die Verluste verteilt? Müssen Marktstaaten, die etwa ein Prozent des Gewinns haben wollen, auch einen Prozent Verlust akzeptieren?“

Marktländer könnten Einnahmen machen – über die Umsatzsteuer

Die Staaten könnten digitale Leistungen allerdings auch mit einer Umsatzsteuer („Mehrwertsteuer“) belasten und ausweiten: „Das ist ein erhebliches Volumen, davon ist in der Vergangenheit viel zu wenig Gebrauch gemacht worden. Man könnte diesen Zugriff schon jetzt ausweiten, doch dieser Pfad ist nicht im Fokus der internationalen Politik“, so Prof. Schön.

Zunächst diskutierte man nur über Tech-Riesen, also Unternehmen, die Plattformen bereitstellen wie Buchungsportale, soziale Netzwerke, Suchmaschinen oder Videoplattformen. Dabei erbringen die User im Kunden- oder Marktstaat die meisten Arbeiten – so will man „diese Leistungen nun auch im Kundenstaat besteuern“.

Später wurde überlegt, alle Unternehmen mit mehr als 750 Millionen Euro Umsatz zu besteuern. Diese monetäre Grenze wird von den USA abgelehnt, die nur die Digitalkonzerne neu verhandeln will. Auch Deutschland will nicht jede Exportleistung mit dieser neuen Steuerform belastet sehen:

Betroffen wären alle Unternehmen, die etwa über die Schaffung von Marken, über Werbekampagnen oder besondere Vertriebssysteme ihre Waren an den Kunden bringen. Das wäre dann etwa nicht Siemens, wenn sie ein Kraftwerk oder eine Fertigungsanlage in Indien bauen, aber etwa Daimler und BMW, wenn sie ihre Autos in China verkaufen.“

Prof. Schön kritisiert die Regeln. Sie seien zu kompliziert und erforderten eine hohe Koordinierung aller Staaten, in denen die Unternehmen aktiv sind. Die Reform sehe auch eine weltweite Mindestbesteuerung vor, die nicht unterschritten werden dürfe, um Steueroasen zu vermeiden.

Keine steuerliche Parallelwelt schaffen

„Wir schlagen vor, nicht allgemein auf wolkige Begriffe wie ‚Marktpräsenz‘ oder ‚Kundenstaat‘ abzustellen. Gewinnsteuern sind letztlich Steuern auf das investierte Kapital. Dabei geht es nicht um die physische Investition, etwa den Fabrikstandort. Darauf kommt es in einer digitalen Welt nicht mehr an, sondern darauf, in welche Staaten und Märkte ein Unternehmen Kapital investiert: Welchen Kunden stellt es Netzwerke zur Verfügung, für wen stellt es Server auf?“

Prof. Schön weiter: „Es erscheint uns sinnvoll, die konkret auf einen nationalen Markt entfallenden Investitionen zu berechnen und die darauf entfallenden Gewinne zu versteuern. Diese Vorgehensweise bleibt im System und schafft keine steuerliche Parallelwelt – eine Idee, die übrigens die Digitalkonzerne interessant finden.“

Sollten die G-20-Finanzminister zu keiner Einigung kommen, gelten weiterhin die alten Steuerabkommen. Vermutlich würden dann weitere Staaten Digitalsteuern ähnlich den französischen einführen. Frankreich setzte seine Digitalsteuer nach einer Androhung von Strafzöllen durch die USA bis Ende 2020 wieder aus. Im März 2019 verhinderten Länder wie Dänemark, Irland und Schweden die Einführung einer solchen Abgabe.

Entsteht eine doppelte Steuerlast für Unternehmen in Deutschland?

Auch andere Fragen bleiben für den Steuerrechtler offen: „Große Schwellenländer wie Brasilien, Südafrika, Indien oder China werden dann auf andere Weise versuchen, zu Lasten der Exportstaaten Gewinne zu besteuern. Das wird dann in Deutschland zur Frage führen: Lassen wir unsere Unternehmen mit einer doppelten Steuerlast im Regen stehen oder erlauben wir ihnen die Anrechnung der ausländischen Steuer – mit dem Effekt, dass der Fiskus Steuereinnahmen verliert. Die Ansprüche der Marktstaaten werden nicht sinken!“

Die Steuer wird inzwischen als eine der Möglichkeiten zur Finanzierung des 750 Milliarden Euro schweren EU-Aufbaufonds gegen die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise diskutiert. Weitere Informationen: Die neue Weltsteuerordnung: Politische Eile oder konzeptionelle Weile?

 



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