Europa riet Afrika zum Verzicht auf fossile Energieträger – und will jetzt dessen Gas

Über Jahre hinweg hatte die EU Afrika bedrängt, auf fossile Energieträger zu verzichten. Nun hofft man auf Gaslieferungen nach Europa.
Südafrika in der Krise: Weiße Ingenieure sollen wiedereingestellt werden
Das Eskom-Kohlekraftwerk Medupi im nördlichen Südafrika.Foto: iStock
Von 23. September 2022

In den vergangenen Jahren folgten internationale Konferenzen zu Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit stets einem ähnlichen Muster. Europäische Teilnehmerländer warben bei Vertretern aus Afrika darum, vorwiegend in erneuerbare Energien zu investieren. Teilweise bemühte sich die EU sogar aktiv, Investitionsprojekte in afrikanischen Ländern zu erschweren, die der Erschließung von Öl, Gas oder Kohle dienen sollten. Afrika solle sich, so der Gedanke dahinter, zur klimaneutralen Wirtschaft entwickeln, ohne den Umweg über fossile Energieträger zu nehmen.

Kohleexporte aus Richards Bay verachtfacht

Der Krieg in der Ukraine und die EU-Sanktionen gegen Russland haben die Appelle bis auf Weiteres verstummen lassen. Stattdessen, so berichtet die „Welt“, haben sich mittlerweile die Kohleexporte aus Südafrika in Richtung Europa gegenüber dem Vorjahr verachtfacht.

Das reicht bei weitem nicht aus, um die Nachfrage zu befriedigen. Infolge des Importstopps von russischer Kohle ist der Preis pro Tonne in die Höhe geschossen und in Südafrika liegt er bei 460 US-Dollar. Hoch genug, um Transporte von Zechen in den Hafen von Richards Bay auch per Lkw ins Auge zu fassen.

Bislang galt dies als unprofitabel, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der ausbaufähigen Straßeninfrastruktur. Allerdings scheitert der Transport per Bahn oft am schlechten Zustand von Zügen und Schienennetz.

Südafrikas Umweltministerin wirft Europa „Heuchelei“ vor

Um von der bisherigen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wegzukommen, sind die EU-Mitgliedstaaten auf der Suche nach möglichen Ersatzlieferanten. Neben Ländern wie Israel, Aserbaidschan, Katar, Norwegen, den USA oder Kanada haben sie auch ein Auge auf mögliche afrikanische Partner geworfen. Es geht um verflüssigtes Erdgas ebenso wie Öl oder Kohle.

Zu den Ländern, auf die man in dieser Sache zukommen will, gehören unter anderem Ägypten, Südafrika, Namibia, der Senegal, Mauretanien, Gambia oder Guinea-Bissau. Noch vor einem Jahr hatten Geberländer im Rahmen des Weltklimagipfels angekündigt, keine Investitionen mehr in afrikanische Öl- und Gasprojekte finanzieren zu wollen.

Dadurch standen mit einem Mal Pläne zum Ausbau von Erdgas-Förderinfrastruktur in Nigeria, dem Senegal oder Mosambik infrage. Nicht alle Infrastrukturprojekte, die europäische Länder nicht mehr unterstützen wollten, scheiterten. In manchen Fällen sprangen Russland, die USA, die Türkei oder Chinas KP-Regime ein – die auf diese Weise auch ihren politischen Einfluss ausweiten konnten.

Dass die Europäer nun um Gaslieferungen aus jenen Ländern betteln, denen sie zuvor Mittel zum Infrastrukturausbau vorenthalten hatten, gibt Anlass zur Schadenfreude. Südafrikas Umweltministerin Barbara Creecy warf der EU „Heuchelei“ vor und konstatierte:

Europa hat einen Teil seiner moralischen Autorität verloren.“

Energieminister Gwede Mantashe erklärte, Europa beweise in der aktuellen Krise, dass es „kein Retter“ sei.

In Südafrika wird derzeit 86 Prozent der Elektrizität aus Kohle gewonnen. Die EU, Großbritannien, Frankreich und Deutschland hatten 8,5 Milliarden US-Dollar für den Umstieg auf erneuerbare Energie angeboten. Für die rasch wachsende Binnenwirtschaft wäre dies allerdings nur ein Tropfen auf dem heißen Stein.

Elektrifizierung in Afrika braucht fossile Energien

Bereits im Jahr 2019 hatten mehrere Teilnehmer der „Africa Oil Week“ in Kapstadt deutlich gemacht, sich nicht von Europa seine Entwicklung diktieren lassen zu wollen. Ressourcenminister Noël Mboumba aus Gabun bezeichnete Öl als „wichtigen Treiber des Wohlstands“. Etwa 600 Millionen Menschen in Afrika hätten noch nicht einmal Zugang zu Elektrizität. In der Zwischenzeit dürfte sich nur wenig an der Situation geändert haben, weil die Corona-Krise vielerorts den Aufschwung abbremste.

In Afrika scheint zudem auch die Bereitschaft begrenzt zu sein, künftig wieder Europa als Lieferant fossiler Energieträger zur Verfügung zu stehen, wenn dies auf Kosten der eigenen Bevölkerung gehe.

„Wir werden uns unter keinen Umständen für irgendetwas entschuldigen“, erklärte Gabriel Obiang Lima, Energieminister von Äquatorialguinea, damals laut „Reuters“. Er fügte hinzu, man brauche fossile Rohstoffe wie Öl, um Arbeitsplätze zu schaffen und die ökonomische Entwicklung zu fördern. Ratschläge von außerhalb des Kontinents, wonach die Afrikaner ihre Ölfelder nicht der Erschließung zuführen sollten, seien „kriminell“ und „sehr unfair“.

Insbesondere in Subsahara-Afrika ist unregelmäßige Stromversorgung ein folgenschweres Problem, das nicht nur private Haushalte trifft, sondern auch 80 Prozent der Unternehmen. Neben Gewinneinbußen aus dem operativen Geschäft kann sich die instabile Versorgung auch auf die Nahrungsmittelversorgung und das Gesundheitswesen auswirken.

Afrika drängt auf pragmatischere Lösungen

Die unzureichende Infrastruktur verteuert allerdings auch mögliche Energieexporte zusätzlich. Zu den schwerwiegendsten Bremsen der Entwicklung vieler afrikanischer Länder gehören neben Kriegen, Terror und Korruption vor allem schlechte Transportwege. Diese und wenig schiffbare Häfen entlang der Küsten verteuern die Versendung von Gütern auf dem Seeweg innerhalb Afrikas um bis zu 40 Prozent. Nach Europa kommt noch ein entsprechender Preisaufschlag dazu.

Die Afrikanische Entwicklungsbank geht bis zum Jahr 2025 von einem jährlichen Investitionsbedarf in Höhe von 130 bis 170 Milliarden US-Dollar nur für Verkehrswege aus. Der Ausbau von Produktionsanlagen und Raffinerien kommt noch dazu.

Anja Berretta, Projektleiterin Energiesicherheit und Klimawandel in Afrika bei der Konrad-Adenauer-Stiftung, hofft nun auf pragmatischere Lösungen. Europa werde Bereitschaft zeigen müssen, Investitionen in die Gasinfrastruktur in Afrika zu unterstützen und die Energieressourcen mit Afrikanern zu teilen.

EU-Bürokratie steht Ausbau von grünem Wasserstoff im Wege

Einen gleichzeitigen Ausbau der erneuerbaren Energien schließt eine realistischere Energiepolitik in Afrika dennoch nicht aus. Das Potenzial in diesem Bereich sei vorhanden, erklärt auch Berretta in der „Welt“, allerdings würden deren kurzfristige Möglichkeiten überschätzt.

Vor allem beim grünen Wasserstoff gebe es in vielen Ländern ambitionierte Projekte, um private und öffentliche Finanzmittel für Investitionen aufzubringen. Neben nordafrikanischen Küstenstaaten könnten Ruanda, Südafrika, Namibia oder Kenia hier zu Vorreitern werden. Nigeria will zudem vermehrt sogenannten grauen Wasserstoff produzieren, bei dem allerdings als Abfallprodukt CO₂ anfällt.

Die EU droht jedoch auch hier, an Bürokratie und Dogmatismus zu scheitern. Jens Hauser von der deutschen Industrie- und Handelskammer für das südliche Afrika weist darauf hin, dass deren Regularien zufolge entscheidende Fragen noch ungeklärt seien. So bliebe offen, ob Wasserstoff und Derivate daraus als grün gelten können, wenn sie aus umgerüsteten Anlagen fossiler Energiegewinnung stammen.

Allerdings seien für einen Bau komplett neuer Anlagen oft die Mittel nicht vorhanden. Der europäische Beitrag zum Ausbau der Energieinfrastruktur in Afrika könnte dadurch einmal mehr ausbleiben. Dies wiederum könnte zur Folge haben, dass andere Akteure auch bei künftigen Energiepartnerschaften die Nase vorn haben.



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