Frankreich will Bezieherländer von Atomstrom zur Kasse bitten – Deutschland fühlt sich nicht angesprochen

Bis zu 14 neue KKW will Frankreich bis 2050 bauen. Präsident Macron will Länder, die Atomstrom beziehen, aber selbst keine neuen Kraftwerke errichten wollen, an den Baukosten beteiligen lassen. Gemünzt ist das vorerst auf die Schweiz – Deutschland wähnt sich nicht angesprochen.
Frankreich: Debatte über schnelleren Bau von Kernkraftwerken
Frankreich will beim Bau neuer KKW nun Tempo machen.Foto: Nicolas Tucat/AFP via Getty Images
Von 14. April 2024

Mit sechs definitiv geplanten und acht weiteren zumindest angedachten KKWs (Kernkraftwerk) will Frankreich perspektivisch seine Versorgung sichern – und in der Lage sein, bei Bedarf andere Länder mit Atomstrom zu beliefern. Ende März hat Präsident Emmanuel Macron jedoch angedeutet, dass er von potenziellen Empfängerländern auch einen Beitrag zur Errichtung der Anlagen erwartet. Dies gelte vor allem für Länder, die selbst auf den Bau neuer KKW verzichten wollen.

Schweiz bezieht derzeit etwa 2.300 Megawatt Atomstrom aus Frankreich

Wie die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ) berichtet, ist damit unter anderem die Schweiz gemeint. Dort hatte eine von Kernkraftgegnern unter Verweis auf Fukushima bestrittene Volksabstimmung 2017 eine 58,2-prozentige Mehrheit für einen Ausstieg ergeben. Bis 2034 sollen die bestehenden Anlagen weiterlaufen – neue dürfen jedoch nicht mehr errichtet werden.

Was die Eidgenossenschaft anbelangt, hatten ihre Stromkonzerne schon an der Errichtung der KKWs Bugey, Fessenheim und Cattenom Anteil. Im Gegenzug erhielt die Schweiz langfristige Bezugsverträge, die dem Land die Lieferung von etwa 2.300 Megawatt Atomstrom garantieren.

Mittlerweile regen sich auch in der Schweiz erste Zweifel an der Richtigkeit der Ausstiegsentscheidung. Die Gewissheit schwindet, dass es vorwiegend mit erneuerbaren Energien möglich sein, jederzeit eine Industrienation versorgen zu können – und das auch noch zu bezahlbaren Preisen.

Paris investiert 100 Milliarden Euro in Zukunft mit Kernkraft

Frankreich hatte in den 1970er-Jahren als Reaktion auf die Öl-Boykotte der arabischen Länder begonnen, auf die Kernkraft zu setzen. Heute, in Zeiten von Energiekrise und geopolitischen Spannungen, fühlt man sich mehr denn je darin bestätigt. Umso mehr, als das Nachhaltigkeitsdogma und die CO₂-Reduktion zentrale Leitmotive europäischer Politik wurden.

In Paris setzt man zudem auf Innovation. Allein der Technologiekonzern Thorizon hat eine Zehn-Millionen-Spritze von den Franzosen erhalten, um bis Anfang der 2030er-Jahre einen für die Serienproduktion reifen SMR-Reaktor zu entwickeln. Diese Kleinreaktoren sollen dann vor allem die dezentrale Versorgung der Industrie gewährleisten.

Insgesamt 100 Milliarden Euro will Frankreich in sein Zukunftsprogramm für Atomstrom investieren. Von diesen soll etwa die Hälfte in den Bau neuer Reaktoren fließen. Weitere 40 Milliarden Euro will man in den Ausbau einer Wiederaufbereitungsanlage in der Normandie stecken. Zudem fasst man in Paris die Ausbildung von 100.000 Fachleuten im Bereich der Kernenergie ins Auge.

„Agora Energiewende“ hält Bedeutung der Importe von Atomstrom für überbewertet

Inwieweit von der Erwartungshaltung Macrons auch Deutschland betroffen sein wird, ist noch offen. Derzeit fühlt man sich in der politischen Entscheidungsetage durch die Äußerungen noch nicht einmal angesprochen. Der Think-Tank „Agora Energiewende“ weist darauf hin, dass Deutschland in den vergangenen Jahren sogar mehr Strom nach Frankreich exportiert habe als von dort bezogen.

Dies sei nicht nur die Konsequenz der Ausnahmesituation, dass 2022 ein erheblicher Prozentsatz der Anlagen gewartet werden musste. Tatsächlich hätten die deutschen Kohle-, Gas- und Biogaskraftwerke eine Kapazität von insgesamt mehr als 88 Gigawatt, während der maximale Strombedarf im Regelfall bei 70 Gigawatt liege.

Wenn Deutschland Strom importiere, geschehe dies hauptsächlich aus Dänemark, Schweden und Norwegen – wo vor allem Wind- und Wasserkraft die primären Quellen seien. Dennoch sind vor allem an Tagen, an denen auch in den primären Bezugsstaaten Erneuerbare nicht den Bedarf decken können, Importe von Atomstrom vonnöten. Dies gilt vor allem perspektivisch, wenn auch der Kohleausstieg Platz greifen soll.

Schweiz und Tschechien derzeit mit Exportüberschuss gegenüber Deutschland

Mit 12,6 Terawattstunden hatte Deutschland von Januar bis September 2023 am meisten Kernkraft importiert, an zweiter Stelle rangierte die Wasserkraft (11,2 Terawattstunden), danach kam die Windenergie Onshore (6,9). Die dunklen und kalten Monate dürften die Bilanz noch einmal zugunsten des Atomstroms verschoben haben.

Bereits jetzt ist Deutschland auch Nettoimporteur aus der Schweiz und Tschechien – Länder, die auf Kernkraft setzen. Fällt die Schweiz weg, ist davon auszugehen, dass Polen und eben auch Frankreich wieder eine größere Rolle spielen werden. Spätestens zu diesem Zeitpunkt könnte aus Paris auch in Richtung Deutschland das Ansinnen ausgesprochen werden, sich doch in irgendeiner Weise an der Versorgungsinfrastruktur zu beteiligen.



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