Neustart der Corona-Hilfen für Selbstständige gefordert – In Großbritannien gibt es hilfreiche Briefe vom Finanzamt

Die Corona-Soforthilfen für Selbstständige dürfen in Deutschland meist nur dazu verwendet werden, die Firma weiterzuführen. Doch wovon sollen die Betroffenen in der Zeit leben? Vor allem Großbritannien ging einen anderen Weg, der dieses Problem löste. Der Verband der Gründer und Selbstständigen fordert in Deutschland einen „Neustart“ der Corona-Hilfen für Selbstständige.
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Restaurantgäste im "Social Distancing". Gesehen an einem kleinen Fisch-Grill am 29. Mai 2020 in Ocean City, Maryland.Foto: ALEX EDELMAN/AFP über Getty Images
Von 9. Juni 2020

Über 4 Millionen Selbstständige gibt es in Deutschland, darunter sind rund 2,32 Millionen Solo-Selbstständige und Kleinstunternehmen (2016), also Selbstständige, die ihr Unternehmen ohne abhängig Beschäftigte betreiben. Die kleinen und mittleren Unternehmen erwirtschafteten im Jahr 2018 rund 2,397 Billionen Euro (34,4 Prozent aller steuerbaren Umsätze aus Lieferungen und Leistungen) und beschäftigen rund 17,77 Millionen Sozialversicherungspflichtige (57,6 Prozent aller SV-pflichtigen Beschäftigten).

Sie sind systemrelevant – und werden, wie Naftali Neugebauer, Herausgeber des „Glocalist“, schreibt, gerade „alternativlos“ in den Boden gerammt. Denn die Corona-Soforthilfen „stellen sich als Mogelpackungen mit hohen bürokratischen Hürden und eklatanter Rechtsunsicherheit heraus“.

In Deutschland darf der größte Teil der Gelder, die an kleine Selbstständige ausgezahlt wurden, nur dazu genutzt werden, um die Firma fortzuführen. „Davon leben darf man nicht“, stellt der „Spiegel“ klar. Im Behördendeutsch lautet das so: „Die Soforthilfe deckt nicht die privaten Lebenshaltungskosten (zum Beispiel Miete der Privatwohnung, eigene Krankenversicherungsbeiträge oder Altersvorsorge) ab.“ Dafür solle der Betroffene Hartz-IV beantragen.

Neustart gefordert

Der Verband der Gründer und Selbstständigen fordert einen „Neustart“, da die Corona-Hilfen für Selbstständige nicht dort ankommen, wo sie nötig sind. Bis zum 25.6. läuft dazu die entsprechende Petition „Verlängerung und rechtssichere Ausgestaltung von Soforthilfen für Selbstständige“ (Nr. 111001) beim Bundestag. Der Verband fordert:

„Trotz guter Absichten kommen die Corona-Hilfen bei den Selbstständigen nicht an. Es braucht einen Neustart: Die Soforthilfen müssen verlängert, rechtssicher ausgestaltet und neben laufenden Betriebskosten auch die Lebenshaltung, Miete und Krankenversicherung als notwendige Ausgaben anerkannt werden. Nebenberufler darf man nicht ausschließen. Zudem müssen Selbstständige beim Wiederaufbau ihrer Unternehmen und ggf. ihrer Altersvorsorge durch bürokratie- und belastungsarme Jahre unterstützt werden.“

Der europäische Vergleich: Niederlande, Frankreich, Norwegen

Eine Studie der „Initiative Kulturschaffender in Deutschland“ analysierte die deutschen Argumente und erarbeitete einen europäischen Vergleich.

Statt Hartz IV gibt es in den Niederlanden rückwirkend zum 1. März für alle registrierten Solo-Selbstständigen für sechs Monate eine pauschale Summe von 1050,00 Euro (bei einem Zweipersonenhaushalt 1500 Euro) monatlich. Das Geld kommt ohne Vermögens- und Einkommensprüfung von der Handelskammer.

In Frankreich erhält der Betroffene das dortige Äquivalent zum deutschen ALG I. Bei einem Umsatzverlust von über 50 Prozent können bis 5000 Euro fließen.

Norwegen zahlt (Zitat aus der Studie) „selbstständigen Unternehmer*innen und Freiberufler, die die vollständige Grundlage ihres Einkommens oder Teile dessen durch die Corona-Pandemie verlieren“ 80 Prozent ihres Durchschnittsgehalts der letzten drei Jahre.

Hilfreiche Briefe vom Finanzamt: Vorbild Großbritannien

In Großbritannien zahlen die Finanzämter, die ohnehin alle relevanten Daten haben, eine monatliche Hilfe an die Betroffenen. Und das ohne einen Antrag, die Zahlungszusage kam pauschal per Post. Dabei gilt:

„Wer bereits 2019 selbstständig war, mehr als die Hälfte seines Verdienstes durch diese selbstständige Arbeit erworben und hierbei unter 50.000 Pfund verdient und versteuert hat, erhält einen monatlichen Zuschuss von 80 Prozent des Vorjahresverdienstes, max. jedoch 2.500 Pfund. Nur wer sich gerade erst selbstständig gemacht hat oder über dem Einkommensmaximum liegt, erhält über dieses System keine Hilfe.“

Der „Spiegel“ lobte das britische Modell: „Das Modell würde auch etliche der Probleme der Solo-Selbstständigen und Kleinunternehmer in Deutschland lösen. Es bietet sogar ein Stück Schutz gegen Subventionsbetrug. Und ein Finanzamt, dass den Steuerzahlern proaktiv schreibt, ihnen stehe staatliche Notfallhilfe zu, das wäre eine wirkliche Revolution. Es würde wohl auch psychologisch das Verhältnis zwischen Staat und Steuerzahler verbessern.“

Spanien, Belgien, die Schweiz

In Spanien arbeitet man an einer Art Existenzmindestsicherung (Ingreso Minimo Vital) ähnlich der deutschen Grundsicherung. „Es richtet sich in erster Linie jedoch an Haushalte in schwerster Armut, was ungefähr 20 Prozent der Gesamthaushalte entspricht und eröffnet die Möglichkeit, eine finanzielle Sicherung von 462,00 bis 1015,00 Euro (je nach Familienstand) zu erlangen.“

Selbstständige in Belgien können für März, April und Mai Anspruch auf Überbrückungsrecht anmelden. Sie erhalten bis zu 1.291,69 EUR pro Monat, bzw. 1.614,10 EUR pro Monat (Familien).

Auch in der Schweiz gibt es Entschädigungen. Unter anderem dehnte der Corona-Erwerbsersatz vom Bundesrat auch auf Selbstständig-Erwerbende aus, die nicht direkt von Betriebsschließungen oder vom Veranstaltungsverbot betroffen sind.

Deutschland schneidet nicht gut ab – Jeder Vierte wird wohl aufgeben

Die „Initiative Kulturschaffender in Deutschland“ kommt zu dem Fazit: „Damit schneidet Deutschland, immerhin das wirtschaftsstärkste Mitgliedsland der EU, auch im gesamteuropäischen Vergleich alles andere als gut ab.“

Und weiter: „Als stärkste Volkswirtschaft Europas darauf zu verweisen, dass andere Länder nicht annähernd so gute Lösungsszenarien vorweisen können, ist einerseits nicht korrekt und lenkt andererseits von der Tatsache ab, dass Deutschland wirtschaftlich durchaus in der Lage ist, bessere und vergleichbare Hilfen umzusetzen.“

„Jeder Vierte der befragten Solo-Selbstständigen hält es für sehr wahrscheinlich, die eigene Selbstständigkeit in den nächsten zwölf Monaten aufgeben zu müssen.“ Das ergab eine Umfrage unter 16.000 Solo-Selbstständigen durch das ZEW-Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung.

So brach bei knapp 60 Prozent der Befragten der monatliche Umsatz um mehr als 75 Prozent ein. Von den 16.000 Befragten konnte jeder Zweite seine Tätigkeit zum Zeitpunkt der Umfrage nicht mehr ausüben.

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