Datenbank statt Chemielabor – App zeigt Chemikalien in Alltagsprodukten an

Mithilfe einer Smartphone-App können Schadstoffe in Kosmetika und anderen Produkten leichter erkannt und gemieden werden.
Titelbild
Eine Schadstoff-App als Helfer beim Kosmetik-Einkauf.Foto: iStock
Von 30. Juni 2022

Mit der kostenfreien ToxFox-App der deutschen Umweltorganisation BUND und seinem Schweizer Partner „Codecheck.info“ können Verbraucher Schadstoffe in Alltagsprodukten leichter erkennen. Allerdings nur die, die als solche gelistet und vom Hersteller bei seinem Produkt in der Deklaration angegeben sind. Den Schwerpunkt bilden bei der App der Bereich der Kosmetika und das Kinderspielzeug. Die App kann aber auch für andere Alltagsprodukte genutzt werden.

Schädliche Chemikalien stellen ein Gesundheitsrisiko für Kinder und Erwachsene dar. Sie können sich mit fatalen Folgen für die Gesundheit im Körper anreichern. Die Folge können Krebserkrankungen, Erbgutveränderungen, Unfruchtbarkeit oder eine Schädigung des Fötus sein.

Bei Apps wie ToxFox gibt es allerdings dieselben Probleme, die es generell mit der Deklaration von Produkten gibt: Selbst wenn die einzelne Konzentration bedenklicher Inhaltsstoffe relativ gering und nicht angegeben ist, können die Emissionen in der Gesamtmenge beträchtlich sein. Auch lassen sich mögliche Wechselwirkungen der Schadstoffe untereinander nicht genau bewerten.

Das heißt, wenn der einzelne besorgniserregende Inhaltsstoff unter einem Grenzwert liegt, muss er nicht angegeben werden. Mehrere kritische Inhaltsstoffe in niedriger Konzentration können allerdings in der Gesamtmenge durchaus schädlich wirken. Auch können sie durch ihre Wechselwirkung untereinander ein Gefährdungspotenzial aufweisen.

Keine Zulassungspflicht

Grundsätzlich ist zu wissen, dass für Kosmetika in Deutschland, anders als bei Arzneimitteln, keine Zulassungspflicht besteht. Die Verantwortung einer gesundheitlichen Unbedenklichkeit in der Kosmetik liegt also beim Hersteller.

Allerdings gibt es gesetzliche Regelungen. So müssen die Inhaltsstoffe von Kosmetika gemäß der deutschen Verordnung über kosmetische Mittel (D-KosmetikV) in Form der „Internationalen Nomenklatur Kosmetik Zutaten“ (INCI) auf den Packungen aufgeführt sein. Die Europäische Kommission legt die INCI-Bezeichnungen fest und listet sie in der CosIng-Datenbank zusammen mit ihren Bedeutungen. Mit der EU-Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 (EU-KosmetikV) reguliert sie grundsätzlich, welche Stoffe in der Kosmetik verwendet werden dürfen und welche nicht. Die D-KosmetikV regelt darüber hinaus das, was nicht bereits europaweit einheitlich mit der EU-KosmetikV geregelt ist.

Soweit es sich um 100 Prozent rein natürliche oder synthetische Einzelsubstanzen handelt, kann der Verwender bei hochwertigen Produkten darauf vertrauen, dass die resultierenden Rezepturen nach Stand der Technik keine schädigenden Komponenten enthalten, dennoch sind beispielsweise Verunreinigen während der Produktion nicht ausgeschlossen.

Zudem sind chemisch einheitliche Stoffe eher die Ausnahme. Praktisch jeder Stoff enthält Spuren oder Beimengungen anderer Substanzen. Noch komplexer wird der Sachverhalt bei Stoffgemischen wie Extrakten, Mineralölkomponenten oder technischen Einsatz- bzw. Hilfsstoffen (Emulgatoren, Konsistenzmitteln etc.).

Zudem gibt es Einflüsse, die bei den Verordnungen nicht berücksichtigt werden. Neben der Umweltverträglichkeit der Rezepturen zählen dazu chemische Veränderungen, die durch Verpackung und Lagerung und atmosphärische Einwirkungen nach der Öffnung der Gebinde durch den Endverbraucher eintreten.

Dabei spielen nicht nur harmlose, sondern auch Schadstoffe sowie in den Verordnungen verbotene Stoffe eine Rolle. Sie lassen sich weder in der INCI der Etiketten noch in der Schadstoff-App erkennen.

Funktionsweise der ToxFox-App

Um Alltagsprodukte mit kritischen Inhaltsstoffen zu finden, wird mit dem Smartphone im Geschäft oder zu Hause mithilfe der Smartphone-Kamera der Barcode (Strichcode) des Produktes gescannt. Sofern das Produkt in der Datenbank vorhanden ist, werden anschließend die enthaltenen Schadstoffe angezeigt.

Diese Chemikalien können:

  • Krebs erregen oder das Erbgut oder die Fruchtbarkeit schädigen;
  • langlebig und giftig sein und sich in Organismen anreichern;
  • sehr langlebig sein und sich besonders stark in Organismen anreichern;
  • „gleichermaßen besorgniserregende Eigenschaften“ haben (z.B. Chemikalien, die auf das Hormonsystem wirken).

Falls keine Angaben vorhanden sind, kann man direkt per App eine Verbraucheranfrage an den Hersteller oder Händler schicken. Rechtlich gesehen handelt es sich bei der Anfrage um eine Auskunft auf Grundlage der europäischen Chemikalienverordnung REACH. Für Kosmetikprodukte kann keine Anfrage gestellt werden, da für diese Produkte eine Deklarationspflicht besteht.

Die Hersteller sind gesetzlich verpflichtet, innerhalb von 45 Tagen auf die Anfrage zu antworten, wenn ein Produkt besonders gefährliche Stoffe enthält. Die Antwort fließt dann in die Datenbank ein, auf die die ToxFox-App zugreift, und steht bei der nächsten Anfrage sofort zur Verfügung, verspricht BUND. Damit wächst das „Wissen“ der App stetig.

Von den Herstellern erhält man bei einer Verbraucheranfrage allerdings nur Auskunft für alle Stoffe, die auf der offiziellen Liste für besonders besorgniserregende Stoffe der Europäischen Chemikalienagentur stehen. Diese wird alle sechs Monate bei neuen Erkenntnissen um neue Schadstoffe erweitert.

Laut Chemikalienverordnung müssen Firmen außerdem nur antworten, wenn ein besonders besorgniserregender Stoff in Mengen über 0,1 Gewichtsprozent im Produkt enthalten ist. Die Umweltorganisation verspricht, die Transparenz der Hersteller auszuwerten und intransparente Hersteller öffentlich zu machen.

App zeigt nur bestimmte Schadstoffe an

Dabei ist ebenfalls wichtig zu wissen, dass die ToxFox-App nicht alle möglichen potenziellen gefährlichen Stoffe in Kosmetika anzeigt, sondern nur bestimmte Schadstoffgruppen. Denn allein in Kosmetika können insgesamt über 10.500 verschiedene Substanzen enthalten sein. Laut BUND zeigt ToxFox hormonelle Schadstoffe, Mikroplastik sowie Nanopartikel an. Aber auch kritische Substanzen wie Titandioxid und von der EU-Kommission als besonders besorgniserregende Stoffe (SVHCs) eingestufte Substanzen werden angezeigt.

Weitere Inhaltsstoffe von Kosmetika mit problematischen Eigenschaften sind beispielsweise bestimmte Duftstoffe, Methylisothiazolinon, Polyethylenglykol (PEG), Phthalate (Weichmacher), Formaldehyd oder Petrolatum. Nicht alle diese Stoffe werden durch die ToxFox-App angezeigt.

Zudem funktioniert die ToxFox-App nur für Hersteller und Produkte, die einen Strichcode des internationalen Standards „GS1“ haben. Anbieter wie beispielsweise ALDI oder IKEA nutzen ein eigenes Strichcode-System. Für diese Produkte kann keine Verbraucheranfrage gestellt werden und man erhält eine Fehlermeldung.

Seit 2016 bietet der BUND in Deutschland die ToxFox-App an. Gemeinsam mit Projektpartnern in 13 Ländern arbeitet man daran, eine europäische Produktdatenbank aufzubauen. Im Projekt „LIFE AskREACH“ sind jetzt auch EU-weit Apps nach ToxFox-Vorbild verwendbar. ToxFox wird durch Mitgliederbeiträge und Spenden finanziert.

Alternativen zu ToxFox

Neben der kostenfreien ToxFox-App gibt es auch Alternativen. Dazu gehört beispielsweise die COSMILE-App von Haut.de, die 2018 veröffentlicht wurde. Haut.de ist ein werbefreies Portal, das durch Partner wie z.B. den Bundesverband deutscher Kosmetikerinnen und andere Fachverbände finanziert wird.

Durch eine kontinuierlich aktualisierte Datenbank mit fast 30.000 Inhaltsstoffen stehen hier Informationen zur Zusammensetzung von Produkten digital zur Verfügung, heißt es in der Eigenbeschreibung. Angezeigt werden zum Beispiel Duftstoffe oder andere Stoffe, die für eine Unverträglichkeit oder für ein mögliches Gefahrenpotenzial bekannt sind.

Der Nutzer kann jedoch „seine Produkte“ in der App hinterlegen und wird informiert, sobald sich an der Produktformulierung etwas ändert. Denn Hersteller ändern manchmal die Rezeptur von Produkten, ohne dies auf den Verpackungen hervorzuheben.

Neben dem Barcode-Scanner kann die COSMILE-App mit der Option „INCI-Reader“ per Texterkennung die Inhaltsstoffe von der Verpackung direkt einlesen und bewerten. Und es gibt eine Text-Suchmaske, mit der man direkt nach Informationen zu einem Inhaltsstoff – nach Eingabe der INCI-Bezeichnung – suchen kann. Die COSMILE-App ist kosten- und werbefrei.

Codecheck-App bietet Support und Offline-Scannen

Zudem gibt es die Schweizer Codecheck-App. Sie funktioniert nach einem ähnlichen Prinzip wie die ToxFox-App, mit der eine Kooperation besteht. Die Codecheck-App gibt es als kostenlose Variante mit Werbung. Und es gibt sie als kostenpflichtige Pro Variante, die dann werbefrei ist und einen Support und das Offline-Scannen bietet.

Was alle drei Apps verbindet, sind ihre Grenzen: Das Smartphone wird nicht dank App zum Chemielabor. Zudem sind keine Aussagen möglich über Herkunft, Anbauart, Umwelt- und Tierfreundlichkeit sowie weitere Qualitätsmerkmale der Produkte und deren Inhaltsstoffe.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion