AfD auf dem Vormarsch? Stimmungstest bei Thüringer Kommunalwahl

Am Sonntag, dem 26. Mai, entscheiden 1,7 Millionen Thüringer bei der Kommunalwahl über die zukünftige politische Ausrichtung ihrer Gemeinden und Landkreise. Mit dieser Wahl beginnt das Superwahljahr, das bereits jetzt im Fokus steht, insbesondere aufgrund der starken Umfragewerte der AfD.
In Thüringen stehen am Sonntag Kommunalwahlen an.
In Thüringen stehen am Sonntag Kommunalwahlen an.Foto: arifoto UG/dpa-Zentralbild/dpa
Von 25. Mai 2024

Am kommenden Sonntag sind 1,7 Millionen wahlberechtigte Thüringer dazu aufgerufen, bei der Kommunalwahl darüber abzustimmen, wer in ihrer Stadt oder ihrem Landkreis in Zukunft politische Entscheidungen treffen soll. 

Die Kommunalwahl in Thüringen ist damit der Auftakt für das Superwahljahr: Am 9. Juni folgt die Europawahl und im September wählt Thüringen den neuen Landtag. Auf das Wahlergebnis am Sonntag werden aber nicht nur die Thüringer schauen. Über den Freistaat hinaus wird man genau darauf schauen, wie die Wahl ausgeht.

Mit Blick auf die bevorstehende Landtagswahl in wenigen Monaten ist die Kommunalwahl ein Stimmungstest: Die Umfragen der letzten Monate sehen die AfD um ihren Landesvorsitzenden Björn Höcke mit Abstand als die stärkste Kraft im Land. Anfang Mai lag AfD Thüringen in einer Umfrage zur Landtagswahl bei 30 Prozent, gefolgt von der CDU mit 20 Prozent. Beobachter schließen daher nicht aus, dass die AfD am kommenden Sonntag auch auf kommunaler Ebene stärkste Kraft im Land werden könnte. 

AfD könnte von Stimmung im Land profitieren

Traditionell ist in Thüringen bisher die CDU am stärksten in den Kommunen vertreten. Allerdings dürfen sich nun sieben ihrer aktuellen Landräte nicht mehr zur Wahl stellen. In diesem Freistaat gilt eine Altersgrenze von 65 Jahren, die diese Landräte erreicht haben. Der kommende Sonntag wird daher einen Generationswechsel mit sich bringen. In Zeiten von frustrierten Bürgern und einer ansteigenden Anzahl von politischer Konkurrenz ist die Wiederwahl von CDU-Landräten in den Kreisen kein Selbstläufer. 

Die AfD könnte von der Stimmung im Land profitieren. Der deutschlandweite erste AfD-Landrat kommt aus Thüringen: Seit dem letzten Sommer ist Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg Landrat. Im Januar verlor im Saale-Orla-Kreis der AfD-Kandidat Uwe Thrum in der Stichwahl knapp gegen seinen CDU-Kontrahenten Christian Herrgott.

Für den Sonntag hofft die AfD daher auf neue kommunale Posten und Mandate. Bei der Kommunalwahl vor sechs Jahren kam die AfD auf 10,2 Prozent. In den sechs Jahren ist viel passiert: Der AfD-Landesverband in Thüringen ist inzwischen deutlich stärker aufgestellt. Eine Prognose für den Sonntag ist allerdings schwierig. Das hat vor allem damit zu tun, dass die regionalen Bedingungen und Themen, aber auch die Persönlichkeiten, die sich um die Mandate bewerben, sehr unterschiedlich sind. Anders als bei Bundestags- oder Landtagswahlen existieren kaum Umfrageergebnisse, die eine Tendenz des Wahlausgangs widerspiegeln.  

Vier Erhebungen zur Kommunalwahl in Thüringen

Die „Frankfurter Rundschau“ berichtete über vier Erhebungen in Thüringen, auf die sich ein Blick lohnt. Bei den Oberbürgermeisterwahlen in den kreisfreien Städten Erfurt und Gera deuten die Daten darauf hin, dass die AfD sich mit ihren Kandidaten dort nicht an die Spitze setzen kann. 

In Erfurt liegt Andreas Bausewein (SPD) in der Umfrage mit 33 Prozent vor dem AfD-Kandidaten Stefan Möller, der mit 21 Prozent auf den zweiten Platz kommen würde. Der parteilose Kandidat Julian Vonarb liegt mit 42 Prozent in Gera vor Kurt Dannenberg (CDU), der in Umfragen auf 27 Prozent kommt. AfD-Kandidat Wieland Altenkirch würde mit 20 Prozent auf den dritten Platz verwiesen. 

Auch für zwei Landratswahlen liegen Umfragen vor, wie die „Frankfurter Rundschau” schreibt. Im Landkreis Eichsfeld, eine traditionelle CDU-Hochburg, kann Marion Frant, die dort für die Christdemokraten antritt, mit 49 Prozent der Stimmen rechnen. Marcel König, der als Parteiloser von der AfD nominiert wurde, käme mit 27 Prozent auf den zweiten Platz. 

Im Landkreis Greiz führt Ulli Schäfer (CDU) mit 39 Prozent die Umfragen an, gefolgt von Kerstin Müller (AfD), die mit 31 Prozent der Stimmen rechnen könnte.

Diese vier Umfragen bilden allerdings nicht die Stimmung im gesamten Bundesland ab. Darauf verweist auch Pierre Zissel, Experte für Politik auf Kreisebene an der Universität Jena, in einem Gespräch mit „IPPEN.MEDIA”. Zissel sieht Chancen für die AfD. Der wissenschaftliche Mitarbeiter am Lehrstuhl Politisches System der BRD verweist auf Daten des „Deutschlandmonitors” – ein Pilotprojekt, das unter anderem Zusammenhänge zwischen regionalen Kontexten und politischen Einstellungen beleuchtet. Unter anderem schaut das Projekt auf die Bedeutung des Gefühls des „Abgehängtseins”. 

Ein Ergebnis dieser Studie sei laut Zissel, der an dieser Erhebung mitgewirkt hat: „Da hat sich ziemlich klar herausgestellt, dass Menschen in ökonomisch strukturschwachen Regionen dieses Gefühl deutlich häufiger teilen“ – das könne für städtische wie ländliche Regionen gleichermaßen gelten. Betroffene seien mit dem Funktionieren der Demokratie deutlich weniger zufrieden. Vor allem aber: „Menschen, die der AfD nachstehen, fühlen sich am ehesten abgehängt”, erläutert Zissel.

Gefühltes „Abgehängtsein“ kann entscheiden

Diese Erkenntnis kann eine Auswirkung auf die Kommunalwahl in Thüringen haben. Laut „Thüringen Monitor 2022” fühlen sich Befragte in vielen Regionen im Land von der Politik und den Menschen im Rest des Freistaates abgehängt. Laut Zissel seien die regionalen Unterschiede sehr gering, Schwerpunkte sind aber „zum Beispiel der Süden Thüringens mit dem Landkreis Sonneberg, Saalfeld-Rudolstadt, Saale-Orla-Kreis, aber auch der Kyffhäuser-Kreis im Norden“, so Politikwissenschaftler Zissel. „Und im Saale-Orla-Kreis, in Sonneberg haben wir ja bereits gesehen, dass die AfD Erfolge erzielen konnte.“ 

Als Beispiel, dass nicht nur Landkreise betroffen sind, nennt Zissel die Stadt Gera. Die frühere DDR-Bezirkshauptstadt habe viele Einwohner verloren und eine „kollektive Abstiegserfahrung“ durchgemacht. Auch wenn die Umfragen keinen AfD-Oberbürgermeister für Gera vorhersagen, stellt die Partei schon heute dort mit Dr. Reinhard Etzrodt den Stadtratsvorsitzenden. 

Nach Zissels Eindruck plakatiert die AfD im Kommunalwahlkampf, zum Beispiel in der Landeshauptstadt Erfurt erneut mit allgemeinen Slogans wie „Es gibt nur zwei Geschlechter“ oder „Unsere Stadt, unsere Regeln“. „Die AfD ist sich, glaube ich, selber bewusst, dass sie bei der Kommunalwahl nicht auf Personen spielen sollte“, sagt der Politologe, „sondern dass sie wirklich aus Ressentiments gegen Geflüchtete, gegen die Parteienlandschaft, vielleicht auch gegen das politische System an sich, gewählt wird, nicht etwa wegen konkreter kommunalpolitischer Themen.“ Andere Parteien setzten augenscheinlich eher auf ihre lokalen Kandidaten.

Streit in der AfD in Thüringen

Unterdessen rumort es kurz vor der Kommunalwahl innerhalb der thüringischen AfD. Mehrere AfD-Kommunalpolitiker fordern den Rücktritt von AfD-Landesvorsitzenden Björn Höcke. Anlass ist Höckes Versuch, eine alternative AfD-Liste für die Kreistagswahl im Kreis Saalfeld-Rudolstadt zu unterstützen und andere AfD-Kandidaten aus der Partei auszuschließen. Der AfD-Kreistagskandidat Josef Kluy äußerte sich gegenüber der „Bild”-Zeitung zu Höckes Vorgehen, Parteimitglieder auszuschließen: „Höckes Verhalten passt zu einem Narzissten, hat aber mit demokratischen Gepflogenheiten nichts zu tun.” Er fügte hinzu: „Nicht wir müssen aus der Partei geworfen werden – wenn, dann er.” Kluy kandidiert für den Kreistag Saalfeld-Rudolstadt.

Jörg Gasda, der Bürgermeisterkandidat der AfD für Rudolstadt, schloss sich der Forderung an, gegen Höcke vorzugehen. „Wir fordern seinen Rücktritt und bereiten dazu etwas vor.” Höckes Verhalten sei systematisch. „Bisher mussten alle, die er nicht wollte, irgendwann gehen und waren plötzlich von der politischen Bühne verschwunden.”

Der Streit dreht sich um zwei konkurrierende Listen der AfD für den Kreistag des Landkreises Saalfeld-Rudolstadt bei der Kommunalwahl. Sowohl die Alternative für Deutschland (AfD) als auch die Alternative für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt (AfL) wollen mit eigenen Listen antreten. Die Landes-AfD und ihr Landeschef Höcke unterstützen die AfL. Kluy und Gasda argumentieren, dies sei ein Verstoß gegen die AfD-Statuten, da Wahlwerbung für andere Parteien und Listen verboten sei. Die Kommunalpolitiker bringen daher sogar einen Parteiausschluss Höckes ins Spiel.

Dass der Vorstoß der AfD-Kommunalpolitiker am Ende Erfolg haben wird, ist fraglich. Höckes Position gilt in der Partei als gefestigt. Die nun gegen ihn öffentlich gemachten Forderungen werden von vielen Parteianhängern als innerparteilicher Streit gesehen, der nun nach außen getragen wurde. Mitten im Wahlkampf gibt es dafür kaum Verständnis. 

Torben Braga, stellvertretender Parteivorsitzender der AfD in Thüringen und parlamentarischer Geschäftsführer der Thüringer AfD-Landtagsfraktion, hat die Forderung der Kommunalpolitiker nach einem Parteiausschluss von Parteichef Björn Höcke entschieden zurückgewiesen. „Die Forderung nach einem Parteiausschlussverfahren gegen Björn Höcke ist lächerlich“, sagte Braga der „Welt”. „Die Mitglieder, die es fordern, haben aufgrund des laufenden Parteiausschlussverfahrens keine Mitgliedsrechte mehr. Außerdem wäre nur der Landes- oder Bundesvorstand antragsberechtigt.“



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