Thüringen: Ramelow bringt Bündnis mit CDU und Wagenknecht-Partei ins Spiel – AfD verliert an Zuspruch

In einem Interview hat Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow ein Regierungsbündnis mit CDU und Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) nicht ausgeschlossen. Umfragen zufolge gebe es rechnerisch auch kaum andere realistische Optionen.
Laut Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) muss die Schleuserkriminalität mit einem «europäisch-afrikanischen Schulterschluss» bekämpft werden.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke).Foto: Bodo Schackow/dpa
Von 3. April 2024

Die Landtagswahlen am 1. September 2024 in Thüringen könnten bislang in Deutschland noch ungekannte Konstellationen bei der Regierungsbildung erforderlich machen. Dank des Ministerpräsidentenbonus von Bodo Ramelow hält sich die in den meisten anderen Ländern ums Überleben kämpfende Linkspartei zwischen 16 und 18 Prozent. Dies geht aus den jüngsten Umfragen hervor.

Linke nur bei 16 bis 18 Prozent – Ramelow als Person beliebter

Ramelow selbst liegt in der Beliebtheitsskala unter den Thüringern deutlich vor Mario Voigt (CDU) und AfD-Landeschef Björn Höcke – obwohl dieser laut Infratest dimap mit 16 Prozent um sieben Punkte höher liegt als noch im Januar 2020.

Die Linkspartei selbst ist den Umfragen zufolge nur noch drittstärkste Kraft. Mit 16 Prozent liegt sie Infratest dimap zufolge nur einen Prozentpunkt vor den Newcomern vom Bündnis Sahra Wagenknecht. Die CDU ist mit 20 Prozent zweitstärkste Partei.

An der Spitze liegt nach wie vor die AfD, auch wenn sie gegenüber ihren Spitzenwerten von bis zu 36 Prozent Ende 2023 an Zuspruch verloren hat. Im Durchschnitt der Umfrageinstitute liegt sie damit bei 30 Prozent.

Keine Mehrheiten ohne AfD oder BSW in Sicht

Im Interview mit der „Welt“ äußerte der Ministerpräsident Genugtuung darüber, dass die AfD wieder an Zuspruch verliere. Dennoch bleiben die Bündnisoptionen für ihn dünn gesät. Die SPD liegt laut Infratest dimap bei neun Prozent, bei INSA sind es sogar nur sechs Prozent. Die Grünen müssen mit fünf Prozent um den Wiedereinzug zittern.

Die FDP kann nach derzeitigem Stand bereits für eine außerparlamentarische Phase planen. Mit zwei bis drei Prozent ist sie von einem Wiedereinzug in den Landtag nicht deutlich weniger weit entfernt als die WerteUnion mit einem Prozent von ihren ersten Mandaten.

Im Schnitt der jüngsten Umfragen käme die AfD im 88 Sitze umfassenden Thüringer Landtag auf 28 Sitze, die CDU auf 19, die Linkspartei auf 16 und das BSW auf 13. Die SPD würde mit sieben Sitzen rechnen können, die Grünen – sollten sie die Fünf-Prozent-Hürde schaffen – auf fünf.

Voigt könnte Anspruch auf Posten des Ministerpräsidenten erheben

Damit wäre keine Mehrheit möglich, die nicht entweder die AfD oder die BSW beinhaltet – und sei es nur im Wege eines Tolerierungsmodells. Zudem könnte Mario Voigt, wenn die CDU ihren zweiten Platz halten kann, auch den Posten des Ministerpräsidenten beanspruchen. Die Linke würde sich darauf mit Blick auf die Beliebtheitswerte Ramelows jedoch zweifellos nicht einlassen.

Theoretisch gilt zudem noch der Beschluss der Bundes-CDU, wonach es nicht nur mit der AfD, sondern auch mit der Linkspartei keine Zusammenarbeit geben dürfe. Derzeit gibt es ein Übereinkommen zwischen dem rot-rot-grünen Minderheitenkabinett und der Union, das Ramelows Regierung ermöglicht, Haushalte zu beschließen und wichtige Gesetze durchzubringen.

Es spricht einiges dafür, dass weder Ramelow noch das BSW bereit wären, sich auf ein ähnliches Szenario für weitere fünf Jahre einzulassen. Dies könnte wiederum dazu führen, dass die CDU anbietet, den Unvereinbarkeitsbeschluss auszusetzen oder abzuändern – wenn Linke und BSW im Gegenzug Voigt zum Ministerpräsidenten wählen.

Sollte die AfD mehr Sitze im Landtag erringen als Linkspartei und BSW zusammen, wäre sogar ein Szenario möglich, in dem Ramelow und Voigt gegeneinander antreten – und im dritten Wahlgang Björn Höcke mit relativer Mehrheit zum Ministerpräsidenten gewählt werden könnte.

Ramelow appelliert an „Gottvertrauen“ der Thüringer

Der Ministerpräsident betont gegenüber der „Welt“, erst einmal seinen Wahlkampf mit seinen Punkten führen zu wollen – „für Demokratie, eine starke Linke, und ich kämpfe gegen die Verharmlosung des Faschismus“. Er wolle „die 70 Prozent jenseits der AfD politisch in die Pflicht nehmen“.

Es müsse eine handlungsfähige Regierung nach dem 1. September geben. Diese müsse der AfD entgegentreten und dem Bürger zeigen, dass sie in der Lage sei, Probleme zu lösen. Den Bürgern in Thüringen empfiehlt er „Gottvertrauen“ – und er verwahrt sich dagegen, eine „Katastrophenstimmung“ im Freistaat herbeizureden.

Dass es vonseiten der CDU den Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linkspartei noch gibt, sieht Ramelow als deren Problem:

„Meine Partei schließt eine Zusammenarbeit nur mit der AfD aus. Die Thüringer Union sollte das endlich mal klären. Es geht um Stabilität für unser Land. Vor dieser Verantwortung darf sich niemand drücken.“

BSW bei Bundesthemen von potenziellen Partnern weit entfernt

Am BSW dürfte das ungewöhnliche Bündnis nicht scheitern. Dort hatte man schon im Vorfeld lediglich betont, einen Politikwechsel zur Bedingung zu machen. Die Themen, die Wagenknecht und ihre Partei fundamental von der CDU und auch von Ramelow trennen – etwa die Frage der Waffenlieferungen an die Ukraine – sind keine Landesthemen.

Auch in Fragen wie der Windkraft oder der Klimapolitik dürfte eine Einigung der drei Parteien nicht undenkbar sein. Ohne Grüne im Kabinett würde eine pragmatische Politik auch in diesen Bereichen deutlich erleichtert. Ob ein Kabinett aus CDU, Linkspartei und BSW am Ende mehr werden könnte als nur ein Notbündnis gegen die AfD, bleibt offen.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion