Ayahuasca statt Gesprächstherapie: Pflanzensud soll das „destruktive Ego“ auslöschen

Der in der Amazonasregion verbreitete Pflanzensud Ayahuasca soll zehn Jahre Gesprächstherapie in einer Nacht ersetzen können. Dies behauptet eine US-amerikanische Therapeutin in einem Psychologie-Fachmagazin. Der Preis dafür ist jedoch das Auslöschen des Egos.
Titelbild
Eine Ayahuasca Zeremonie in Caserio Nueva Luz de Fatima, Peru.Foto: Manuel Medir/Getty Images
Von 23. August 2022

In einem jüngst veröffentlichten Artikel für „Psychology Today“ beschreibt die in Minneapolis, Minnesota praktizierende Psychotherapeutin Dr. Rachel Allyn die Wirkungen und möglichen Anwendungsgebiete von Ayahuasca.

Sie schreibt dem Pflanzensud mit psychedelischer Wirkung das Potenzial zu, die Psychologie zu revolutionieren. Immerhin sei sie in der Lage, das „dysfunktionale Ego“ aufzulösen – und in nur einer Nacht den gleichen Effekt zu bewirken wie zehn Jahre Gesprächstherapie.

Kultische Verwendung von Ayahuasca schon heute in mehreren Ländern legal

Verbreitet ist Ayahuasca vor allem in Ländern wie Brasilien, Bolivien, Peru, Venezuela, Kolumbien oder Ecuador. In einigen lokalen Religionen wird der Sud auch zu kultischen Zwecken verwendet, weshalb der Gebrauch in diesem Zusammenhang legal ist. Im Jahr 2006 hat der Oberste Gerichtshof in den USA den religiösen Gebrauch von Ayahuasca legalisiert.

Allyn sieht in der Verwendung des Präparats die Chance, in kurzer Zeit festgefahrene Überzeugungen zu überwinden, die sich im „Standardmodus-Netzwerk“des Gehirns abgespeichert finden.

Ayahuasca habe das Potenzial, „Menschen von ihrem dysfunktionalen Ego zu befreien – dem Teil von uns, der in dem Bedürfnis feststeckt, recht zu haben, der über sich selbst oder andere urteilt, der sich zu sehr auf seine eigenen Interessen konzentriert und sich zu sehr mit seiner ‚Geschichte‘ identifiziert.“

Soll Psychologie die Gemeinschaft vor dem einzelnen heilen?

Demgegenüber würde der alleinige Fokus auf Gesprächstherapie einen Zustand verstärken, in dem „Menschen in ihrer eigenen Lebensgeschichte feststecken“ oder die Überzeugung entwickelten, anders als andere oder ausgeschlossen zu sein. In dieser Situation könne der „Tod des dysfunktionalen Egos“ die „Geburt einer größeren Empathie gegenüber sich selbst und anderen“ nach sich ziehen.

Viele Menschen, die Ayahuasca probiert hätten, würden „sich selbst und anderen vergeben, mehr Dankbarkeit empfinden und sich wieder mit ihrer Seele verbinden.“ Zudem fühlten sie sich „mehr mit der Natur, den Tieren und der Freundlichkeit gegenüber anderen verbunden“, statt sich auf „Konkurrenzdenken, Vergleiche oder alten Groll“ zu konzentrieren.

Gerade in Anbetracht der Corona-Krise, die zu einer extremen Wut und Spaltung zwischen den Menschen geführt habe, könnte, so Allyn, „der radikal andere Ansatz von Ayahuasca das Potenzial haben, die Trennung zu heilen, indem er uns wieder mit unserer angeborenen Empathie verbindet.“

Das „Wir“ soll gewinnen

Die meisten gängigen Selbsthilfetheorien, die in der Psychologie zur Anwendung kämen, seien so sehr auf das Ich konzentriert, dass sie „den größeren Konflikt zwischen Menschen nicht ansprechen.“ Eine Zulassung von Ayahuasca und anderen Präparaten der Pflanzenmedizin würde, so Allyn, eine „Rückkehr zur Natur, der Ort, an den wir gehören“, begünstigen. Zudem könnte die Wissenschaft einen Weg ebnen „über die Selbstfürsorge hinaus zur kollektiven Fürsorge, vom Wohlbefinden des Ich zum Wohlbefinden des Wir“.

„Stellen Sie sich also vor, wer wären Sie ohne das ständige Geplapper Ihrer Geschichten?“, appelliert die Therapeutin am Ende ihres Beitrags. „Je mehr Sie Ihr Ego zur Ruhe bringen, desto mehr können Sie Ihr Herz hören.“

Der „Great Reset“ für die menschliche Psyche?

Kritiker warnen hingegen vor einfachen und schnellen Lösungen, die im Kern auf eine komplette Umprogrammierung der menschlichen Gedankenwelt setzen. Sie sehen darin sogar eine Gefahr. Unter den meisten Psychologen, Mentaltrainern, Lebensberatern und anderen Praktikern ist es Konsens, dass eine Überwindung erworbener Denkmuster, die Menschen daran hindern, zu Erfolg und größerer Lebenszufriedenheit zu gelangen, deren bewusste Erkenntnis erfordert.

In weiterer Folge wäre es erforderlich, den Zusammenhang zwischen diesen Denkmustern und bestehenden Problemen, Belastungen und Misserfolgen zu erkennen – und positive Alternativen zu erarbeiten.

Die Wege dorthin und die therapeutischen Ansätze sind vielfältig und verschieden. Insbesondere auch deshalb, weil sie individuell auf die jeweiligen Betroffenen und deren Situation abgestimmt und diesen gerecht werden müssen. Ansätze, die radikale Brüche oder die Preisgabe der eigenen Identität beinhalten, gelten hingegen als gefährlich und Einfallstor für experimentelle Manipulationstechniken bis hin zur Gehirnwäsche.

Der niederländische Psychiater Joost Meerloo warnte bereits in den 1950er-Jahren vor motivierten Ansätzen in der Psychologie, deren Ziel das Aufgehen eines individuellen Willens in vermeintlich höherwertigen kollektiven Zielvorstellungen wäre. Dieser „Mentizid“, wie er den Vorgang nannte, sei ein möglicher Einstieg in den Totalitarismus.



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