Studie: Gute Mundhygiene könnte Alzheimer-Risiko reduzieren

Parodontitis und Alzheimer – was zunächst wie zwei völlig unterschiedliche Krankheiten klingt, hat laut derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen eine bedeutende Verbindung.
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Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Mundhygiene und der Alzheimer-Krankheit? Symbolbild.Foto: iStock
Von 8. August 2023

Die Rolle der Zahnmedizin ist weit größer als der bloße Erhalt von gesunden Zähnen. Seit einigen Jahren ist bekannt, dass Zahnfleischerkrankungen mit einem erhöhten Risiko für Alzheimer in Verbindung stehen. In diesem Zusammenhang könnten Zahnärzte eine entscheidende Rolle bei der Früherkennung und Vorbeugung dieser kognitiven Störungen spielen – sofern sie sich dieser Möglichkeit bewusst sind.

Das Bakterium Porphyromonas gingivalis (P. gingivalis) ist als eine bekannte Ursache für chronische Parodontitis hierbei von besonderem Interesse. Forschungsergebnisse zeigen, dass P. gingivalis bis ins Gehirn gelangen und dort neurologische Entzündungen auslösen kann – ein Prozess, der letztlich zur Entwicklung von Alzheimer beitragen könnte.

Dieses Bakterium produziert sogenannte Gingipaine, eine Art von Enzymen, die teilweise giftig sind und Zahnfleischentzündungen verursachen können. Diese schädigen insbesondere die Tau-Proteine, die für die normale Funktion von Nervenzellen unerlässlich ist. Bei Alzheimer – einer Krankheit, die Gedächtnis und Kommunikation beeinträchtigt – klumpen diese Proteine zusammen und stören den Informationsfluss zwischen den Nervenzellen.

Die US-Behörde National Institute on Aging geht davon aus, dass auffällige Veränderungen im Gehirn von Alzheimer-Patienten wahrscheinlich auf ungewöhnliche Tau-Proteine, Beta-Amyloid-Proteine und andere Faktoren zurückzuführen seien. So sammeln sich diese abnormalen Tau-Proteine in jenen Gehirnbereichen an, die an der Verarbeitung von Erinnerungen beteiligt sind, während sich Beta-Amyloid-Plaque-Ablagerungen zwischen den Neuronen bilden, die ebenfalls mit der Entstehung von Alzheimer in Verbindung gebracht werden.

Tierversuche liefern Hinweise

Dr. Ingar Olsen von der Universität Oslo betonte in einem Review die Bedeutung von P. gingivalis und seiner Auswirkungen auf Alzheimer: „Die durch P. gingivalis verursachte Neuroentzündung wird immer mehr als ein Faktor bei der Entstehung von Alzheimer erkannt.“ Bei der Analyse früherer Forschungsarbeiten stellte der Mikrobiologe und Zahnarzt fest, dass sowohl das Bakterium P. gingivalis als auch das von ihm produzierte Enzym Gingipaine im Gehirn von Alzheimer-Patienten vorzufinden waren.

Tierversuche lieferten weitere Hinweise darauf, dass dieses Bakterium Alzheimer auslösen könnte. Bei der Forschung wurden synthetisch hergestellte Hemmstoffe eingesetzt, die speziell das Enzym Gingipain blockieren sollten.

Das Ergebnis: Die Anzahl des Bakteriums P. gingivalis verringerte sich, die Produktion des schädlichen Beta-Amyloid-Proteins wurde blockiert, die Entzündung im Gehirn nahm ab und Nervenzellen im Hippocampus, einem Teil des Gehirns, konnten erhalten bleiben. Die Forscher schlussfolgerten daraus, dass die Blockade dieses Bakterium möglicherweise zur Prävention der Alzheimer-Krankheit beitragen könnte.

Diese Studie wurde im Jahr 2019 auf „Science Advances“ veröffentlicht und von Cortexyme Inc. mitfinanziert. Dieses Biopharma-Unternehmen entwickelte einen Wirkstoff namens Atuzaginstat, der das von P. gingivalis produzierte Enzym Gingipain hemmen soll. Es war zunächst geplant, diesen Wirkstoff in klinischen Studien am Menschen zu testen. Allerdings hat die amerikanische Lebens- und Arzneimittelbehörde FDA diese Pläne auf Eis gelegt. Es gab Bedenken, dass der Stoff schädlich für die Leber sein könnte.

Aktuelle Erkenntnisse der Lancet-Kommission

Der Zusammenhang zwischen Alzheimer und P. gingivalis mag bislang gut dokumentiert sein. Allerdings sind einige Mediziner der Meinung, dass diese Beziehung in wissenschaftlichen Debatten noch zu wenig Beachtung findet. Das ist auch in dem jüngsten Bericht der Lancet-Kommission für Demenzprävention der Fall. Die Kommission bringt regelmäßig Berichte heraus, in denen sie die wichtigsten Erkenntnisse zur Alzheimer-Krankheit zusammenfasst.

Ihre ersten Ergebnisse präsentierte die Kommission im Jahr 2017. Darin heißt es: Bestimmte Faktoren wie eine geringere Bildung, Bluthochdruck, Hörschäden, Rauchen, Übergewicht, Depressionen, Bewegungsmangel, Diabetes und eingeschränkte soziale Kontakte können das Risiko für Demenz erhöhen. Drei Jahre später ergänzte sie diese Liste – basierend auf neueren Studienergebnissen – um drei weitere Risikofaktoren: übermäßigen Alkoholkonsum, traumatische Hirnverletzungen und Luftverschmutzung.

Der jüngste Bericht wurde im Juli 2020 in „The Lancet“ veröffentlicht und kam zu dem Schluss, dass „die 12 veränderbaren Risikofaktoren zusammen für etwa 40 Prozent der weltweiten Demenzerkrankungen verantwortlich sind, die theoretisch verhindert oder verzögert werden könnten.“

Der Zusammenhang zwischen Zahnfleischerkrankungen und Alzheimer kam in dem Bericht jedoch nicht vor. Auf Nachfrage der Epoch Times schrieb Gill Livingston, die Leiterin der Kommission: „Das Thema wird in der nächsten Lancet-Kommission diskutiert, daher kann ich nicht viel dazu sagen.“ Sie gab zu bedenken, dass weitere Faktoren die Zahngesundheit beeinflussen können. „Man sollte sich vielleicht fragen, ob Menschen mit schlechter Zahngesundheit eher weniger oder mehr gebildet, wohlhabender und gesünder sind?“

Die Lücke in der Alzheimer-Debatte

Zahnarzt Dr. Mark Burhenne kritisierte diese Lücke in der Alzheimer-Debatte. „Es war schockierend für mich, dass wir Zahnfleischerkrankungen nicht als Risikofaktor einbeziehen. Für mich sollte das an erster Stelle stehen“, sagte er in einem Interview mit Epoch Times. „Wir haben jetzt einen kausalen Zusammenhang. Wenn man verhindern kann, dass Gingipain ins Gehirn gelangt, dann sind wir auf dem richtigen Weg.“

Burhenne spekulierte, dass es in der Zukunft einen Test für den Gingipainspiegel geben könnte, der für jedermann zugänglich sein würde. Im Moment befände sich diese Technologie noch in einer Phase, in der sie recht kostspielig und nicht leicht verfügbar ist. Auch könnte es eines Tages Medikamente oder Mundwasser geben, die speziell Gingipaine bekämpfen würden. Doch bestünde hierbei die Gefahr, dass diese Arznei unerwünschte Nebenwirkungen mit sich brächte, was erst im Detail untersucht werden muss.

Andererseits gibt es heute schon verschiedene Möglichkeiten, Zahnfleischerkrankungen vorzubeugen. Dabei ist es wichtig, die „guten“ Bakterien im Mund zu erhalten. Denn diese tragen dazu bei, das Gleichgewicht in der Mundflora zu bewahren.

Tipps für eine gesunde Mundflora

Neben dem üblichen Zähneputzen nach jeder Mahlzeit und der regelmäßigen Nutzung von Zahnseide können zusätzliche Lebensgewohnheiten beachtet werden, um die Zahngesundheit zu verbessern:

Dr. Burhenne empfiehlt, auf Mundwasser und andere Zahnpflegeprodukte zu verzichten, die desinfizierend oder antibakteriell wirken, da diese auch die nützlichen Bakterien abtöten können. Eine ausgewogene Ernährung und der Verzicht auf stark verarbeitete Lebensmittel unterstützen ebenfalls die Mundgesundheit.

Es sollte laut Dr. Burhenne zudem versucht werden, Glyphosat, Emulgatoren und gentechnisch veränderte Produkte zu meiden, da diese das Mikrobiom schädigen können. Wer häufig durch den Mund atmet, sollte sich dies abgewöhnen, um Mundtrockenheit zu vermeiden und die Speichelproduktion anzukurbeln.

Einige Zahnärzte mögen anderer Meinung sein, bemerkte Dr. Burhenne. „Es geht darum, das richtige Verständnis über die Ursache von Mundkrankheiten zu bekommen“, fügte er hinzu. „Leider sind die meisten Zahnärzte noch nicht so weit. Sie sind großartige Mediziner, aber ihnen wurde in ihrer Ausbildung beigebracht, dass man den Mund wirklich desinfizieren muss.“

Dieser Artikel erschien zuerst auf theepochtimes.com unter dem Titel „An Important and Overlooked Cause of Alzheimer’s“ und ersetzt keine medizinische Beratung. Bei Gesundheitsfragen wenden Sie sich bitte an Ihren Arzt. (Redaktionelle Bearbeitung dl)



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