Geschundenes Land Syrien: Ist Aleppo der Schlüssel zum Sieg von Assad?

Die ehemalige Wirtschaftsmetropole liegt an historischen Handelsstraßen und nahe der Türkei. Seit 2012 ist die Stadt geteilt: In einen regierungstreuen Westen mit 1,2 Millionen Einwohnern und einen von Rebellen kontrollierten Ostteil mit mehr als 250.000 Bewohnern. Die Einnahme Aleppos "wäre ein Wendepunkt", betont Fabrice Balanche, Syrien-Experte am Washington Institute.
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AleppoFoto: KARAM AL-MASRI/Getty Images
Epoch Times28. November 2016

Um jeden Preis will Syriens Machthaber Baschar al-Assad Aleppo zurückerobern. Dabei will er nicht nur die Rebellen besiegen, sondern sich angesichts einer zu erwartenden Kursänderung der US-Außenpolitik auch auf der internationalen Bühne neu positionieren. Seit Monaten folgt eine Offensive auf die andere, um den seit Sommer 2012 von den Rebellen kontrollierten Osten Aleppos zurückzuerobern. Die jüngste Offensive könnte die entscheidende werden.

Für Assad wäre die Einnahme von Aleppo „einer seiner größten Siege“, erklärt der Nahost-Experte Mathieu Guidère von der Universität Paris-8. Sie sei nicht nur „eine der ersten von der bewaffneten Opposition eingenommenen Städte“, sondern habe auch eine „außergewöhnliche historische, politische und geopolitische Bedeutung“. Die ehemalige Wirtschaftsmetropole liegt an historischen Handelsstraßen und nahe der Türkei. Seit 2012 ist die Stadt geteilt: In einen regierungstreuen Westen mit 1,2 Millionen Einwohnern und einen von Rebellen kontrollierten Ostteil mit mehr als 250.000 Bewohnern.

Die Einname Aleppos „wäre ein Wendepunkt“, betont Fabrice Balanche, Syrien-Experte am Washington Institute. Damit gewinne die Regierung die Kontrolle über die fünf größten Städte des Landes.

Die nordsyrische Stadt wäre zugleich der Schlüssel für die Rückeroberung der Provinz Idlib, die derzeit fast vollständig in der Gewalt von Rebellen und Dschihadisten ist. „Das wird die Machtbalance in dem Konflikt ändern“, betont Bassam Abu Abdallah, Leiter des Zentrums für strategische Studien in Damaskus. Er geht davon aus, dass die Regierung „das Szenario von Homs“ wiederholen will. Dort hatten sich die Aufständischen 2014 nach zwei Jahren Belagerung und Bombardements ergeben.

Zermürbungstaktik gegen die Zivilbevölkerung

Seit Mitte Juli ist Ost-Aleppo von Regierungstruppen umstellt und von Hilfslieferungen abgeschnitten. Fast alle Krankenhäuser wurden bombardiert, westliche Länder sprechen von „Kriegsverbrechen“.

Mit dieser Zermürbungstaktik soll die Zivilbevölkerung dazu gebracht werden, sich gegen die Aufständischen zu wenden. „Sie können ein Gebiet nur zurückerobern, wenn die Bevölkerung nicht mehr die Rebellen unterstützt“, sagt Balanche. Tatsächlich verließen Tausende Zivilisten am vergangenen Wochenende den Ostteil Aleppos.

Mit einer Rückeroberung Aleppos wäre die syrische Regierung in einer Position der Stärke, mit der sie als Siegerin aus dem seit 2011 herrschenden Bürgerkrieg hervorgehen könnte. Die Rebellengruppen würden zurückgedrängt und fänden sich nur noch in Idlib wieder, in der südlichen Stadt Daraa sowie in der Nähe von Damaskus, wo sie bereits ihre Hochburgen Daraja und Muadamijat al-Scham verloren.

„Das wird nicht das Ende dieser Gruppen sein, aber eine Niederlage in Aleppo bedeutet, dass sie nicht mehr in der Lage sind, die Bevölkerung zu beschützen“, sagt Guidère. Balanche zufolge würde eine Niederlage der Rebellen in Aleppo zeigen, dass „die Opposition nicht in der Lage ist, einen militärischen Sieg einzufahren“, und sich als „Alternative“ zu Damaskus darzustellen.

„Zerplatzt der Traum“ der Rebellen und ihrer Verbündeten in Saudi-Arabien, Katar und der Türkei?

Für die Opposition sei Aleppo „die letzte Hoffnung, ein lebensfähiges Territorium zu schaffen“. Wenn sie besiegt werde, „zerplatzt der Traum“. Nach Ansicht von Abdallah zerplatzen aber auch die Hoffnungen ihrer Verbündeten in Saudi-Arabien, Katar und der Türkei.

Assad hätte mit einem Sieg in Aleppo auch die Schlüssel für eine mögliche Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen in der Hand. „Aus dieser Position der Stärke heraus dürfte die Neigung zu Verhandlungen aber noch geringer sein“, schätzt Guidère.

Auch mit dem Amtsantritt des künftigen US-Präsidenten Donald Trump könnte sich die Gesamtlage ändern. „Es ist bekannt, dass Trump keine große Lust hat, sich in Syrien zu engagieren. Wenn auch noch Aleppo fällt, lohnt es sich kaum noch, die syrische Opposition zu unterstützen“, erklärt Balanche. Trump hatte bereits in einer Wahlkampfdebatte im Oktober  erklärt, seiner Ansicht nach sei „Aleppo schon gefallen“.

Niemand spricht von den geopolitischen Öl-und Gas-Interessen der Weltmächte USA und Russland und der Interessen der Türkei, das sogenannte Kurdenproblem im Kampf zu „lösen“.  (rls/afp)

 



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