Berliner LKA soll versäumte Gelegenheit zu Festnahme Amris vertuscht haben – Bosbach: Beispielloser Skandal droht

Der mutmaßliche Berliner Weihnachtsmarkt-Attentäter Anis Amri hätte nach neuen Erkenntnissen möglicherweise vor dem Anschlag festgenommen werden können. Entscheidende Ermittlungsergebnisse sind jedoch im Berliner Landeskriminalamt wohl zurückgehalten und sogar manipuliert worden.
Titelbild
Fahndungsfotos des Terroristen Anis Amri auf einer Polizeistation in Frankfurt/Main.Foto: Arne Dedert/dpa
Epoch Times17. Mai 2017

Mitarbeiter des Berliner Landeskriminalamts (LKA) hätten den späteren Attentäter Anis Amri nach Überzeugung des Senats festnehmen lassen können und sollen dieses Versäumnis im Nachhinein vertuscht haben. „Wir müssen davon ausgehen, dass die Vorwürfe im Raum stehen – Strafvereitelung zugunsten Anis Amri und Falschbeurkundung“, sagte Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) am Mittwoch. Er habe deshalb Strafanzeige gegen Unbekannt im LKA erstattet und disziplinarrechtliche Maßnahmen eingeleitet.

Geisel wollte sich nicht näher zu verdächtigen LKA-Mitarbeitern äußern. „Sollte im LKA etwas verschleiert worden seien, werden wir das aufklären“, sagte er. Die Vorwürfe drehen sich um die Auswertung einer Ende September 2016 eingestellten Überwachung von Amris Telekommunikationsdaten. Geisel sagte, der Sonderermittler Bruno Jost habe dazu in eigens vom LKA angeforderten Dokumenten widersprüchliche Angaben ausgemacht.

In einem Dokument vom 1. November sei festgehalten worden, dass Amri nach Erkenntnissen der Überwachung gewerbs- und bandenmäßigen Drogenhandel betreibe. „Nach Ansicht von Experten hätten diese Erkenntnisse ausgereicht, um bei der Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl zu erwirken.“ Dies sei aber nicht geschehen, mutmaßlich weil Amri für die Ermittler nur als islamistischer Gefährder interessant gewesen sei, sagte Geisel.

„Es gibt darüber hinaus ein weiteres Dokument vom LKA Berlin, das am 17. Januar 2017 erstellt wurde, das aber offensichtlich auf den 1. November 2016 zurückdatiert wurde“, sagte Geisel. „In diesem Dokument wird nur noch von Kleinsthandel mit Betäubungsmitteln gesprochen.“ In einem solchen Fall sei eine Festnahme nicht zwingend geboten. Die zuständigen Ermittler hätten offenbar ihr Versäumnis des nicht beantragten Haftbefehls zu vertuschen versucht.

Geisel sprach von einer „bedrückenden Nachricht“, sein Vertrauen in die Berliner Polizei bestehe indes weiter. Dem Innensenator zufolge waren die neuen Erkenntnisse erst am Dienstagabend zutage getreten, weshalb er nun umgehend die Öffentlichkeit habe informieren wollen.

Rund sechs Wochen nach dem Unterlassen der offenbar möglichen Festnahme hatte der aus Tunesien nach Deutschland eingereiste Amri am 19. Dezember ein islamistisch motiviertes Attentat verübt. Bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz tötete Amri mit einem gestohlenen Lastwagen zwölf Menschen und verletzte dutzende weitere. Amri selbst wurde während seiner Flucht bei einer Polizeikontrolle in Italien erschossen.

Bei der Aufarbeitung des Attentats waren verschiedene Versäumnisse zutage getreten. So war Amri wegen diverser Vergehen polizeibekannt und auch als Gefährder eingestuft. Während sich im Landtag von Nordrhein-Westfalen ein Untersuchungsausschuss mit möglichen Fehlern der Behörden befasst, setzte der Berliner Senat den früheren Bundesanwalt Jost als Sonderermittler ein.

Bosbach zum Fall Amri: Beispielloser Skandal droht

Nach Ansicht von CDU-Innenpolitiker Wolfgang Bosbach droht im Fall Amri ein „beispielloser Skandal“: Wenn sich der Verdacht bestätige, dass der Attentäter vor dem Anschlag in Berlin wegen bandenmäßigen Handels mit Betäubungsmitteln aufgefallen sei, „muss davon ausgegangen werden, dass Amri bereits im Herbst 2016 nicht nur hätte verhaftet werden können, sondern auch verhaftet werden müssen“, sagte Bosbach der „Heilbronner Stimme“ (Donnerstagsausgabe).

„Sollte es sich bestätigen, dass die Fallauswertung vordatiert wurde, um dieses Versagen im Nachhinein zu vertuschen, wäre dies ein beispielloser Skandal, der nicht ohne politische und strafrechtliche Folgen bleiben darf.“ (afp/dts)



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